Skandal bei den Grünen: Vorwürfe gegen Kandidaten offenbar frei erfunden. Sollte Stefan Gelbhaar seine Kandidatur zurückbekommen?
Berlin. Er könnte Opfer einer Intrige geworden sein. Eine Grüne fordert nun, dass Gelbhaar anstelle von Schneider als Direktkandidat antreten soll.
Jetzt ist genau das passiert, was die Grünen vermeiden wollten: Der Fall ihres Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar ist zum Skandal geworden. Allerdings ist alles anders als gedacht. Die Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen den 48-Jährigen sind offenbar frei erfunden. Sehr real ist dagegen das verheerende Krisenmanagement der Partei – auf allen Ebenen.
Noch bevor der Fall en détail aufgeklärt ist, kann man sagen: Schaden genommen haben alle Beteiligten. Vor allem für den verdächtigten Abgeordneten ist er kaum wieder gutzumachen. Er hat binnen eines Monats seinen Ruf und sein Mandat verloren. Aber auch der Rundfunk Berlin-Brandenburg, der in der Sache maßgeblich berichtet hatte und am Freitag wesentliche Teile seiner Berichterstattung zurückzog, muss sich unangenehme Fragen stellen lassen.
Der Sender musste einräumen, dass man offenbar einer falschen Eidesstattlichen Versicherung aufgesessen war. Man hatte mit der Informantin Anne K. nicht selbst gesprochen und später festgestellt, dass diese Person offenbar gar nicht existiert. Vermittelt worden sei der Kontakt durch eine grüne Bezirkspolitikerin, die man nun im Verdacht habe, selbst hinter der – offenkundigen – Falschaussage zu stecken. Man habe Strafanzeige gegen die Frau erstattet.
Am Samstag trat dann die Bezirkspolitikerin Shirin Kreße aus Mitte von ihrem Amt als Fraktionsvorsitzende in der Bezirksverordnetenversammlung und ihrem dortigen Mandat zurück und zugleich aus der Partei aus.
Ob Kreße die ist, gegen die der rbb Anzeige erstattet hat, ist nicht bekannt. Sie selbst hat sich nicht öffentlich geäußert. Am Tag zuvor hatten sich Landes- und Bundespartei in Stellungnahmen gemeldet, in denen sie ein Parteiausschlussverfahren ankündigten, falls sich die rbb-Vorwürfe erhärten sollten.
Dabei wird vermutlich auch die Rolle der Ombudsstelle einer Prüfung unterzogen werden. Sie versteht sich als „Anlaufstelle für Vorfälle sexualisierter Gewalt im grünen Kontext“. An sie können sich Personen wenden, die Derartiges erlebt oder aber solche Dinge beobachtet haben „oder den Verdacht hegen, dass es zu Vorfällen gekommen ist“. Man habe eine koordinierende Rolle zwischen den Beteiligten, heißt es auf der Website der Partei, und leite je nach Vorfall geeignete Verfahren ein.
Was das im konkreten Fall bedeutet, wird nicht mitgeteilt, sondern nur, dass dies ein „geschützter Raum“ sei, in dem auch Anonymität zugesichert wird. Das mag bei der Vermittlung zwischen den Beteiligten im minderschweren Einzelfall sinnvoll sein, eine schnelle Aufklärung gravierender Vorwürfe wird so aber unmöglich. Diese hatten Gelbhaar einen Tag vor der Listenaufstellung des Berliner Landesverbandes erreicht. Was ihm konkret zur Last gelegt wird, erfährt er an dem Tag nicht. Allerdings legt man ihm nahe, auf die Listenkandidatur am nächsten Tag zu verzichten, was er auch tut.
Erst nach Weihnachten war klar, was Gelbhaar konkret vorgeworfen wurde – als der rbb an ihn herantrat. Der Sender gab an, Kontakt zu Frauen zu haben, die ihre Anschuldigungen teilweise mit Eidesstattlichen Versicherungen untermauerten. Unklar, aber zu vermuten ist, dass es sich um dieselben Frauen handelt, die sich an die Ombudsstelle gewandt haben. Der rbb konfrontierte Gelbhaar mit konkreten Anschuldigungen, die der 48-Jährige sofort als „aktive Lügen“ zurückwies.
Das nützte ihm politisch jedoch nichts. Der Kreisvorstand seines Wahlkreises Pankow setzte erneut eine Abstimmung über die Kandidatur für das Direktmandat an, die dem Abgeordneten im November bereits mit mehr als 98 Prozent der Stimmen das Vertrauen ausgesprochen hatte. Gleichzeitig forderte ihn der Kreisvorstand auf, nicht mehr zu kandidieren. Von den Landesvorsitzenden der Grünen kam der gleiche Appell. Gelbhaar trat an und unterlag am 8. Januar der Landespolitikerin Julia Schneider, die nun als Direktkandidatin für Pankow in den Wahlkampf zieht.
Dabei soll es auch bleiben, teilt der Kreisverband am Wochenende mit und verwendet dafür eine verquere Argumentation: In einer schriftlichen Mitteilung heißt es, dass man sich „auf Grundlage einer veränderten politischen Situation“ dafür entschieden habe, mit Schneider in den Wahlkampf zu ziehen. Das sei natürlich keine Vorverurteilung, heißt es aus der Partei, aber man müsse eben überlegen, mit wem man erfolgreicher sei.
Zudem betont man die „doppelte Unschuldsvermutung“. Das heißt, man glaubt den Personen, die Vorfälle melden, und betont gleichzeitig die Unschuld der vermeintlichen Täter:innen, solange sie nicht verurteilt sind. Das ist ein bisschen wie in dem berühmten Experiment mit Schrödingers Katze, die gleichzeitig tot und lebendig ist.
Quellen:
https://www.fr.de/politik/der-fall-gelbhaar-wird-fuer-die-gruenen-zum-desaster-93523759.html
5 Antworten
Leider ist es immer so, dass ein "fader Geschmack" übrig bleibt, wenn man nur tief genug und lange genug in schmutziger Wäsche gräbt. Das Motiv der zwischenzeitlich ausgetretenen Kreße ist allerdings unklar.
Der Kreisvorstand seines Wahlkreises Pankow setzte erneut eine Abstimmung über die Kandidatur für das Direktmandat an, die dem Abgeordneten im November bereits mit mehr als 98 Prozent der Stimmen das Vertrauen ausgesprochen hatte.
Theoretisch könnte er gerichtlich prüfen lassen, ob diese Vorgehensweise einer zweiten Wahl nur aufgrund einer nachgewiesenen falschen Anschuldigung überhaupt rechtlich zulässig wäre. Aber der Zug dürfte abgefahren sein, da er ansonsten sicherlich innerparteilich völlig verspielt hätte.
Man weiß momentan ja nicht einmal ob Kreße dahintersteckt, auch wenn das sehr wahrscheinlich scheint. Ansonsten weiß ich überhaupt nichts über die Frau, lediglich aus einem anderen Artikel, dass sie Queerfeminismus-Beauftragte war.
Aber entweder da hatte jemand persönlich etwas gegen Gelbhaar, oder hat sich eigene Vorteile ausgerechnet, wenn stattdessen Julia Schneider in den Bundestag einzieht.
Eigentlich ja. Aber es ist eine innergrüne Angelegenheit, wahrscheinlich erhält er sie nicht zurück.
Es scheint, als wäre das Ganze eine Intrige.
Wegen mindestens in Teilen erfundener Vorwürfe wurde der Grünenabgeordnete Stefan Gelbhaar um seine Kandidatur für den Bundestag gebracht. Wenige Tage später wurde bekannt, dass eine Berliner Parteifreundin unter erfundener Identität entsprechende Vorwürfe lanciert hatte.
"Sexuelle Übergriffe" ist ein stark emotionalisierender Vorwurf, der gerade von Feministinnen und ihren Alliierten gerne aufgegriffen wird.
Die derzeitige Sprecherin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, ist als feministische Provokateurin und Männerhasserin bekannt. Sie hat eine Unschuldsvermutung zurückgewiesen: »Was es aber bedeutet, in einer feministischen Partei zu sein, ist, dass Betroffenen geglaubt wird.«
Sie hat den Vorgang gerechtfertigt, indem sie unterstellt hat, daß »Stefan Gelbhaar ist nicht der einzige Mann, der in dieser Partei – oder in jeder anderen Partei – Fehler begangen hat. Wie groß diese sind, […] weiß ich nicht.«

Vielleicht sollte man die Mitglieder des entsprechenden Bezirks darüber abstimmen lassen.
Die derzeitige Sprecherin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, hat sich auch schon geäußert. Sie ist der Meinung, daß man Frauen glauben soll, ein Generalverdacht gegen Männer angebracht ist und hat die Intrige gerechtfertigt.
Weiß nicht. Die Intrige kommt ja von Mitgliedern im Bezirk Pankow.
Du schreibst "offenbar frei erfunden" und dann "könnte Opfer einer Intrige geworden sein". Ein "könnte" bedeutet: Vielleicht ist doch etwas dran. Solche Anschuldigungen geschehen nicht, indem man sich auf dem Klo einigt, gegen ein bestimmtes Opfer zu mobben.
Es ist aber klar, dass junge, allwissende, sich wie Sophie Scholl fühlende Abgeordnete sich dermaßen hysterisch in die Verteidigung feministischer Rechte hineinsteigern, dass sie sämtliche Vorsichtsmaßnahmen ignorieren. Die Besserwisserei Nichtswissender bekommt man hier jeden Tag zu spüren, wenn man nicht auf ihrem ideologischen Kurs liegt oder womöglich dem Feindbild nahekommt.
Solche Figuren haben in der Politik nichts zu suchen, sonst bekommen wir womöglich noch einmal "feministische Außenpolitik", bei der wir nichts gewinnen.
Auf der anderen Seite wäre es aber fahrlässig, ohne gründliche Untersuchung des Vorfalls einen Reset einzuleiten.
Der Grünenpolitiker Stefan Gelbhaar verlor wegen zumindest teilweise erfundener Belästigungsvorwürfe seine Kandidatur für den Bundestag. Die Chefin der Grünen Jugend sagt: Die Unschuldsvermutung gelte nur vor Gericht, aber nicht in einer Partei.
Einer der Vorwürfe ist definitiv gefälscht, daher ja auch die Strafanzeige durch den rbb. Zu den anderen ist nichts bekannt. Daher ist "könnte" gerechtfertigt. Allerdings gehe ich persönlich auch davon aus, dass an allen Vorwürfen nichts dran ist.
Ein Grund warum diese Partei für mich unwählbar ist.
Wenn das das zukünftige gesellschaftliche Klima sein sollte, gute Nacht.