Warum Gen Z nicht bereit ist, auch nur eine Stunde länger zu arbeiten
Der Dachdecker, der Jahrzehnte auf dem Dach geschuftet hat, bis der Rücken nicht mehr mitmacht und sich jetzt mit Nebenjobs zu seiner Erwerbsminderungsrente was hinzuverdienen muss.
Die Mutter mit der zweijährigen Tochter, die nur 20 Stunden arbeiten kann, obwohl sie in ihrem Job aufgeht, weil sie keinen Kitaplatz bekommt. Die Gemeinde sagt: „Schön für Sie, dass es ein Recht auf einen Platz gibt, dann verklagen Sie uns doch.“
„Ich könnte zwar, will aber nicht“Louisa Wagner* ist Marketingmanagerin bei einem mittelständischen Maschinenzulieferer in Bayern. Sie ist 37 Jahre alt, hat keine Kinder und arbeitet trotzdem 80 Prozent, 32 Stunden in der Woche. Sie hat also einen Tag zusätzlich frei. Das sagt sie zu dieser Debatte:
Es gibt genügend Beispiele, die zeigen, dass es nicht allen, die arbeiten wollen, leicht gemacht wird. Stattdessen sollen diejenigen, die eigentlich nicht wollen, mehr arbeiten. Das ist irgendwie paradox.
Ich gehöre zur zweiten Gruppe: Ich könnte zwar, will aber nicht. Ich arbeite Teilzeit und bin nicht bereit, auch nur eine Stunde mehr zu arbeiten. Das hat gute Gründe:
1. Ehrenamt ist keine freie Zeit
Ich bin bei der freiwilligen Feuerwehr in einer durchschnittlichen Kleinstadt. Wenn ich mir eine Nacht mit einer Vermisstensuche um die Ohren hauen würde, müsste ich trotzdem am nächsten Tag meine Lohnarbeit verrichten. Wenn ich meinen Arbeitsplatz fluchtartig für einen Garagenbrand verlasse, arbeite ich die versäumten Stunden wieder rein. Denn was viele nicht wissen: Viele wichtige Aufgaben in unserer Gemeinschaft werden von Ehrenamtlichen übernommen. Sei es der Landrettungsdienst, die Bergwacht, die Seenotrettung, das Technische Hilfswerk oder eben die Freiwillige Feuerwehr, die in den meisten Gemeinden existiert. Diese „Jobs“ sind in vielen Regionen Deutschlands Freiwilligendienste. Die Retter bekommen kein oder kaum Geld und müssen trotzdem ihrem Broterwerb nachgehen. Auch die Tafeln und Vereine sind auf freiwilliges Engagement angewiesen. Wir können nicht die 42-Stunden-Woche fordern und uns gleichzeitig darüber aufregen, dass es zu wenige Trainer beim Jugendfußball gibt oder die Rettungscrew ein bisschen verärgert schaut, weil sie mal wieder um 4 Uhr nachts einen rausgerutschten Katheter ins Krankenhaus bringen soll.“
2. Die Rente ist mir zu unsicher
Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. „Wenn ich in Rente bin, mache ich eine Kreuzfahrt, meinen Segelschein, eine Weltreise.“ Solche Sprüche fallen wohl auf jeder Familienfeier. Niemand weiß, ob er das Rentenalter überhaupt erreicht, ob er dann noch fit genug ist, um sich solche Wünsche zu erfüllen und ob er genug Geld dafür hat. Ein Rentenniveau von 42 Prozent, Durchschnittsrenten um die 1000 Euro, zwar eine hohe Lebenserwartung, aber viele Volkskrankheiten. Niemand kann mir versprechen, dass ich von „später“ etwas habe, deshalb werde ich mich nicht darauf einlassen, mein „jetzt“ fadenscheinigen Versprechungen zu opfern. Mir ist bewusst, dass dies ein Privileg ist, das vielen anderen allein aus finanziellen Gründen verwehrt bleibt. Aber das darf kein Grund sein, mir mehr Arbeit aufzubürden.
3. Ich trage trotzdem zum Sozialstaat bei
Ich zahle gut für den Sozialstaat. Über 1000 Euro Steuern und Sozialversicherungsbeiträge verschwinden jeden Monat von meinem Gehaltszettel. Ich zahle Arbeitslosenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung, Krankenversicherung und Einkommenssteuer. Und natürlich Mehrwertsteuer auf jeden meiner Einkäufe. Und die Beiträge steigen ständig, mal ist es der Rentenbeitrag, dann der Pflegebeitrag, dann der Krankenkassenbeitrag. Gleichzeitig soll das Rentenniveau sinken, das Geld in der Pflege reicht trotzdem nicht aus und wenn ich einen Termin beim Facharzt brauche, warte ich auch mal ein Jahr. Es fühlt sich nicht so an, als hätte ich viel davon, den Staat mit meinem Geld zu unterstützen. So ist auch meine Motivation, mehr zu arbeiten, um mehr zu verdienen, um mehr Abgaben und Beiträge zu zahlen, eher gering. Nicht ganz so schlimm ist es bei meinem Arbeitgeber. Ich fühle mich gut behandelt und gut versorgt, deshalb springe ich auch gerne ein, wenn Not am Mann ist, bilde mich fort und versuche mich einzubringen. Allerdings nur zu 80 Prozent. Teilzeit zu arbeiten und dann im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit mehr Stunden zu leisten, lohnt sich für mich nicht. Ein Ausgleich muss sein. Zumal ich aus schmerzlicher Erfahrung weiß, dass es nicht einfach ist, langgediente Arbeitnehmer zu ersetzen, aber auch nicht unmöglich. Mich ins Burnout zu schuften, schadet also nur mir.
Was denkt ihr darüber?14 Antworten
Ich habe eine Zahl in einem Vertrag stehen. In Stunden. Und diese Zeit arbeite ich. Und keine Stunde mehr.
Und glaub mir, sobald meine laufenden Kosten das zulassen, wird diese Zahl kleiner. Ich arbeite nicht für einen ominösen Sozialstaat sondern für meinen Lebensunterhalt. Die Arbeit wird trotzdem gemacht werden. Da wird dann ne zweite teilzeitkraft eingestellt. Für den Sozialstaat übrigens besser als eine Person mit vielen Überstunden, weil das nicht reicht, eine arbeitslose Person zu finanzieren 😉
Stehen im Vertrag 40 Std und sie kommen damit aus ist es völlig in Ordnung auch nur das Minimum zu machen. Scheint halt eher Richtung "arbeiten um zu leben" zu gehen. Finde es ganz gut, wenn da mal etwas frischer Wind weht und der eine oder andere Arbeitgeber umdenken muss.
Ich finde diese Denkweise völlig in Ordnung. Das Leben besteht nicht aus Arbeit.
Und letztendlich arbeitet von den 8 Stunden kaum ein Mensch 8 Stunden durch. Wenn ich das bei uns sehe: Einige gehen jede Stunde einmal rauchen und sind dann mindestens 5 Minuten weg - neben ihrer regulären Pause. Dann zwischendurch wird noch gequatscht.
Wenn man das alles weglassen würde, dann würde man am Tag mit5 Stunden Arbeit auskommen.
Die Arbeitgeber hatten immer so hohe Erwartungen, dass man hierzulande, wenn man eine andere Sprache als Muttersprache hat, nicht noch ein Zertifikat vorlegen muss, so dass es vom Arbeitgeber als Sprachkenntnis anerkannt wird, ist alles.
Ich finde es gut, wenn jetzt die Arbeitgeber auch mal Druck bekommen, den sie vorher nicht hatten. Denn für eine Stellenbesetzung hatten sie 1000 Bewerber, die bereit waren, alles zu tun, um die STelle zu kriegen.
Wenn der Staat möchte, dass die Leute mehr Arbeiten, dann soll er einen größeren Anreiz dazu zu schaffen.
Naja, die Vollzeitarbeitenden kriegen ja nicht mal mehr eine richtige Leistung, sondern wird nur Leistung abgenommen. Dein Punkt ist richtig - das wäre der beste Anreiz.
Ich glaube die moderne Gesellschaft hat das Potenzial in vielen Bereichen Arbeitseinsparungen vorzunehmen.
Könnten wir durch wundersame technologie und kulturtechnik arbeitskräfte nach belieben für andere arbeit qualifizieren die (noch) nicht automatisiert werden kann oder sollte, bin ich mir sehr sicher, dass jeder Arbeitnehmer für den gleichen wirtschaftlichen Ertrag bzw. Nutzen nur 20 Stunden in der Woche arbeiten müsste.
Jemanden zu bilden und zu qualifizieren ist allerdings hier das bottleneck, weswegen automatisierung und die regulierung dessen zur sozialen Frage wird.
Ich persönlich möchte nicht so lange arbeiten weil ich einfach überzeugt bin, dass es nicht wirklich logisch notwendig ist um jedem menschen in deutschland einen guten lebensstandard zu garantieren. Und unsere Zeit ist begrenzt, ich bin gegen eine solche verschwendung von ressourcen.
er braucht nur aufhören, die Faulen querzufinanzieren, indem sie die gleichen Leistungen bekommen wie Vollzeit arbeitende!