Fortschreitende Digitalisierung kein Wohlstandsförderer und kein Freizeitgewinn?

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Technologie = Deflationär.

Staaten und Zentralbanken greifen diese Wachstum aber durch Geldmengenausweitung und Schulden im Fiatgeldsystem ab wo durch die Preise steigen und nicht sinken.

Aus der Sicht der Österreichischen Schule der Nationalökonomie – etwa von Denkern wie Ludwig von Mises, Friedrich Hayek oder Murray Rothbard – lässt sich die ernüchternde Bilanz der Digitalisierung für den „Otto-Normalbürger“ in Westdeutschland auf einige zentrale Prinzipien zurückführen: die Rolle des freien Marktes, die Wirkung von staatlichem Interventionismus und die Dynamik von Kapitalakkumulation. Hier eine Argumentation aus dieser Perspektive:

1. Staatlicher Interventionismus verzerrt den Markt

Die Österreichische Schule betont, dass ein wirklich freier Markt durch unternehmerische Entdeckungen und spontane Ordnung zu Wohlstand und Effizienz führt. Die Digitalisierung hätte demnach das Potenzial gehabt, Arbeitszeit zu reduzieren und Wohlstand massiv zu steigern – etwa durch Innovationen, die Kosten senken und neue Möglichkeiten schaffen. Doch in Deutschland, so könnte man argumentieren, hat der stark regulierte Arbeitsmarkt (z. B. Mindestlöhne, Kündigungsschutz, Sozialabgaben) in Kombination mit hohen Steuern und einer umfangreichen Bürokratie verhindert, dass diese Vorteile voll an die Bürger weitergegeben werden. Unternehmen behalten Gewinne oder investieren sie in weitere Automatisierung, statt Löhne zu erhöhen oder Arbeitszeiten zu kürzen, weil die staatlichen Rahmenbedingungen Flexibilität einschränken und Kosten erhöhen.

Beispiel: Die hohen Abgaben auf Arbeit (ca. 40 % des Bruttolohns gehen an Steuern und Sozialversicherung) bedeuten, dass ein Produktivitätszuwachs durch Digitalisierung nicht direkt beim Arbeitnehmer ankommt. Der Staat „schöpft“ einen Teil des Mehrwerts ab, was den individuellen Wohlstandszuwachs bremst.

2. Zentralisierte Geldpolitik und Inflation

Ein weiteres Kernthema der Österreichischen Schule ist die Kritik an zentralisierten Währungssystemen und Fiat-Geld. Seit den 1990er Jahren hat die expansive Geldpolitik (z. B. durch die EZB) die Geldmenge erhöht, was laut Hayek oder Mises zwangsläufig zu Inflation und Vermögenskonzentration führt. Die Digitalisierung hat zwar Produktivität gesteigert, aber die dadurch generierten Gewinne sind oft in Vermögenswerte wie Immobilien oder Aktien geflossen – Bereiche, die von der Geldschöpfung profitieren. Der normale Bürger, der hauptsächlich von seinem Arbeitseinkommen lebt, sieht davon wenig. Stattdessen steigen die Lebenshaltungskosten (z. B. Mieten), während sein inflationsbereinigter Lohn stagniert.

In einem echten freien Markt mit hartem Geld (z. B. Goldstandard) hätte die Digitalisierung laut dieser Sicht die Preise gesenkt und den Wohlstand breiter gestreut. Stattdessen hat die künstliche Geldmengenexpansion die Gewinne in die Hände weniger Akteure (Tech-Konzerne, Investoren) gespült.

3. Fehlender Wettbewerb durch Monopole und Regulierung

Die Österreichische Schule sieht im ungehinderten Wettbewerb den Motor für Fortschritt. Doch die Digitalisierung hat paradoxerweise Monopole gefördert – sei es durch Netzwerkeffekte (Google, Amazon) oder durch staatliche Eingriffe (Subventionen, Patente). In Deutschland könnte man argumentieren, dass der Mittelstand, traditionell ein Rückgrat der Wirtschaft, durch Regulierungswut und die Dominanz globaler Tech-Giganten unter Druck geraten ist. Die Produktivitätsgewinne der Digitalisierung landen so nicht bei lokalen Unternehmern oder Arbeitnehmern, sondern bei internationalen Konzernen, die wenig Anreiz haben, diese Gewinne in Form von mehr Freizeit oder höheren Löhnen weiterzugeben.

4. Subjektive Wertlehre und Erwartungen

Ein zentraler Gedanke der Österreichischen Schule ist die subjektive Wertlehre: Wohlstand hängt nicht nur von materiellen Gütern ab, sondern davon, wie Individuen ihren Nutzen bewerten. Die Digitalisierung hat zwar neue Güter und Dienstleistungen geschaffen (Smartphones, Streaming), aber die Erwartungen der Menschen sind gestiegen, während Grundbedürfnisse wie Wohnen oder Sicherheit schwerer zu erfüllen sind. Aus dieser Sicht hat der Staat durch seine Eingriffe (z. B. Wohnungsbaupolitik, Steuerlast) verhindert, dass die Bürger die Früchte der Digitalisierung subjektiv als „mehr Wohlstand“ oder „mehr Freizeit“ erleben. Stattdessen fühlt sich das Leben hektischer an, weil die Technik zwar Zeit spart, diese aber durch neue Anforderungen (z. B. ständige Erreichbarkeit) sofort wieder auffrisst.

5. Vergleich 1995 vs. 2025

Ein Österreicher würde sagen: 1995 war der Markt weniger verzerrt, die Digitalisierung stand erst am Anfang, und die Wohlstandsverteilung war weniger durch globale Monopole und staatliche Eingriffe geprägt. Ein Mercedes W210 war ein Produkt individuellen unternehmerischen Erfolgs, während ein Tesla Y 2025 eher die Macht zentralisierter Tech-Strukturen und subventionierter „grüner“ Politik symbolisiert. Das subjektive Glück war 1995 vielleicht nicht geringer, weil die Welt simpler und weniger von externen Kräften (Staat, Tech-Giganten) dominiert war.

Fazit aus dieser Perspektive

Die Digitalisierung ist kein leeres Versprechen – sie hat enormes Potenzial. Doch der Interventionismus des Staates, die zentralisierte Geldpolitik und die Unterdrückung echten Wettbewerbs haben dafür gesorgt, dass die Gewinne nicht bei den Menschen ankommen, sondern in den Taschen von Eliten, Konzernen und Bürokratien landen. Ohne diese Verzerrungen, so die Österreichische Schule, hätte die Digitalisierung längst zu mehr Wohlstand und Freizeit geführt – nicht nur für wenige, sondern für alle. Die Technik ist nicht das Problem, sondern wie sie in einem unfreien System eingesetzt wird.

Cantellion Effekt

Der Cantillon-Effekt im Fiat-System beschreibt, wie die Erhöhung der Geldmenge durch Zentralbanken (z. B. via Quantitative Easing) ungleichmäßig wirkt: Diejenigen, die zuerst Zugang zum neuen Geld haben (Banken, Großinvestoren, Konzerne), profitieren durch Investitionen in Vermögenswerte (Aktien, Immobilien), deren Preise steigen. Später, wenn das Geld die breite Bevölkerung erreicht, führt es nur zu Inflation bei Konsumgütern, ohne den Wohlstand der Normalbürger signifikant zu erhöhen. Reichtum konzentriert sich also bei den „Frühprofiteuren“.


merz484 
Beitragsersteller
 09.04.2025, 12:18

Vielen Dank für das fundierte und zutreffende ausführliche Statement!

Sind die jetzt schon etwa 60 Jahre alten Lobpreisungen auf die Vorzüge der Digitalisierung (damals Lochkarten in Großunternehmen) für ein herrliches Leben in der gelebten Praxis nichts als leere Versprechungen? Zumindest der letzten beiden Jahrzehnte?

Das klingt jetzt etwas komisch, aber "study Bitcoin", dann wirst du verstehen warum die Digitalisierung gefühlt keinen Fortschritt gebracht hat.

Ganz grob: die Digitalisierung hat wahnsinnig viel Produktivität frei gesetzt und unseren Wohlstand massiv gesteigert. Gleichzeitig hat der Staat durch sein Fiatgeldsystem allerdings Bürokratie und Verschwendung hochgefahren, so dass diese Profitabilitätsgewinne nicht an die Menschen in Form von mehr Freizeit gehen, sondern wir dafür jetzt ein Monster von Bürokratieapparat bezahlen.

Ich weiss jetzt nicht wie es mit Wohlstand aussieht - jemand der Anfang der Digitalisierung jung und arm war, ist jetzt an einem Punkt seiner Karriere wo er besser verdient.

Was mit aber auffaellt ist dass wir trotz der ganzen zeitsparenden Dinge weniger Zeit als je zuvor haben.

Die Digitalisierung wird sich da durchsetzen, wo sie zur Steigerung der Produktivität beiträgt. Ohne steigende Produktivität werden wir unseren Wohlstand nicht halten können, der ja eh schon durch externe und interne Faktoren bedroht ist.

Arbeitszeitverkürzung und mehr Freizeit passen da nicht ins Bild. Es werden mit Sicherheit Reformen notwendig sein.

Die Menschen lieben doch überwiegend ihre digitale Versklavung und feiern diesen Fortschritt, ganz gleich ob ihnen das mehr Zeit raubt als bringt, sie unterm Strich vereinsamt, transparent, überwachbar und steuerbar macht.

Wenn man das dann als Wohlstand bezeichnen will - meinetwegen...

Und: ja, ich persönlich bin mit Autos aus dem letzten Jahrtausend um einiges glücklicher!


merz484 
Beitragsersteller
 09.04.2025, 11:02

Viel Zustimmung! Alles muss man heute selber machen, man denke nur an Bankgeschäfte, und trotzdem gehen die Gebühren für angeblich steigende Kosten durch die Decke.

GabbianoNero  09.04.2025, 11:40
@merz484

ja - und in Sachen "Bankgeschäfte" ist im Netz die Chance, gehackt zu werden oder auf eine fake-Seite zu gelangen und massiven Schaden zu erleiden, riesengroß...

Bank-Kosten - nun ja, so ein schickes Portal mit Glas-Kuppel und Marmorboden kostet eben Geld... da hat man wenigstens eine angenehme Atmosphäre, wenn man vom schick angezogenen Schalter-Mäuschen wieder weggeschickt wird, weil "dieser Dienst" nur noch online auf der Homepage angeboten wird...

Und kennst Du schon den Banker-Witz?

Kommt´n Kunde in die Bank und fragt nach Sparzinsen...!

(den können jüngere Leser schon gar nicht mehr kapieren...)