Meinung des Tages: Welchen Stellenwert besitzt die deutsche Wiedervereinigung für Euch?

50 Antworten

Ich finde, nach so vielen Jahren gibt es kaum noch Unterschiede von Ossis und Wessis. Es gibt sowohl im Osten als auch im Westen nette und unsympathische Menschen, ernste und lustige, ruhige und temperamentvolle.

Unterschiede, das sind nur ein paar Kleinigkeiten, die Uhrzeiten, die in Ost- und West-Deutschland anders bezeichnet werden, Ossis sagen Broiler und Apfelsinen, Wessis Brathähnchen und Orangen.

Ich bin Ossi, für mich ist dieser Tag auch heute noch etwas Besonderes. Ich war 22, als die Mauer gefallen ist, habe das alles damals bewusst miterlebt : die Maueröffnung, meine ersten Reisen in den Westen und ins Ausland, die ersten Westprodukte in den DDR-Kaufhallen, die ersten westdeutschen Zeitungen, die man lesen und dann sogar bestellen konnte. Ich war auch bei einigen Wahlveranstaltungen 1990 dabei, mit Helmut Kohl, mit Oskar Lafontaine, mit Gregor Gysi.

Für mich gab es eigentlich nur positive Veränderungen. Ich kann jetzt lesen, was ich will, reisen, wohin ich will (und wenn das nur nach Lübeck oder nach Hamburg ist ), kann kaufen was ich will, muss nicht zigmal losrennen um irgendetwas zu bekommen oder Beziehungen haben. Ich habe eine toll eingerichtete Wohnung mit Sachen, die es entweder in der DDR gar nicht gab oder die ich mir von meinem Mini-Gehalt als Sachbearbeiter nicht leisten konnte. Ich bin Frührentner, bin sehr krank, bekomme nur eine kleine Rente. Trotzdem geht es mir viel besser als in der DDR.

Auch ich als Ossi verstehe nicht, warum so viele Ossi AfD wählen oder wählen wollen. Diese Partei wird zum Glück nie Einfluss haben und Macht ausüben können, dazu sind die meisten Wähler zu vernünftig. Wie man auf die Hetze und den Schwachsinn dieser Partei hereinfallen kann, ist mir unverständlich.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Habe in der DDR gelebt, weiss eine ganze Menge darüber.

Ich habe die DDR immer gehasst. Meine Großeltern litten darunter, dass sie in der DDR enteignet wurden. Sie träumten immer von einem geeinten Deutschland, hätten aber nie gedacht, dass sie das noch erleben.

Mein Landkreis lag direkt an der Grenze. Hier bekamen fast alle Familien Westpakete. In der Schule ging es nur darum, wer hat das Meiste und Tollste an Klamotten bekommen. Wer in der DDR kaufen musste, wurde widerlich gemobbt, das passierte zwei Mädchen in meiner Klasse. Überall herrschte Mangelwirtschaft. Man bekam im Westfernsehen und von der Westverwandtschaft mit, wie es drüben war. Das war unerreichbar, und da war ich immer traurig. Meine Eltern bekamen minderwertiges Baumaterial für Sanierungen. Die Freizeitmöglichkeiten waren sehr rar hier in der Provinz. Einzig meine Familie sorgte für schöne Stunden, weil wir das Beste da draus machten. Ich kam mir in der DDR vor wie ein Mensch 2. Klasse.

Und dann fiel die Mauer. Kurz vor meinem 18. Geburtstag! Endlich konnte ich Europa entdecken, das kaufen, was mir gefiel, und ich kam frei an die BRAVOs. Hier gründeten sich viele Vereine neu. Die Häuser wurden saniert. Und ich erlebte endlich eine richtige Jugend mit Großraumdiskotheken, Konzerten und DJ-Sets. Ich bin regelmäßig im Karneval unterwegs.

Mir hat die deutsche Einheit nur Gutes gebracht. Meine ganze Familie war zwar mehrfach arbeitslos, aber das haben wir überbrückt. Es gab Kurse und ABM, keiner ist verhungert.

Ich kenne keinen in meinem Umfeld, der die DDR zurück haben will. Sowas würde ich auch nicht verstehen.

Hier schießen die Baugebiete mit Eigenheimen wie Pilze aus der Erde, die Kinder tragen Markenklamotten und sind in Vereinen. Rentner machen mehrere Urlaube im Jahr, sind in Fitnessstudios und Vereinen.

Seit der Wende habe ich mich noch nicht eine Minute als Bürgerin zweiter Klasse gefühlt. Ich hatte auch wenig Probleme mit Wessis. Nur Aussagen wie, wir sollten keine Rente bekommen, weil wir nichts in die Westkasse einzahlten und man hätte uns das ganze Ostgeld entwerten sollen, konnte ich nicht verstehen. Die Kosten stiegen gleich nach der Währungsunion enorm an gegenüber DDR-Zeiten, wie sollten wir denn da existieren?

In meiner Familie gibt es weder AfD-Wähler noch Putin-Versteher.

Ich bin froh, dass wir nicht DDR geblieben sind. Wer weiß, was die AfD da heute anrichten würde!

Wir waren damals gar nicht in der Position, dem Westen Vorschriften zu machen, was sie von uns übernehmen sollen. Die DDR hatte abgewirtschaftet, nicht der Westen.

Hat für mich keinen Stellenwert. Ein Feiertag halt. Wenn man nicht wirklich die Zeit davor erlebt hat - verbindet man halt damit nix. Außer dass Leute nervig feiern um sich zu profilieren. (Die Politiker die da dann Festakte abhalten.)

Realprobleme sind wichtiger - so ganz "vereinheitet" sind wird scheinbar noch nicht, wenn die Extremen im Osten ständig stark vertreten sind, bei Wahlen. (Früher Linke, jetzt AfD bzw. teils beide.) Da muss man die strukturschwachen Regionen mal besser in den Griff kriegen wirtschaftlich.

Statt es einfach nicht ernst zu nehmen.

Einen hohen Stellenwert. Das Land wurde durch die Alliierten aufgeteilt, ganze Familien wurden auseinandergerissen, der "Todesstreifen" war nur grausam, was dort stattfand an Zwangsumsiedlungen. Reiseverbote, weil man zu nah an der Grenze lebte im "Osten".

Es war ein unbeschreibliches Gefühl, als ich über den Feuerwehrfunk meines Mannes hörte, dass Hilfe im Eckertal gefordert wurde, Flutlichtstrahler, weil der Zaun geöffnet wurde.

Ich war hochschwanger (Junior kam dann am 23.12.89) und wir sind nachts um 3.00h dorthin. Das Gefühl vergesse ich nie.

Leider glorifizieren gerade viele, die die DDR gar nicht mehr erlebt habe, das alte System und viele fühlen sich abgehängt.

Die Treuhand hat viel dazu beigetragen, dass die Wirtschaft in die Knie ging, dass es auch anders ging zeigen solche Beispiele wie Rotkäppchen- Sekt, wo sich ehemalige Mitarbeiter zusammentaten, den Betrieb kauften und eine Erfolgsgeschichte daraus machten. Leider sind der Treuhand viele zum Opfer gefallen, das war ein fataler Fehler.

Trotzdem sollte man nicht mehr in Schubladen denken, besser dafür sorgen, dass alle gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen, ob in Nord, Ost, Süd oder West unserer Republik, dann wäre schon viel getan.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Aylamanolo  03.10.2023, 13:19

dass die Wirtschaft in die Knie ging, 

Die Wirtschaft der DDR ging nicht in die Knie, sie war bereits am Boden. Pleite, Bankrott. Allerdings haben wir es im Westen nicht geschafft, das SOFORT zu ändern, den Ossis SOFORT den (angeblichen) Reichtum des Westens zu verschaffen, und das nehmen sie uns übel.

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Erzesel  03.10.2023, 17:42
@Aylamanolo
das nehmen sie uns übel.

Ich nicht...

Irgendwie kommt es mir so vor, als würdest auch nur das Klischee vom Jammerossie kennen.

Es gibt überall Leute, welche zurecht kommen und welche die ständig ihre Wunden lecken...

Allerdings haben wir es im Westen nicht geschafft, das SOFORT zu ändern

Ach ja, Ihr... Die Heilsbringer...

Meine fresse, ich habe die ersten Westdeutschen eher weniger positiv gesehen.

...Heuschrecken, die übers Land zogen und fraßen was noch übrig war.

...Es gab auch ein Paar, die ganz OK waren...

Irgendwie übersiehst Du bei Deiner Wessie-selbstbeweihräucherung, das die Ostdeutschen nicht für "Reichtum" gearbeitet haben, sondern einfach um das zu erhalten, was sie sich trotz aller Widrigkeiten bereits vor der Wende geschaffen hatten.

Der angebliche "Reichtum" des Westens der uns zuerst erreichte, waren Eure alten oft schrottreifen Autos...

Wie Gönnerhaft, das Ihr uns im Westen habt arbeiten lassen..., naja dass ging für viele westdeutsche ziemlich Übel aus, denn die Ossies waren flexibel und gut ausgebildet und hatten keine Gewerkschaften die uns den Ar*** puderten...

Wenn ich mir "mein" heutiges , recht hübsches Leipzig anschaue, denke ich: "Das haben wir uns verdient!"

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urmselchen  03.10.2023, 18:11
@Aylamanolo

den Ossis? Ich bin einer jener Ossis, ich kann nix übel nehmen, war politisch so gewollt das die Mauer weg fiel, und ganz klar: die blühenden Landschaften vom damaligen Kanzler der Einheit lassen nach wie vor auf sich warten. Diese dummen Verallgemeinerungen mal bitte lassen! WIR im Osten haben auch gearbeitet, aber anscheinend war diese Arbeit ja minderwertiger als die Arbeit der Wessis?!

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HesslerITCon  03.10.2023, 19:14
@Aylamanolo

die Betriebe waren total veraltet und die Produktionsmethoden total veraltet . die Betriebe waren bis auf ein paar Ausnahmen nicht wert. Man musst unter Herstellungskosten (!) verkaufen um überhaupt was in den westen zu exportieren damit man genug Devisen hatte.

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LeeElisabeth  03.10.2023, 20:10

Wenn die Wiedervereinigung nicht stattgefunden hätte, würde ich manche Freunde die ich jetzt habe nicht kennen. Außerdem würde ich die Liebe meines Lebens nie kennengelernt haben. Für mich bedeutet die Wiedervereinigung viel, da es jetzt so viele Verbindungen gibt, die so nie gekommen wären. Es sollte nicht nochmal eine nötig sein. An alle schönen Wiedervereinigungstag :)

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Die Wiedervereinigung war eine historische Chance. Einzig alleine Michail Gorbashow und George Bush sen. haben diesen politischen Wunsch der Deutschen verstanden. Margret Thatcher und Francois Mitterand eher weniger, denn sie hatten schlichtweg die Befürchtung, dass ein wiedervereinigtes Deutschland ihre Nationen wirtschaftlich dominieren würden. Alle Beteiligten hatten aber nicht da noch nicht erkannt, in was für einen maroden Zustand die DDR Wirtschaft war. Und da gibt es auch von Ostalgikern nichts kleinzureden.

Hier hat ein solcher behauptet, es hätte keine Planwirtschaft gegeben, denn auch Unternehmen im Westen müssten planen, sonst wären sie pleite. Es hat auch keinen Schießbefehl gegeben, sondern nur Schußwaffengebrauch zur Verhinderung einer Straftat, nämlich die illegale Ausreise.

Klar siegestrunken mit DM Scheinen in der Hand waren die Ostdeutschen glücklich mal nach Malle und Paris zu fliegen, statt an den Balaton oder Moskau. Haken an der Geschichte: Reisen kosten Geld und wenn man es nicht hat, dann nützt die größte Reisefreiheit nichts.

Und auch richtig. Es wurden viele Bücher geschrieben, um ein kapitalistisches Wirtschaftssystem in ein sozialistisches oder kommunistisches Staatswesen zu transformieren. Umgekehrt de facto kein einziges.

Soweit meine Gedanken dazu.

Woher ich das weiß:Hobby – Sehe sehr gerne Geschichtsdokus