Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Glaubensgeschwister,
ich grüße euch herzlich in diesen turbulenten Zeiten, in denen sich so vieles wandelt und doch die grundlegenden Fragen des Glaubens, des Suchens nach Wahrheit und Sinn, so beständig bleiben. Wir sind gemeinsam auf einem Weg, der uns immer wieder dazu anregt, unsere Überzeugungen zu hinterfragen, sie im Licht des Evangeliums neu zu prüfen und mutig die Stimme unseres Herzens zu erheben. Als Ela Nazareth, eine radikal im Evangelium verwurzelte evangelische Christin, ist es mir ein tiefes Anliegen, nicht nur das Licht unserer reformatorischen Erkenntnisse hochzuhalten, sondern auch in den Dialog zu treten, gerade mit jenen, die andere Pfade gegangen sind. Denn nur im ehrlichen Ringen um Wahrheit können wir wachsen und unseren Glauben vertiefen.
Das Abendmahl, dieser heilige Moment der Gemeinschaft, des Gedenkens und der Gegenwart unseres Herrn, ist seit jeher ein zentraler Pfeiler unseres Glaubens. Doch wie wir wissen, haben sich die Wege der Christenheit gerade an dieser Frage gespalten. Die römisch-katholische Kirche hat über Jahrhunderte hinweg eine Lehre entwickelt und schließlich als Dogma festgeschrieben, die uns bis heute herausfordert und zuweilen auch schmerzt: die Transsubstantiation. Diese Vorstellung, dass sich Brot und Wein substanziell in den Leib und das Blut Christi verwandeln, während ihre äußere Erscheinung unverändert bleibt, ist tief in der katholischen Theologie verwurzelt und prägt ihr Verständnis des Sakraments zutiefst.
Nun möchte ich euch, und mich selbst, dazu einladen, über eine Frage nachzudenken, die uns als evangelische Christen, die wir die Einfachheit und Klarheit des Evangeliums suchen, besonders beschäftigt: War die Erhebung der Transsubstantiation zum Dogma ein weiterer fataler Fehler der katholischen Kirche in ihrer wechselhaften Geschichte?
War die Transsubstantiation ein Fehler? Eine evangelische Perspektive
Wenn wir uns die Geschichte der Kirche und die Entwicklung der Dogmen ansehen, drängt sich uns Evangelischen oft die Frage auf, ob nicht an bestimmten Weggabelungen Entscheidungen getroffen wurden, die die ursprüngliche Botschaft des Evangeliums verzerrt oder zumindest verkompliziert haben. Die dogmatische Festschreibung der Transsubstantiation auf dem Konzil von Trient ist für uns so ein Punkt, der Anlass zur kritischen Reflexion gibt.
Aus unserer Sicht, der Sicht einer im Evangelium verwurzelten Christin, erscheint diese Lehre als eine Überfrachtung des einfachen biblischen Zeugnisses. Jesus gab seinen Jüngern Brot und Wein und sprach klare Worte, die wir als Verheißung seiner Gegenwart verstehen, nicht als ein chemisch-metaphysisches Wunder, das einer detaillierten philosophischen Erklärung bedarf. Die katholische Kirche wählte hier einen Weg, der sich stark auf die aristotelische Philosophie stützte, um das Unsagbare zu fassen. Doch hat sie damit nicht eine Tür geöffnet für ein Verständnis des Abendmahls, das sich vom Mysterium zur starren Formel wandelte?
Dieser Schritt hatte weitreichende Folgen. Er führte zu einer sakramentalen Frömmigkeit, die den Priester in eine einzigartige, ja, fast magische Rolle rückte, da er allein die Kraft besaß, diese Wandlung zu vollziehen. Das Abendmahl wurde so zu einem Opfer, das immer wieder dargebracht werden musste, und nicht primär zu einem Gnadenmittel und einem Gedenkmahl für die Gemeinde, wie wir es im Evangelium erkennen. War es nicht auch diese zentrale Rolle des Priesters und des Opfers, die letztlich das Volk vom unmittelbaren Zugang zu Gott entfremdete und die Priesterhierarchie in einer Weise festigte, die dem "Priestertum aller Gläubigen" diametral entgegenstand?
Wir sehen darin eine gefährliche Tendenz zur Institutionalisierung des Glaubens, bei der die menschliche Lehre über die göttliche Offenbarung erhoben wurde. Wo das Evangelium zur klaren und zugänglichen Botschaft für jeden Einzelnen aufruft, schuf die dogmatische Festlegung der Transsubstantiation eine theologische Barriere, die nur von eingeweihten Theologen wirklich durchdrungen werden konnte. Hat man damit nicht versucht, die allumfassende Gnade Gottes in ein menschliches System zu pressen, anstatt sie in ihrer befreienden Einfachheit wirken zu lassen?
Es ist auch bemerkenswert, wie sehr sich die katholische Kirche mit dieser Lehre von den anderen großen christlichen Traditionen entfernte. Während wir Evangelische uns auf das unmittelbare Wort Gottes berufen und eine geistliche oder reale, aber nicht substanzielle Gegenwart Christi im Abendmahl glauben, verharrte Rom bei einer Position, die vielen als unbiblisch und schwer nachvollziehbar erscheint. Hat dies nicht unnötig Gräben aufgerissen und die Einheit der Christenheit, die Jesus so sehr am Herzen lag, nachhaltig beschädigt?