Ja, es stimmt, dass es in vielen sozialistischen Ländern autoritäre Fehlentwicklungen gab. Diese sind aber nicht das Wesen des Sozialismus-Kommunismus, sondern sind den spezifischen historischen Bedingungen geschuldet, unter denen diese Länder vor der Herausforderung standen, den Kommunismus aufzubauen.
Erstens sind kommunistische Parteien bisher nur in den ärmsten und unterentwickeltsten Teilen der Welt an die Macht gekommen. Zunächst 1917 in Russland, welches das am stärksten agrarisch geprägte und rückständigste europäische Land war und zusätzlich durch Weltkrieg und Bürgerkrieg verwüstet und entvölkert wurde sowie durch Sezessionen wichtige Wirtschaftszentren verlor. Nach dem Zweiten Weltkrieg dann die weniger industrialisierte Osthälfte Europas sowie zahlreiche durch jahrzehntelange imperialistische Ausbeutung und Unabhängigkeitskriege gebeutelte ehemalige Kolonien in Asien, Afrika und teilweise Lateinamerika. In diesen Ländern war es nicht möglich, sofort zu einer sozialistischen Verteilungsweise überzugehen, stattdessen musste Mangel verwaltet werden und das stellte die Mitbestimmung von unten vor große Probleme und förderte autoritäre Entwicklungen.
Zweitens existierte jedes sozialistische Land nur unter der ständigen Gefahr der Vernichtung durch die imperialistischen Großmächte, weil diese weder eine erfolgreiche Alternative zum Kapitalismus noch eine direkte Gefährdung ihrer Wirtschaftsinteressen duldeten. Sozialistische Länder und selbst gemäßigte Regierungen, die sich dem westlichen Imperialismus widersetzten, hatten mit diplomatischer Isolation, Wirtschaftsblockaden, Militärinterventionen, Unterwanderung, Destabilisierung und Staatsstreichen unter Beteiligung westlicher Geheimdienste zu kämpfen. In Lateinamerika sind Interventionen des US-Militärs und westlich gestützte Militärdiktaturen zur Verhinderung einer kommunistischen Machtergreifung nahezu universelle Erfahrungen. Unter diesen Bedingungen ist es nach einer erfolgreichen Revolution sehr schwer, eine offene Gesellschaftskultur zu erhalten, während Militarismus und berechtigte Paranoia und Angst vor einer Konterrevolution befeuert wird.
Trotz alledem haben alle sozialistischen Staaten erhebliche Fortschritte für ihre Bevölkerung erzielt, sowohl was materielle Versorgung angeht als auch demokratische Mitbestimmung. Das kleine und agrarische sozialistische Kuba übertrifft die imperialistische Supermacht USA mittlerweile in nahezu allen Gesundheitsparametern, und die Sowjetunion garantierte 1917 mit der Rätedemokratie direkte Mitbestimmung von bis dahin ungekanntem Ausmaß, während die meisten bürgerlichen Republiken zu diesem Zeitpunkt noch mit Zensus- und Klassenwahlrecht in verschiedenen Formen noch ganz offen Demokratien der Reichen waren. Wenn die äußere Bedrohungslage es zuließ, gab es in sozialistischen Ländern auch immer wieder Phasen der demokratischen Öffnung.
Eine Definition eines Merkmals für Demokratie – dass der Staatsführer nach zwei Amtsperioden abgewählt wurde oder eine andere Partei an die Macht kam – entspricht den Prinzipien einer liberalen Demokratie mit regelmäßigem Machtwechsel durch Wahlen. Viele moderne Demokratien erfüllen dieses Kriterium.
Du gibst hier eine rein formale Definition von Demokratie. Ja, in einer bürgerlichen Demokratie gibt es einen Parteienpluralismus und auch hin und wieder einen Regierungswechsel. Aber dabei handelt es sich nur um einen Personalwechsel innerhalb der gleichen herrschenden Klasse des Bürgertums, der höchstens mit einem Strategiewechsel für die richtige Verwaltung des Kapitalismus verbunden ist, nicht mit einem gesellschaftlichen Wandel. Die Interessen der arbeitenden Mehrheit der Bevölkerung werden in keiner bürgerlichen Demokratie abgebildet, und die Abschaffung von Privateigentum oder Obdachlosigkeit stehen auch auf keinem Wahlzettel.
Sobald die Masse der Bevölkerung tatsächlich droht, das Parlament selbst zu einer Waffe im Kampf gegen die herrschende Klasse zu machen, wird die Demokratie von dieser wieder einkassiert, wie z.B. die historische Erfahrung des Faschismus in Italien, Deutschland, Spanien und weiteren Ländern zeigt.
Der sozialistische Anspruch an Demokratie ist ein anderer als bloß die Wahl zwischen zwei oder mehreren Ausbeutern, sondern die Garantie nicht nur formal-rechtlicher, sondern auch realer und materieller Gleichstellung.
Witzigerweise hält ChatGPT bei dieser Frage die skandinavischen Länder für sozialistisch, was auf das Weltbild der Programmierer schließen lässt.
Ferner wird geschrieben:
Ein Beispiel für ein Land, das sich in Richtung Sozialismus bewegte und dabei demokratisch blieb, ist Costa Rica. Es hat soziale Reformen umgesetzt und ist eine Demokratie geblieben.
Weder die skandinavischen Länder noch Costa Rica waren oder sind sozialistisch. Was sie vereint, ist ein ausgebauter Sozialstaat. Das stellt wiederum nur eine mögliche Strategie der kapitalistischen Verwaltung dar, mit der Unzufriedenheit von unten eingehegt wird, quasi etwas mehr Zuckerbrot und etwas weniger Peitsche, und solche Sozialstaatsregelungen sind auch nur möglich unter den Bedingungen einer wachsenden Wirtschaft und einer hohen Stellung im imperialistischen Weltsystem (bzw. im Falle Costa Ricas eine besondere strategische Stellung zu den USA). Wenn diese Bedingungen wegfallen, können diese Errungenschaften wieder einkassiert werden. In Deutschland ist das seit den 80er Jahren der Fall, und auch in Costa Rica und Skandinavien hat der Neoliberalismus längst Einzug gehalten und der Sozialstaat wird Stück für Stück auseinandergenommen. Eine nachhaltige Garantie für soziale Absicherung kann es nur in einer sozialistischen Wirtschaft geben.