Sollte dieser Vergleich grundsätzlich strafbar sein?
Die ewige Debatte unter den Historiker*Innen: Darf der Kommunismus bzw. "real existierende Sozialismus" mit dem Nationalsozialismus verglichen werden?
WICHTIG: Mit "vergleichen" meine ich nicht, dass man objektiv beide Systeme anschaut und ihre jeweiligen Merkmale analysiert. Mit "vergleichen" meine ich das Gleichsetzen bzw. auf eine Stufe stellen. Dies erfolgt in der Realität meist in Form von Aussagen wie "Kommunisten sind doch viel schlimmer als Nazis" oder etwas konkreter "Die DDR war doch viel schlimmer als das Dritte Reich" oder irgendwelchem dummen Geschwafel von Rechtsaußen. Ihr wollte nicht wissen, wie oft ich das schon im Internet lesen musste.
Ich selbst würde niemals auf die Idee kommen, das sozialistische System, in welchem ich 19 Jahre lang gelebt habe, mit all seinen Höhen und Tiefen, auf eine Stufe mit Adolf Hitler und dem Dritten Reich zu stellen, das erscheint mir persönlich völlig absurd!
Aber was denkt ihr? Sollte es eine Straftat sein, den Kommunismus auf eine Stufe mit dem Nationalsozialismus zu stellen, und dadurch die einzigartig abartigen Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren à la "die anderen waren doch viel schlimmer"? Bitte mit Begründung!
25 Stimmen
10 Antworten
Die Ideologien dürfen nicht nur miteinander verglichen werden, sondern sie müssen es sogar - aus vernünftigen und ethischen Gründen.
Wer nur moralisch argumentieren kann, den kann man nicht ernst nehmen.
Man kann anderen nicht vorschreiben, wie sie etwas zu finden haben. Das funktioniert weder rechtlich noch epistemiologisch.
Es ist in Deutschland auch nicht strafbar, den Nationalsozialismus gut zu finden.
Wie sollte so eine Strafbarkeit durchgesetzt werden können? Die moralische Gleichsetzung des Kommunismus mit der Schreckensherrschaft des Faschismus ist ja gerade eines der mächtigsten Totschlagargumente, mit denen der bürgerliche Staat die kapitalistische Eigentumsordnung gegen links absichert.
Ein Interesse daran, diese Gleichsetzung zu kriminalisieren, kann es von staatlicher Seite aus also gar nicht geben, zumal der deutsche Staat selbst ständig Geschichtsrevisionismus betreibt, etwa wenn die Rolle der Kommunisten im inneren Widerstand gegen die Nazis, der überragende Anteil der Sowjetunion an ihrer militärischen Niederlage sowie die Kontinuitäten sowohl von der Weimarer Republik zum NS-Staat als auch vom NS-Staat zur BRD kleingeredet oder geleugnet werden. Die Erklärung von Kommunismus und Faschismus als Zwillingsmonster ist da der letzte Baustein einer vollkommenen Geschichtsverzerrung, die klaren politischen Zielen dient.
Gegen einen objektiven Vergleich verschiedener Wirtschafts- und Gesellschaftsformen lässt sich nichts einwenden. Verzerrend wird es dann, wenn der Vergleich sich auf oberflächliche Phänomene beschränkt und nur faschistische und sozialistische, aber nicht liberaldemokratische Gesellschaften miteinbezieht. Der Nährboden des Faschismus stellten der Kapitalismus, der Antikommunismus, der Nationalismus und der Kolonialismus dar, und weder Völkermord noch Konzentrationslager oder Zwangsarbeit waren Dinge, die die Faschisten in Italien und Deutschland neu erfunden hätten, im Gegenteil nannten sie gerade die britische und französische Kolonialherrschaft und die Rassentrennung in den USA als ihre expliziten Vorbilder.
Nein, das sollte nicht strafbar sein. Auch absurde oder geschichtsverzerrende Meinungen fallen unter die Meinungsfreiheit. Statt Verbote braucht es Aufklärung und klare gesellschaftliche Gegenrede.
Auch absurde oder geschichtsverzerrende Meinungen fallen unter die Meinungsfreiheit.
Das ist aber sehr dünnes Eis.
Ich sehe in erster Linie keinen Grund das zu vergleichen. Die NS - Zeit bleibt eine schlimme Zeit egal wie grausam das war, was danach passierte. Den Menschen, die Opfer des NS - Regimes waren ist es egal, wie grausam das danach war und den Menschen die unter Stalin litten ist es egal, wie grausam das NS - Regime war. Man sollte beides getrennt voneinander betrachten und verurteilen. Jegliche Vergleiche wie du sie beschreibst dienen nur zur Ablenkung und um irgendeine Ideologie als besser darzustellen, obwohl beide grausam und verachtenswert sind/waren.
Zur Beantwortung deiner Fragen: Wenn mit solchen Aussagen der Holocaust gezielt verherrlicht, verharmlost oder gebilligt wird, dann ist das schon laut §130 Abs. 3 StGB:
Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
Ich glaube diese Regelung reicht aus.
Kommt auf die Intention an. In den allermeisten Fällen dient der Vergleich zwischen Nationalsozialismus und z. B. Stalinismus in der Realität primär als moralisches Totschlagargument der neoliberal-bürgerlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gegen Links.