Ich bin oft durch alte Gemäuer geschlendert, wo das „Ave Maria“ in steinerne Fenster geschnitzt war, und ich habe Kerzen brennen sehen für eine Frau, die nicht nur Mutter, sondern Geheimnis ist. Maria, die Mutter Jesu – wer ist sie wirklich? Nur eine Glaubensheldin unter vielen, oder mehr als das? Manches klingt so überhöht, dass man sich fragt: Kann das noch ein Mensch gewesen sein, oder hat die Frömmigkeit sie irgendwann über die Schwelle des Irdischen getragen?
Es gibt Menschen, die sagen: Maria war ihr Leben lang ohne Sünde. Nicht, weil sie sich besonders angestrengt hätte, sondern weil Gott sie von Anfang an mit einer besonderen Gnade umhüllt hat – als hätte er ihren Weg gepflastert mit Licht, damit der Retter nicht durch Schlamm gehen muss. Aber ist das nicht zu viel? Hebt man sie damit nicht auf eine Stufe, auf die nur Christus gehört? Oder liegt darin gerade die Tiefe der Erlösung – dass einer von uns, eine Frau aus Fleisch und Blut, so tief in Gottes Gnade stand, dass sie durch nichts von ihm getrennt war?
Ich frage mich oft: Wenn es möglich war, dass einer ganz sündlos blieb, weil Gott ihn bewahrte – ist das dann ein Zeichen von Distanz oder von Nähe? Und wenn Maria in allem Mensch war, aber ohne Sünde, was bedeutet das für uns? Sind wir dann weiter von ihr entfernt – oder genau deshalb ihr näher?
Vielleicht liegt in dieser Frage mehr als nur ein theologischer Disput. Vielleicht ist sie ein Spiegel für unser eigenes Verhältnis zur Gnade: Wollen wir uns erlöst fühlen – oder lieber selbst stark genug sein? Und was sagt es über Gott, wenn er aus Liebe nicht nur einen Sohn sendet, sondern auch die Mutter dafür heiligt?
Und jetzt sag du’s mir: War Maria wirklich ganz ohne Sünde – oder ist das zu viel des Heiligen?