Was ist eure Einstellung zum Kapitalismus?
Hallo,
nach dem zweiten Weltkrieg gab es in Deutschland eigentlich einen breiten Konsens, dass die Zerwürfnisse des Kapitalismus maßgeblich zum Ausbruch des 1. und 2. Weltkriegs beigetragen haben. Das Ahlener Programm der CDU bspw. sagte das auch und forderte eine Abkehr.
Bis heute scheint sich die Haltung der Parteien und auch der Bevölkerung zum Kapitalismus wieder geändert zu haben. Daher meine Umfrage: Wie ist eure Einstellung zum Kapitalismus.
Liebe Grüße
19 Stimmen
4 Antworten
Die Widersprüche und katastrophalen Folgen des Kapitalismus sind heute so aktuell wie vor hundert Jahren. Kapitalismus bedeutet Armut, Ausbeutung, Diskriminierung, Imperialismus, Krieg und Umweltzerstörung, er führt durch seine eigenen Dynamiken zwangsläufig zu Wirtschaftskrisen und er dringt in jeden Bereich unseres Lebens ein, um ihn zur Ware zu machen - alles für grenzenloses Wachstum zugunsten einer kleinen Minderheit.
Die Alternative ist eine bedürfnisorientierte Wirtschaft, die auf demokratischer Planung und Gemeinbesitz beruht. Nicht anderes ist Sozialismus. Die allermeisten Leute würden diese Ideale gutheißen, reagieren aber ablehnend auf Begriffe wie Sozialismus, Kommunismus oder Marxismus. Der Hauptgrund dafür ist, dass sie fälschlicherweise die angestrebte sozialistische Gesellschaft mit ihrem stalinistischen Zerrbild gleichsetzen.
Die soziale Marktwirtschaft, auf die sich gerne so positiv berufen wird, ist kein dritter Weg, sondern nur eine konkrete Ausprägung des Kapitalismus, die nichts an seinen grundlegenden Regeln ändert, auch wenn sie die Zunahme der Ungleichheit und des Elends verlangsamt (aber nicht aufhält oder gar umdreht). Ein gewisses Maß an sozialer Absicherung und staatlichen Eingriffen in den Markt ist zudem keine Erfindung der Nachkriegszeit, sondern war schon lange vorher üblich.
Der Faschismus und seine deutsche Ausprägung, der Nationalsozialismus, waren eine andere Ausprägung des Kapitalismus, die den Markt abschirmte gegen demokratische Intervention und Umverteilung zugunsten der unteren Klassen - eine Forderung, die den Faschismus übrigens mit dem klassischen Liberalismus verbindet.
Das tatsächliche Ausmaß der faschistischen Verbrechen war dann aber so groß, dass es sogar Teile der Christdemokraten genug erschütterte, um mit "christlichem Sozialismus" zu liebäugeln und so etwas wie das Ahlener Programm zu schreiben. Die abgeschwächte Umsetzung in Form der sozialen Marktwirtschaft lässt sich zudem nur verstehen vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Aufschwungs in den Nachkriegsjahrzehnten und einer starken Sozialdemokratie, die diesen Namen auch verdient.
Seit den 80er und 90er Jahren erleben wir eine Phase des Neoliberalismus, in dem die sozialen Institutionen der "sozialen Markwirtschaft" geschleift und beschnitten und öffentliches Eigentum privatisiert wurde. In der Folge beschleunigte sich die Zunahme der Armut rasant. Die sozialdemokratischen Parteien haben in dieser Zeit auch eine Wandlung zu offen prokapitalistischen Positionen durchlaufen und fungieren heute als Komplizen der Liberalen.
Von Dingen wie Planwirtschaft und Kommunismus halte ich persönlich nicht viel. Bislang haben wir immer wieder beobachten können, wie jeder Versuch, Kommunismus einzuführen und aufrechtzuerhalten, kläglich gescheitert ist. Und doch, das war echter Kommunismus!
Als Alternative bleibt eben die Marktwirtschaft und damit der Kapitalismus. Der Kapitalismus hat aber eben das eine große Problem, dass nach einiger Zeit ein Großteil des Kapitals in den Händen von äußerst wenigen Personen landet.
Das ist aber immerhin noch deutlich besser, als Kommunismus. Schließlich lässt sich dieses Problem vergleichsweise gut durch Erbschaftssteuer, etc. bekämpfen. Wenn wir beispielsweise festlegen, dass jedes Vermögen bis z.B. eine Million pro Erbe steuerfrei geerbt werden kann, dass aber anschließend für jeden weiteren Euro 100% Erbschaftssteuer anfallen, dann könnten wir alle Einnahmen aus dieser Erbschaftssteuer in einem allgemeinen Verrechnungstopf sammeln und anschließend jedem Bürger in gleichem Maße (gleicher absolut Betrag) einen Teil seiner Einkommensteuer erlassen. Dann hängt Vermögen und harte Arbeit wieder stärker zusammen und dank eines vernünftigen Freibetrags muss auch niemand Angst haben, man würde das Haus verlieren, dass seit Jahrzehnten in Familienbesitz ist.
Davon mal abgesehen ist es zwar suboptimal, dass das Kapital innerhalb der Gesellschaft so ungleich verteilt ist, dass das Kapital aber global sehr ungleich verteilt ist, ist für uns ein wahrer Segen. Geld bedeutet politische Macht. Und wären wir nicht die großen Gewinner des Kapitalismus, hätten die westlichen Länder weit weniger politischen Einfluss. Es gibt in diesem Zusammenhang noch unzählige andere Vorteile. Die Textilindustrie schafft es beispielsweise auch nur deshalb, sklavereiähnliche Arbeitsbedingungen in der Produktion aufrechtzuerhalten, weil die Menschen in Bangladesch und co. einfach so unglaublich arm sind. Stell dir mal vor, jemand würde dir denselben Job mit demselben Gehalt in Deutschland anbieten. Dank unseres Wohlstands können wir das ablehnen während die Menschen in ärmeren Ländern ohne diesen Job nicht über die Runden kommen könnten. Der Wohlstand des einen bedeutet immer, dass ein anderer dafür leiden muss. Dank des Kapitalismus stehen wir auf der angenehmen Seite und sollten dafür dankbar sein.
Der Kapitalismus muss sich den neuen Umständen des Kima Wandels anpassen, aber es fällt ihm schwer, weil ja der Grundsatz, mit allen Mitteln Höchstgewinne zu generieren angestrebt wird, aber schädlich sind. Dazu die Wegwerfgesellschaft, sinnlose Produktion durch Mode- und Modellwechsel in kurzen Interwallen, verbrauchen die Ressourcen vor der Zeit und das müsste aufhören.
Fuer mich passt keines deiner Abfragen, nur soviel dazu, das ein Überdenken der genannten Punkte erfolgen muss, ansonsten droht, vor der Zeit, die Wand.
Kapitalismus hat tatsächlich gute Seiten, aber letztendlich ist er nur Zwischenschritt zu einer Lebensraumerhaltenden und gerechteren Wirtschaft.
Nein, es sind nicht alle Menschen gleich.