Warum ist Deutschland ein Petzerland?

9 Antworten

So schlimm finde ich das nicht.

Ich habe während der Pandemie genügend Leute erlebt, die sich nicht an die Regeln hielten. Ich hatte da Angst um meine Gesundheit, weil ich eine Vorerkrankung habe. Einkaufen und zum Arzt musste ich.

Wieso regen sich die Leute über den Anzeigenhauptmeister auf? Regt sich jemand über die Falschparker auf?

Petzer gab es auch in der DDR: Da wurde man schnell vorgeladen im Betrieb, wenn man krank geschrieben war und in der Kaufhalle gesehen wurde.

Wie in der vorigen Frage beantwortet sind Deutsche sehr ordentlich, und der Ordnungsdrang verleitet dann manchmal zu Denunziantentum; Falschparker sind ja "unordentlich".

Zudem sind Deutsche wohl auch oft neidischer als andere Menschen, ähnlich den Chinesen, die übrigens auch politisch stark unterdrückt werden.

In China gibt es das Sprichwort: "Ein großer Mann ist ein öffentliches Ärgernis."

In Japan gibt es das Sprichwort: "Der Nagel der heraussticht, wird niedergehämmert."

In Deutschland könnte es auch solche Sprichwörter geben ... der Deutsche scheint anderen weniger zu gönnen, als Menschen aus z.B. Südeuropa.

Das ist kein "Phänomen", was du speziell nur den Deutschen zuschreiben kannst. Auch wenn wir hier mit dem Dritten Reich und danach mit der DDR zwei Staatsgebilde hatten, wo Denunziation wirklich zu großen Teilen eine Art "Volkssport" gewesen ist....

Allerdings siehst du das auch heutzutage in vielen anderen Staaten - gerade in solchen, wo totalitäre Regime immer noch die Macht haben. Schau z.B. mal nach Russland, wo extrem viele Leute wegen quasi nichts im Knast oder in irgendeinem sibirischen Straflager sitzen. Wie sind die wohl dahin gekommen? Richtig - in vielen Fällen, weil sie ihre ehrliche Meinung öffentlich geäußert haben und irgendein Anderer sie daraufhin an die Behörden verpetzt hat.

Aber ähnliche Fälle hört man auch aus (anderen) demokratischen Ländern, z.B. den USA. Da habe ich schon häufiger von Situationen gelesen, wo das FBI unangekündigt aufgrund "anonymer Tipps" bei irgendwelchen Leuten aufgeschlagen, ihre Wohnungen durchsucht oder sie vlt. sogar kurzzeitig mitgenommen und verört hat. Woher kommen solche "anonymen Hinweise" denn? Korrekt - von externen "Denunzianten".

Du siehst also: solche "Phänomene" kannst du nicht nur auf die Deutschen festlegen; die gibt es quasi überall (in unterschiedlichem Ausmaß) auf der Welt....

Ich glaube nicht, dass Denunziantentum nun vorwiegend in Deutschland zu finden ist oder den Ursprung in den beiden Weltkriegen gefunden hat.

Doch Denunzianten nun einfach generell als lästig und überflüssig abzustempeln, greift zu kurz. Der deutsche Moralphilosoph Stefan Gosepath sagte im Frühling 2020 in einem Interview mit «Zeit Campus»: «Diese sogenannte Blockwart-Mentalität wird ja derzeit häufig kritisiert. Grundsätzlich ist es aber so: Soziale Kontrolle ist sehr wichtig. Wir brauchen Mitmenschen, die uns an bestehende Regeln erinnern, das bietet uns moralische Orientierung.»

https://www.nzz.ch/zuerich/meinung/der-grat-zwischen-denunziantentum-und-zivilcourage-ist-schmal-ld.1641237

Das sehe ich ähnlich! Das "Problem" scheint mir eher zu sein, dass Menschen die gegen Regeln verstoßen und sich ertappt fühlen, es sich mit der Schuldzuweisung einfach machen, indem sie eben dem "Denunzianten" abfällig gegenüber treten.

Der "Denunziant" bewegt sich meist im Verborgenen und muss sich nicht aus der Anonymität heraus äußern. Jemand der allerdings Zivilcourage beweist, steht offen auf und unternimmt etwas.

Würden sich alle an die Regeln halten, wie blöd man die auch persönlich empfinden mag, dann gäbe es doch gar keine Denunzianten, oder?

Nach diesem Bericht sind Denunzianten Teil eines totalitären Systems.

Dass auch Demokratie und Diskretion zum Problempaar werden können, mag im Zeitalter der NSA-Enttarnungen niemand mehr ernsthaft ausschließen, der über Augen, Ohren und eine gewisse Menge Verstand dazwischen verfügt. Sicher ist jedenfalls: Was die systematische Zerstörung von diskreten Lebensräumen aus- und mit Menschen macht, individuell wie sozial, das lässt sich einlässlich studieren an historischen „indiskreten Gesellschaften“, die zum Glück nicht mehr existieren. Dem NS-Staat, zum Beispiel, oder auch der DDR.

https://www.deutschlandfunkkultur.de/sachbuch-die-indiskrete-gesellschaft-denunzianten-sind-teil-100.html

In der ehemaligen DDR dürften sich die Menschen dreimal überlegt haben was sie sagen oder tun. Neben "Big Brother - also dem Staat" war auch meist noch Jemand aktiv beteiligt es Big Brother zu stecken. Freunde, Familienangehörige, Arbeitskollegen usw.

Das findet man heute z.B. auch in Russland. Der Denunziant nebenan, der den Sicherheitsorganen "steckt", dass der Nachbar mit dem Westen sympathisiert. Er bleibt für den Nachbarn unsichtbar, aber der findet sich im Arbeitslager wieder.

Will man also wirklich die zu laute Grillparty nach 22.00h die der Nachbar meldet um seine Nachtruhe zu bekommen vergleichen mit Denunzianten, die aus den niedrigsten Beweggründen einen Anderen verpetzen, wissend, welche Folgen das für den haben kann?

Es mag uns ärgern, wenn wir "verpetzt" werden. Aber was erwartet uns dann wirklich? Ein Bußgeld, wenn überhaupt!

Aber wenn man den Arbeitgeber "verpetzt" der 30 Illegale beschäftigt, dann hat es für mich was mit Zivilcourage zu tun und dem Wunsch diesem Treiben endlich ein Ende zu setzen.

Ich glaube nicht, dass wir diesbezüglich in Deutschland ein Problem haben mit dem Denunziantentum. Denn von einem totalitären Staat sind weit entfernt! Und der moralische Kompass jedes Einzelnen ist eben unterschiedlich. Manche fühlen sich "denunziert" und Andere sagen sich "ok, ich habe Mist gemacht".

Das ist kein speziell deutsches Problem.