Schulische Exkursionen in KZ?
Sollten Schüler (weiterhin) ein KZ besuchen als verpflichtende Exkursion?
48 Stimmen
14 Antworten
Ja. Und wenn das mit diesem rechten Ungeist so weiter geht, sollten sie eine Woche dort bleiben und erfahren, wie sich das so als Häftling damals angefühlt hat. Und sei es, dass sie mal 10 Stunden bei 30 Grad auf einem schwarzen Schotterplatz Appell stehen müssen. Denn wer diesen Zeiten auch nur im Ansatz huldigt, ist jeder menschlichen Empathie verlustig gegangen.
Wir waren selbst als Jahrgangsstufe in Dachau. Und ja, es ist dringend notwendig.
Der abstrakte und eher langweilige Geschichtsunterricht ist praktisch und zum Anfassen - viele, die den Unterricht eher desinteressiert folgen, haben an diesem einen Tag mehr gelernt als in den ganzen Geschichtsstunden über die deutsche Vergangenheit. Zudem lässt sich auch viel besser nachvollziehen, wie schlimm es eigentlich war, wenn man eine echte Uniform eines Häftlings vor sich sieht, als nur mit dem Schulbuch zu arbeiten.
Halte ich für sehr wichtig!
Gerade für eher unsensible Menschen und Personen, die den Geschichtsunterricht desinteressiert verfolgen, ist es besonders wichtig die Grausamkeit eines KZ hautnah vor Ort zu erleben.
Ich persönlich habe bislang noch nie ein KZ besucht. Da ich aber ein sensibler Mensch bin, reichten Texte und Bildmaterial bei mir völlig aus, um mich davon zu überzeugen, dass Rechtsextremismus menschenverachtend ist und die Nazis grausam waren.
Nein, das war so, auch wenns keiner hören mag, weil, dann müsste man ja eventuell seine eigene Einstellung hinterfragen. Das haben die Nationalsozialisten auch selber gesagt. Die wollten ja auch den Arbeiterstaat usw.... und wie gesagt es steckt ja schon Im Namen drin, viel deutlicher geht es ja nicht mehr.
Die Grausamkeit kann und soll niemand hautnah erleben. Das ist im übrigen auch nicht der Zweck einer Gedenkstätte. Zwar ist ein solcher Besuch durchaus emotionaler, als ein theoretischer Unterricht, doch nur für diejenigen, die sich auf die Thematik überhaupt emotional einlassen wollen. Darüber hinaus mag es durchaus junge Menschen geben, die emotional überfordert wären, was auch nicht Sinn der Sache sein kann.
Die Grausamkeit kann und soll niemand hautnah erleben. Das ist im übrigen auch nicht der Zweck einer Gedenkstätte.
Doch, genau darum geht es.
Es geht um Empathie mit den Opfern und um das Erschrecken darüber, wie grausam Menschen sein können. Ein sensibler Mensch spürt so etwas psychosomatisch und genau deswegen werden diese KZ-Besuche veranstaltet. Es geht um das (Nach-)Fühlen und (Nach-)Erleben des Grauens zur Nazizeit.
Das soll sich in die Herzen, Köpfe und Seelen der Besucher einbrennen, um die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, dass wir in Deutschland etwas Ähnliches nochmal erleben.
Nein, darum geht es nicht und es ist auch gar nicht möglich (glücklicherweise), oder ist es dir ein Anliegen Jugendliche zu traumatisieren?
Ein Museum ist wie eine Gedenkstätte Ort der Wissensvermittlung, der Forschung und der Erinnerungskultur. Sie dient nicht dazu, junge Menschen emotional möglichst brutal anzugehen oder zu zeigen, wie "grausam Menschen sein können". Sie zeigen und bewahren einen Teil der Lagerwirklichlichkeit und gedenken den Opfern. Ein realistisches Schreckensszenario wird aus verschiedensten Gründen nicht angeboten.
Ein "sensibler Mensch" wie du schreibst, kann so etwas nicht "psychosomatisch" spüren und soll es auch nicht. Es geht um ein tieferes Verständnis für Geschichte allgemein und den Nationalsozialismus und seiner Verbrechen insbesondere. Das ist kein Gruselkabinett mit pädagogischer Haltung!
"Einbrennen" soll sich nichts, es soll verständlich werden.
Du möchtest also nicht, dass sich soetwas wiederholt? Geschichte wiederholt sich nicht, allenfalls können ähnliche Entwicklungen passieren - Völkermord, das zeigen uns die Beispiele von Kambodscha und Ruanda, brauchen keine Konzentrationslager, es reichen schon Macheten.
Ich kann deine Haltung verstehen und dein Wunsch, durch eine besonders intensive, emotionale Auswirkung irgendetwas verhindern zu wollen. Das ist aber die falsche Herangehensweise.
Wichtig ist einen verstehenden Zugang zur Geschichte zu finden. Schockwirkungen haben keine langfristigen Wirkungen und können sich gar gegen den von dir gewünschten Effekt auswirken.
Ein KZ bietet ohnehin nicht den Effekt, den du dir erhoffst. Da ich schon viele besucht habe, kann ich dir das versichern. Im Gegenteil ist gerade Auschwitz zwar bedrückend und eindrucksvoll - gleichzeitig aber auch, wie sag ich es, .... es muss halt alles recht schnell gehen bei dem Besucherandrang. Andächtige Stille findet sich dort nicht so.
Ich hatte leider erst lange nach Ende meiner Schulzeit die Gelegenheit, ein KZ zu besuchen. Und es war das "harmloseste" Lager, das man besuchen kann - Theresienstadt. Aber selbst das hat bereits einen wesentlich tieferen Eindruck der unmenschlichen Brutalität hinterlassen als irgend ein Lehrbuch, Film, Vortrag oder sonst ein Medium es könnte.
Aktuell haben wir in Deutschland bekanntlich wieder ein Naziproblem. Die einschlägigen Statistiken machen deutlich, dass es in Ostdeutschland vor ideologischen Nazis nur so wimmelt, und die einschlägigen Analysen sind sich einig, dass hier ein Zusammenhang dazu besteht, dass es in der DDR unter der sowjetischen Besatzung keine echte Vergangenheitsbewältigung gab, geschweige denn Friedenserziehung.
Wenn man es den Leuten selbst überlässt, ist auch die schlimmste Vergangenheit spätestens nach zwei Generationen vergessen und sie sind wieder bereit, die gleichen Fehler zu widerholen. Sieht man aktuell ja auch in den USA.
dass es in der DDR unter der sowjetischen Besatzung keine echte Vergangenheitsbewältigung gab, geschweige denn Friedenserziehung.
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Dieser Bericht ist ungeheuerlich, wer so etwas für bare Münze nimmt, der unterliegt nicht nur den Versuch die DDR mit diesem Thema zu brüskieren, der legt eine glatte Geschichtsklitterung hin, die so nicht hingenommen werden kann.
Das ist mal schlicht und ergreifend ein Fakt.
https://www.deutschlandfunk.de/die-ddr-und-ihre-neonazis-real-existierender-100.html
https://taz.de/Rechtsextremismus-in-Ostdeutschland/!5730766/
Ein Gastbeitrag von Christian Kuchler
Am Anfang steht oft Angst. Fahrten zu KZ-Gedenkstätten sind für Jugendliche eine Herausforderung, für Lehrkräfte ebenso – und oft lösen sie eine Gefühlslawine aus, wie Berichte aus vier Jahrzehnten zeigen.
Schulische Besuche von KZ-Gedenkstätten sind bildungspolitisch und gesellschaftlich längst anerkannt. Durch die Corona-Pandemie kam es jetzt zu einer längeren Zwangspause; kurz zuvor schlossen sich bei einer repräsentativen Umfrage für die Deutsche Welle sogar drei Viertel der Befragten der Forderung nach Pflichtbesuchen für alle Lernenden deutscher Schulen an.
Zur Person
Christian Kuchler, Jahrgang 1974, ist Professor für Didaktik der Gesellschaftswissenschaften an der RWTH Aachen. Zuvor war er Gymnasiallehrer sowie Geschichtsdidaktiker an den Universitäten München und Regensburg. Er forscht zu den Qualitätskriterien wirksamen Geschichtsunterrichts, zum Umgang mit historischen Orten und zur Erinnerung an den Nationalsozialismus.
Oft werden geradezu Wunderdinge erwartet: Exkursionen zu den einstigen Vernichtungslagern sollen Jugendlichen zu einer stabilen demokratischen Grundhaltung verhelfen, sie gegen Antisemitismus und Rassismus immunisieren. Obwohl solche Fahrten zum bundesdeutschen Schulalltag gehören, sind sie kaum erforscht. Daher ist nicht leicht zu benennen, was junge Menschen von Besuchen in Bergen-Belsen, Neuengamme, Dachau oder Buchenwald tatsächlich mitnehmen.
Was also halten Schülerinnen und Schüler selbst von solchen Fahrten? Wie erleben sie die Begegnung mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte?
Nur selten wird der Ertrag inländischer, zumeist eintägiger Exkursionen dokumentiert. Anders ist das bei Reisen ins Ausland. Die Stiftung »Erinnern ermöglichen« fördert seit 2010 mehrtägige schulische Fahrten ins südpolnische Oświęcim zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Seitdem gehört der Ort des größten NS-Verbrechens zu den meistbesuchten internationalen Zielen von Schulen in Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Mecklenburg-Vorpommern. Dabei entstand ein Archiv aus Reisedokumentationen. Die handschriftlichen, spontanen und recht ungefilterten Eindrücke vom Aufenthalt am früheren Verbrechensort sind Grundlage der folgenden Ergebnisse.
»Ich wusste schon, dass es nicht leicht wird, aber dass es so schlimm wird, hab ich nicht gedacht.«
Gesamtschüler aus Werther, 2015
Vor Fahrtbeginn beeindruckt die Dimension des Begriffs »Auschwitz« viele Schülerinnen und Schüler. Schließlich gehe es bei der Gedenkstättenexkursion nicht um Spaß, wie dies »normalerweise bei Schulfahrten der Fall ist«, sondern um eine »komplett andere Erwartung«, so eine Stimme aus dem Jahr 2012.
Und es ist auch mehr als Respekt – eine Essener Schülerin bringt es so auf den Punkt: »Ich bin zwar sicher, dass ich auf dieser Fahrt dabei sein möchte, aber ich habe Angst. Angst vor dem, was mich erwartet! Ich kann mir vorstellen, dass es hart wird, aber ich weiß nicht, ob ich dies verarbeiten kann.«
Schulklasse in Auschwitz-Birkenau: Schon die Ausmaße des Lagers sind für Jugendliche beeindruckend Foto: epd / imago images
Die Ursache dafür scheint ein sehr unklares Bild des Besuchs in Oświęcim zu sein. Ganz offensichtlich befürchten viele Lernende, gewissermaßen in die Zeit des Konzentrationslagers zurückzureisen, in ein apokalyptisches Horrorszenario. Sie erwarten ein ausschließlich tristes und düsteres Areal, eine Umgebung wie aus dem Geschichtsbuch oder aus Filmen wie »Schindlers Liste« – kurz: einen Ort des Grauens.
Tatsächlich prägt zahlreiche Schülerberichte das Erstaunen über die Stille und die Ordnung in der Gedenkstätte. Zuvor abstraktes Wissen erfährt eine neue Dimension: Die Besucher sehen die ausgestellten letzten Hinterlassenschaften der Opfer – ihre Schuhe, Brillen und Koffer. Sie können die Baracken berühren, die Enge der Zellen spüren, die Weite des Geländes wahrnehmen.
Was in Auschwitz geschah
DER SPIEGEL
Diesen »einzigen Zeugen der Grausamkeit« und den enormen Ausmaßen vor allem des Lagers in Birkenau schreiben sie besondere Eindringlichkeit zu. Pointiert beschreibt das die Spontanäußerung eines Schülers: »Mein erster Eindruck, als wir angekommen sind: Ach du meine Güte, ist das groß!«
Im Vorfeld kaum wahrgenommen wird der Charakter einer Gedenkstätte, also ihre museale Überformung des historischen Ortes und die reflektierte Darstellung der dort verübten Verbrechen. An diesem Punkt sollte der vorbereitende Geschichtsunterricht noch stärker ansetzen. Moderne Techniken, besonders Virtual-Reality-Anwendungen, können dazu einen wesentlichen Beitrag leisten.
»Es ist anders, wenn man wirklich am Ort des Geschehens ist, oder ob man es im Geschichtsunterricht aus Büchern erfährt.«
Abiturientin einer Gesamtschule in Übach-Palenberg, 2013
Für die jungen Gäste bedeutet der Besuch vor allem eine emotionale Herausforderung. Übereinstimmend betonen sie, weniger über Fakten zur NS-Geschichte oder den detaillierten Ablauf des Lagerterrors gelernt zu haben. Stattdessen sei ihnen vor allem die Tatsächlichkeit des Geschehenen erfahrbar geworden: »Auschwitz hat mich überzeugt, dass alles wahr ist, was in den Geschichtsbüchern über die NS-Zeit steht.«
Emotionen sind ein zentraler Teil des historischen Lernens. Bei der Planung der mehrtägigen Aufenthalte sind die Lehrkräfte gefordert, bei Führungen auf dem Gelände die Museumspädagogik. Anstelle einer übergroßen Themen- und Terminfülle braucht es Ruhephasen zur Verarbeitung, vor allem Zeit für Gespräche innerhalb der Gruppe. Denn sie bieten Jugendlichen den Binnenraum, um ihre Beklommenheit zu verarbeiten. Dankbar erinnert sich ein Schüler: »Die Gruppendynamik hat jederzeit jede Gefühlslawine aufgefangen.«
Gerade in der Zeit für Austausch unterscheiden sich heutige Fahrten zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau fundamental von früheren Reisen westdeutscher Schulen ab 1980. Mit Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung waren etwa zehn Jahre lang Gruppen durch Polen gereist, um Kultur und Geschichte des östlichen Nachbarlandes zu erkunden. Jedoch sahen die meist zweiwöchigen Rundfahrten nur Aufenthalte von bis zu drei Stunden in der Gedenkstätte Auschwitz vor; zudem schlossen sich den Kurzbesuchen kaum Reflexionsmöglichkeiten an. Daher spielte die Zeit in Oświęcim in den Berichten der bundesdeutschen Jugendlichen über die Polenreisen nur eine untergeordnete Rolle.
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Kuchler, Christian
Lernort Auschwitz: Geschichte und Rezeption schulischer Gedenkstättenfahrten 1980-2019
Doch auch die heute üblichen längeren Reisen zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau bleiben mitunter an der Oberfläche. Vielfach identifizieren sich Schülerinnen und Schüler sehr mit den Opfern. Nach den Motiven der Täter fragen sie dagegen kaum oder dämonisieren diese, sprechen ihnen jeden Verstand und jede Menschlichkeit ab (»Das waren keine Menschen, sondern sadistische Bestien mit krankem Geist und noch krankhafterer Fantasie«).
So leicht sollte man es Jugendlichen des 21. Jahrhunderts nicht machen, sondern mit ihnen herausarbeiten, dass die industrielle Ermordung von Millionen Menschen keineswegs allein in der Verantwortung einer kleinen Führungselite lag.
Zudem sind die Wahrnehmungen an die NS-Zeit sehr vom nationalen Bezugsrahmen geprägt. Auschwitz ist für die Schülerinnen und Schüler aus Deutschland primär Teil der deutschen Geschichte; dass dort Menschen aus ganz Europa gequält und ermordet wurden, bleibt oft ausgeklammert. In den Texten wird die gesamte Reise etwa mit den Worten »2400 km durch die deutsche Geschichte« zusammengefasst. Dazu passt es, wenn das Gastland Polen in den Berichten der deutschen Jugendlichen kaum erwähnt wird.
»Tolle Fahrt, die mich als Mensch ein wenig wachsen ließ.«
Abiturientin aus Dortmund, 2019


Nur zur Info, nazi steht ja für Nationalsozialisten. Mit Betonung auf Sozialisten. Die wären nach heutigen Maßstäben eher links als rechts. Das ist ein sehr weit verbreiteter Irrtum, das man denkt die nazis wären ganz rechts gewesen wären.