Darf ich in der neunten Klasse schon ableiten?
Wir schreiben demnächst (in Bayern) eine Matheschulaufgabe mit Extremwertaufgaben. Mit Parabeln, wo man dann auf den Scheitelpunkt kommen muss usw. Prinzipiell ist das mit der ersten Ableitung ja schnell gemacht und geht deutlich einfacher, als umständlich quadratische Ergänzung vorzuholen. Es steht aber in Bayern eben erst in der Oberstufe auf dem Lehrplan…
In den letzten Schulaufgaben hatte ich eher schlechte Erfahrungen damit gemacht, Stoff zu verwenden, der im Unterricht noch nicht besprochen wurde und wollte deswegen jetzt wissen, ob es denn prinzipiell ganz normal gewertet werden kann, schließlich unterstützt der Freistaat Bayern ja offiziell dieses selber lernen und think outside the box…
An die Lehrer*innen hier, wie sehen Sie das? Würden Sie es gelten lassen, wenn ich in der neunten Klasse Ableitungen für die Lösung verwenden würde?
3 Antworten
In der Aufgabe sollte stehen: "Bestimme den Scheitelpunkt mit Hilfe der quadratischen Ergänzung."
Wenn du beim 800m Lauf an der Stelle bleibst, kannst du ja auch nicht sagen: Ich bin ja am Ziel.
Ich würde den Hinweis auf quadratische Ergänzung in die Aufgabe reinschreiben, um dem Weg über Ableitung vorzubeugen. Wenn der Lehrer sich aber diesen Weg vorgestellt hat, dürfte es bei Nutzen der Ableitung zu Diskussionen führen, bei denen der Lehrer ja bekanntlich recht hat...
Das mögen die Lehrer gar nicht, wenn Du mehr weißt als sie zulassen. Du musst die Lösung ohne Ableiten kennen und hinschreiben.
Na super! Aber liegt das an den Lehrern oder daran, dass es tatsächlich einfach verboten ist?
Das liegt daran, dass die Schule als Fabrik organisiert ist. Der Produktionsprozess, mit dem dort junge Leute mit Abitur hergestellt werden, ist genau geplant und funktioniert wie eine Art Fließband. Jeder einzelne Fertigungsschritt und jeder einzelne Qualitätstest erfolgt an der Station des Fließbandes, die dafür eingerichtet ist und durch eine Lehrperson, die Zielvorgaben für den hier durchzuführenden Lehrvorgang befolgt. Auch das Produkt, der Schüler, muss sich dabei nach Plan verhalten. Eigene Aktivität wird zwar verlangt, aber sie soll dem Plan folgen. Weicht sie über die zugelassenen Fertigungstoleranzen hinaus vom Plan ab, dann weichen die Produkteigenschaften von dem ab, was die Testverfahren messen sollen und der industrielle Ablauf wird gestört. Aufgefangen und durchgewunken werden kann so ein zu eigenaktiver Schüler durch Lehrer, die selbst als freie Individuen bereit sind, freie Individuen zu unterstützen, indem sie im Rahmen ihres Spielraums vom geplanten maschinellen Produktions- und Prüfungsprozess abweichen. Doch das bereitet ihnen zusätzliche Mühe und kann sie selbst in Gefahr brigen, als Abweichler und Störfaktoren aufzufallen.
Kannst du denn erklären, was da genau passiert mit der Ableitung? Also erstens warum die Ableitungsregeln so sind wie sie sind und zweitens warum das Nullsetzen der Ableitung zu den Extrema führt?
Sicher:
Die erste Ableitung zeigt uns immer die Steigung an einem bestimmten Punkt. Nach den Ableitungsregeln kann man dabei Den Exponenten der Variable von der der Term abhängig ist mit dem Koeffizienten dieser Variable multiplizieren und den Exponenten anschließend um 1 verringern. (In diesem Fall. Ich weiß, dass es da bei Produkten usw. noch andere Regeln gibt, aber die sind für eine Quadratische Funktion, sagen wir in der Normalform erstmal irrelevant.) Die Ableitungsfunktion einer quadratischen Funktion ist also immer linear. Zum Beispiel:
A(x)= 4x^2+6x+9
A‘(x)= 8x+6
Konstanten, hier die 9, fallen beim Ableiten weg.
Die Nullstelle dieser linearen Ableitungsfunktion ist also die Stelle, wo der ursprüngliche Graph die Steigung 0 hat, was bei einer Parabel einer quadratischen Funktion nur am Scheitelpunkt der Fall ist.
Den x-Wert, den wir für die Nullstelle erhalten setzen wir nun in den ursprünglichen Funktionsterm A(x) ein und erhalten damit dann den y-Wert.
Du beschreibst nur die Regeln, das würde mir als Lehrer nicht reichen.
Wieso das? Um das von der Normalform in die Scheitelpunktform zu bringen würde ich halt einfach quadratisch ergänzen, ohne dafür einen Roman schreiben zu müssen. Warum kann man das bei der einen Methode so machen und bei der anderen nicht?
Warum soll das nicht reichen, in der Schulaufgabe geht's doch nicht darum, einen Aufsatz über die Theorie der Differentialrechnung zu schreiben. Muss man ja bei der quadratischen Ergänzung auch nicht.
Ich habe nicht gesagt, dass man das dort aufschreiben muss. Bei der quadratischen Ergänzung hat man gelernt, was da passiert, man hat das im Unterricht erklärt bekommen. Zumindest theoretisch versteht man das also. Du wendest aber einfach Regeln an, die du dir angeeignet hast, ohne überhaupt zu verstehen, warum das so ist. Warum erniedrigt sich der Grad des Polynoms um 1? Das kann man einfach behaupten, und ja - viele Schüler vergessen die Begründung auch schnell wieder. Das würde ich als Lehrer trotzdem nicht ok finden, du hattest ja überhaupt noch keine Gelegenheit, das wirklich zu verstehen, du wendest quasi einfach nur einen Trick an.
In so einem Fall (und so wurde das z. B. in der Schule bei meinem Nachwuchs auch tatsächlich gemacht) würde ich mir als Lehrer von dem/der Schüler/in erklären lassen, was da passiert. Wenn er/sie das erklären kann - wunderbar, dann kann das auch benutzt werden. Wenn es aber nur ein angelesener Trick ist - dann nicht.
Cooler Vergleich 😆 Also heißt das, ich darf die Ableitung auch nd verwenden, selbst wenn nicht in der Aufgabenstellung steht, dass man quadratische Ergänzung verwenden soll?