Warum ist damals von Westdeutschland oder sogar BRD nicht Hannover die Hauptstadt geworden?

5 Antworten

Von Experte Udavu bestätigt

Nun ja, dass Hannover die größe Stadt in Niedersachsen und deren Hauptstadt ist, ist finde ich nicht ansatzweise ein Argument. Dann könnte man genauso gut auch Saarbrücken, Dresden oder München als Hauptstadt sehen. Gemeinhin (ich weiß nicht immer, aber oft) ist die größte Stadt eines Landes die Hauptstadt oder, wenn sie nicht die administratorische Hauptstadt ist, das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des Landes. Das alles ist Hannover in Deutschland nicht.

Wirklich zentral liegt Hannover auch nicht, vielleicht zentral in Norddeutschland, aber wenn man sich mal die Nord-Süd-Ausbreitung des Landes ansieht, ist Berlin etwa auf gleicher "Höhe". Ginge man nach diesem Aspekt, würde sich Erfurt anbieten, übrigens ist Erfurt auch die größte Stadt in Thüringen und dessen Hauptstadt, warum also nicht Erfurt? :)

Die sprachliche Komponente ist erstens ein Mythos und zweitens heutzutage sowieso irrelevant. Man hört auch bei einem heimatverbundenen Hannoveraner, dass er aus Norddeutschland kommt. In Hannover wurde bis vor einigen Jahrzehnten Platt- bzw. Niederdeutsch gesprochen wie im gesamten Norddeutschen Raum, dass dort bis auf die Ausprache recht verständliches Hochdeutsch gesprochen wird, hat damit zu tun, dass es für die Bewohner dort weit mehr Fremdsprache war, als für einen Bayern. Die Entwicklung hin zum Hochdeutschen ist außerdem ein landesweites Phänomen, auch in Bayern findest Du nur wenige Dialektsprecher, auch wenn ein Hochdeutsch mit starkem Akzent heute gerne als Dialekt missinterpretiert wird. Dazu kommt, dass in keiner Großstadt heute noch nennenswert Dialekt gesprochen wird, da die Bevölkerungsstrukturen dort sehr dynamisch sind.

Auch was die Nähe zu anderen Bundesländern angeht hat Hannover keinerlei Vorteile gegenüber Frankfurt, Erfurt oder z.B. Bonn. Des Weiteren sind die süddeutschen Bundesländer, die immerhin knapp 30 Prozent der Bevölkerung stellen nach wie vor weit weg.

Natürlich hätte man Hannover 1949 in Betracht ziehen können, in der alten Bundesrepublik lag Hannover aber wirklich nicht gerade zentral. Nach 1990 verlegte man die Hauptstadt nach Berlin, der mit Abstand größten Stadt Deutschlands, die außerdem, im völligen Gegensatz zu Hannover oder Bonn, auch historisch eine große Legitiomation als Hauptstadt vorweisen konnte.

spanferkel14  10.10.2022, 06:24

Dass im gesamten norddeutschen Raum bis vor einigen Jahrzehnten Platt- bzw. Niederdeutsch gesprochen wurde, das wüsste ich aber, wenn es so wäre. Ich bin nämlich vor nun schon vielen Jahrzehnten in Norddeutschland geboren. Die Geburt meiner Eltern (auch dort) liegt sogar schon über 100 Jahre zurück. Weder sie noch ich sprachen/sprechen Plattdeutsch. Nur 2 meiner Großeltern waren auf dem Land aufgewachsen und konnten es natürlich noch. Mein Vater hat sich Plattdeutsch erst später aus Interesse angeeignet. Da weder bei uns zu Hause noch auf der Grundschule oder auf dem Gymnasium irgendjemand Platt sprach, lernte ich es als Kind auch nie. Natürlich verstand ich es ein kleines bisschen, denn auf dem Lande hörte man es ja. Auf dem Gymnasium wurden diejenigen Kinder vom Lande, die noch nicht gut Hochdeutsch konnten und überhaupt sehr breit sprachen, in den ersten zwei Jahren getrennt von uns unterrichtet, damit sie nicht gehänselt wurden. Erst ab der 7. Klasse wurden wir gemischt. Ich habe mir ein wenig Plattdeutsch erst später angeeignet, als ich schon längst nicht mehr in Norddeutschland lebte. Ich bedaure es heute noch, dass früher überhaupt kein Wert darauf gelegt wurde, uns Kindern in der Stadt das Plattdeutsche näher zu bringen.

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Schlaumayrl  11.10.2022, 10:46
@spanferkel14

Interessant, ich gebe zu, ich berufe mich nur auf angelesenes Wissen. Demnach sprach der norddeutsche Raum historisch so und die "Hochsprache" wurde dort als Fremdsprache erlernt und eingeführt, weshalb nicht "aus dem Dialekt heraus" Hochdeutsch (mit starken Einschlag, wie in Bayern, Sachsen usw.) gesprochen wird, sondern Hochdeutsch dort weit eigenständiger als weitere Sprache gesehen wurde. Deshalb die recht klare und verständliche Aussprache.

Du sagst, Du kommst aus einer Stadt, vielleicht ist dort der Prozess früher abgelaufen als anderswo, laut meiner theoretischen Recherchen muss aber auch dort früher niederdeutsch ("Platt") gesprochen worden sein.

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spanferkel14  11.10.2022, 11:57
@Schlaumayrl

"Früher" ist ein relativer Begriff. Du sagtest, dass im gesamten norddeutschen Raum bis vor einigen Jahrzehnten Platt- bzw. Niederdeutsch gesprochen wurde. Wenn du vor einigen Jahrhunderten gesagt hättest, hätte ich mich nicht zu Wort gemeldet. Klar, im Mittelalter zu Zeiten der Hanse war Plattdeutsch sozusagen die "Hochsprache" im Norden (also schriftlich wie auch mündlich). Das ging so bis etwa Mitte des 16.Jahrhunderts. Von da an setzte sich immer mehr das Hochdeutsch des Südens durch, zunächst nur beim Adel, in den städtischen Kontoren und in den oberen Schichten, zunächst auch nur in der Schriftsprache. Aber das ging dann nach und nach auch im mündlichen Bereich weiter. Die Leute sprachen vielleicht noch im engsten Kreis und in der Nachbarschaft Plattdeutsch, aber in der breiteren Öffentlichkeit nicht mehr. Das Plattdeutsche wurde als minderwertig angesehen und hielt sich nur noch auf dem Land (also unter Bauern) sowie in der Stadt bei den sogenannten "kleinen Leuten" (Handwerker etc.). Mit "Stadt" meine ich hier nicht etwa Großstädte, sondern jedes Kaff, welches Stadtrechte hatte. Ich komme beispielsweise aus einer Kleinstadt, die damals im Kern vielleicht 12 oder 13000 EW hatte. Kein "normaler" Mensch sprach im letzten Jh. in meiner Heimatstadt in seinem alltäglichen Leben Plattdeutsch. Es war aber wichtig, dass die Kaufleute oder zumindest das Personal in den Geschäften und auch Angestellte auf den Ämtern Platt konnten, denn sonst hätten die Leute vom Land, die oft wirklich kein oder nur wenig Hochdeutsch konnten, diese Geschäfte gemieden. Besonders in Geschäften, die mit dem Handwerk zu tun hatten, war es wichtig, dass die Verkäufer Platt konnten. Ein Eisenwarengeschäft oder Farbenhandel nur auf Hogdütsch? Unmöglich! Der Besitzer wäre pleite gegangen. Auch ein Arzt, der Platt sprach, war im Vorteil - zu einem "hochdeutschen Schnösel" wäre doch kein Bauer gegangen! Und wenn der Arzt vielleicht ursprünglich tatsächlich vom Lande war, hatte er schon gewonnen. - Die Kinder auf dem Land schrieben in der Volksschule natürlich Hochdeutsch, aber sie sprachen mit den Lehrern (die oft selbst aus der Region kamen) häufig fast nur Platt und fühlten sich dementsprechend unwohl, wenn sie mit Stadtkindern zusammenkamen, und wir kleinen Kröten waren ja auch gemein, nannten sie "Landeier" oder zogen die Nase hoch, um anzudeuten, dass es nach Kuhstall röche. Deshalb wurde auf dem Gymnasium die anfängliche Trennung gemacht - sozusagen gut gemeinte Diskriminierung seitens der Schulleitung! - Heute gibt es Gottseidank in meiner Heimatregion eine Bewegung zurück. Plattdeutsch ist 2. Amtssprache. Es wäre auch sehr schade, wenn diese plastische Sprache aussterben würde. Ich bedauere es, dass ich nie richtig Plattdeutsch gelernt habe. Am schlimmsten ist es mit der Verbkonjugation, die ich nicht korrekt beherrsche, sondern nur nach Gefühl ab und zu einen Treffer lande.

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Schlaumayrl  11.10.2022, 12:18
@spanferkel14

Dann muss ich mich berichtigen und entschuldigen. Vielen Dank für den sehr interessanten Einblick, ich hatte die "städtischen Zentren", in denen sich das Hochdeutsche deutlich früher breitgemacht hat, immer als wesentlich größer interpretiert. Vielleicht ein Fehlschluss aus meiner bayerischen Heimat"stadt" mit etwa 10.000 Einwohnern, deren Dialekt sich bis heute nicht signifikant vom Umland abhebt. Generell gab und gibt es ja auch im Süddeutschen Raum den Trend zur Hochsprache je größer die Stadt, hier muss eine Stadt dafür aber wirklich größer sein um eine hörbar andere Mundart hervorzubringen...

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spanferkel14  11.10.2022, 12:58
@Schlaumayrl

Ne, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Man kann doch nicht alles wissen. Und warum solltest du als Bayer dich ausgerechnet mit der niederdeutschen Sprache beschäftigen? Das Ding ist ja, dass Niederdeutsch kein Dialekt neben dem Standarddeutsch (bzw. Hochdeutsch) ist, sondern eine eigenständige Sprache mit eigener Grammatik, vereinfacht gesagt: ursprünglich im Norden Niederdeutsch, im Süden Hochdeutsch. Dann breitete sich das Hochdeutsche nach Norddeutschland aus und war für die Norddeutschen quasi eine Fremdsprache, die sie lernen mussten wie Englisch oder Französisch. Aber das hattest du selbst ja schon ganz richtig gesehen. Du lagst nur mit der Zeit falsch. Das Ganze hat sich halt viel früher abgespielt.

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Schlaumayrl  11.10.2022, 21:47
@spanferkel14

"Das Ding ist ja, dass Niederdeutsch kein Dialekt neben dem Standarddeutsch (bzw. Hochdeutsch) ist, sondern eine eigenständige Sprache"

Genau, das ist letztlich der Punkt. Danke für die erhellende Unterhaltung!

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Wegen der Gefahr eines russischen Angriffs wurde die Hauptstadt Bonn am Rhein.

Sehr weit westlich an Frankreich war eine strategische Entscheidung.

sarah3  09.03.2023, 22:34

Nein vor allem weil Adenauer Rheinländer war

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current900  08.08.2023, 02:15

Dazu kommt, dass Bonn nicht kaputt war, wie fast der ganze Rest.

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Stand nie zur Debatte. Es ging dabei auch gar nicht um Äußerlichkeiten. Eine rein politische Entscheidung so ein Kaff wie Bonn zu nehmen.

sarah3  09.03.2023, 22:35

Ne Präferenz von Adenauer

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reicht doch wenn Hannover seit 1946 Hauptstadt von Niedersachsen ist

Catfish123 
Fragesteller
 08.10.2022, 16:33

Aber die Gründe die ich aufgelistet habe

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Bomberos911  08.10.2022, 17:45
@Catfish123

...haben offensichtlich damals niemanden interessiert. Hannover stand offensichtlich nie zur Debatte.

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