Wurde ich mit der 1914-Lehre der Zeugen Jehovas jahrelang getäuscht?

4 Antworten

Kurz gesagt würde das Jahr nicht stimmen stimmt auch die Legitimation ihrer Führung nicht und das Kartenhaus würde zusammen brechen, darum muss immer wieder etwas kreatives, neues erfunden werden damit diese Zahl bestehen bleiben kann..

Lange Fassung:

Daniels Prophezeiung der „Sieben Zeiten“ ist die essentielle Grundlage, auf der das gesamte Lehrgebäude der Zeugen Jehovas ruht. Aus ihr leitet die Organisation ab, dass Jesus Christus 1914 zu regieren begann und dass er 1919 die „Leitende Körperschaft“ der Zeugen Jehovas als seinen exklusiven Kanal zur Menschheit auswählte. Diese Ereigniskette ist für die Glaubensstruktur so bedeutend, dass jede Infragestellung des Ausgangsjahres 1914 die Legitimität der gesamten Organisation erschüttert.

Nach Auffassung der Wachtturm-Gesellschaft wurde Jesus also 1914 im Himmel zum König gekrönt. In der Folge soll es zu einem Krieg im Himmel gekommen sein, bei dem Satan zur Erde geschleudert wurde in der Lehre der Zeugen Jehovas die Ursache für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Trotz der Tatsache, dass dieser Konflikt historisch gesehen nicht der verlustreichste der Menschheitsgeschichte war, gilt er in der offiziellen Lehre als Beleg für den Beginn der „Zeit des Endes“.

Basierend auf dieser Auslegung soll Jesus ab 1918 eine Sichtung aller christlichen Religionsgemeinschaften vorgenommen haben, woraufhin er 1919 die damaligen Bibelforscher unter Leitung von Joseph F. Rutherford als einzig wahre Organisation auswählte ein Konzept, das durch den Begriff des „treuen und verständigen Sklaven“ aus Matthäus 24:45-47 theologisch begründet wird.

Quelle: z.B. Der Wachtturm, 15. März 1990, S. 10–14

Warum 1914? Die Berechnungsgrundlage

Kaum ein Zeuge Jehovas kann die Berechnungsgrundlage für das Jahr 1914 tatsächlich erklären. Dabei ist sie keineswegs trivial und schon gar nicht unumstritten. Ursprünglich rechnete man wie folgt:

  • Man ging von einer „Zeitraum der Heiden“ genannten prophetischen Phase aus, die angeblich 2520 Jahre dauern sollte (abgeleitet aus den „sieben Zeiten“ in Daniel 4).
  • Dieser Zeitraum sollte mit der Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier beginnen.
  • Man nahm dafür zunächst fälschlich das Jahr 606 v. Chr. an, später 607 v. Chr.
  • Addiert man 2520 Jahre und berücksichtigt, dass es kein Jahr „Null“ gibt, landet man bei 1914.

Die ganze Rechnung klappt aber nicht wenn man von historisch richtigen 587 v. Chr. für die Zerstörung Jerusalems aus geht..

607 v. Chr. oder 587 v. Chr.?

587 v. Chr. Zahlreiche archäologische, astronomische und historische Quellen belegen dies:

  1. Keilschrifttafel BM 32312 dokumentiert eine exakte Saturnposition und datiert die Ereignisse auf 587 v. Chr.
  2. VAT 4956, die von der WTG zur Unterstützung von 607 v. Chr. herangezogen wird, wurde mehrfach wissenschaftlich widerlegt.
  3. Die ägyptische Chronologie der 26. Dynastie stimmt mit der Neubabylonischen überein – und beide belegen 587 v. Chr.
  4. Weitere Quellen wie die Archive von Erech und astronomische Berechnungen bestätigen das.

Trotz dieser Faktenlage hält einzig die Führung der Zeugen Jehovas an 607 v. Chr. fest, da andernfalls ihre gesamte Endzeit-Chronologie kollabieren würde.

Die Führung ist zwingend auf 1914 angewiesen. Ohne 1914 gäbe es kein 1919. Ohne 1919 keinen „treuen und verständigen Sklaven“. Ohne diesen fehlt jegliche Legitimation für die exklusive Autorität der Leitenden Körperschaft also der Führung!

Die Generation, die das Jahr 1914 erlebt hat, wird nicht vergehen, bevor das Ende kommt. Diese Lehre war lange ein fester Bestandteil der Verkündigung und wurde in Publikationen, Vorträgen und Broschüren wiederholt und betont.

Doch inzwischen ist die Realität unübersehbar: Die letzte Generation von 1914 ist verstorben. Niemand, der bewusst Zeuge dieses Jahres war, lebt heute noch. Damit stellt sich die Frage: Was bedeutet „diese Generation“ jetzt?

Die überlappende Generation – eine theologische Notlösung?

Um diese offensichtliche Diskrepanz zu überbrücken, entwickelte die Organisation in den letzten Jahren die sogenannte „Lehre von der überlappenden Generation“. Demnach besteht „diese Generation“ aus zwei Gruppen von Gesalbten, die sich zeitlich überschneiden müssen – also: Wer zur ersten Gruppe gehörte, muss den Beginn der zweiten noch erlebt haben.

Diese Idee ist nicht nur biblisch unbelegt, sondern erinnert in ihrer Konstruktion auffällig an das sogenannte Overlapping-Generations-Modell aus der Volkswirtschaftslehre allerdings wird es hier völlig zweckentfremdet und fehlerhaft angewandt.

Die Konstruktion könnt, logisch weitergedacht endlos fortgesetzt werden: Die überlappende Generation einer überlappenden Generation, die wiederum eine andere überlappt. So lässt sich „diese Generation“ theoretisch beliebig verlängern  und verliert damit jede biblische Verankerung.

Das ist natürlich weder biblisch noch historisch sondern einfach kreative Fantasie..

Warum 1914 nicht aufgegeben werden kann

Die Wachtturm-Gesellschaft kann das Jahr 1914 nicht aufgeben, ohne ihr gesamtes theologisches Gebäude zu gefährden. Denn:

  • 1914 markiert den Beginn der Königsherrschaft Jesu,
  • daraus wird 1918 die angebliche Inspektion aller christlichen Gruppen abgeleitet,
  • und schließlich 1919 die Auswahl der Zeugen Jehovas als Gottes exklusiven Kanal – vertreten durch den „treuen und verständigen Sklaven“ also die Legitimation ihre Führung!

Würde das Jahr 1914 wegfallen, verliert die Organisation ihre theologische Sonderstellung. Ihre Autorität, ihr Führungsanspruch, ihre Lehre vom „Sklaven“ – alles basiert auf dieser Zeitrechnung.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Peritus Sectarum

Sagen wir mal so:

Jesu selbst wusste das damals nicht,

nannte aber Zeichen dafür (Mt.24,4-15; Lk.21,8).

Doch in Bälde wird der Verführer verhaftet (Offb.20,2).

Woher ich das weiß:Recherche

So ist es nun mal, wenn man ideologisch motivierter Lehre glaubt. Es geht hierbei mehr darum, dass man die Leute im Glauben lässt, ihnen vorträgt. Die meisten sind Intellektuell gar nicht in der Lage, etwas kritisch zu hinterfragen.

Typischer Fall von "confirmation bias"


SarajevoMord 
Beitragsersteller
 23.06.2025, 02:15
💡 Warum glauben sie also weiter an 607 und 1914?
  • Weil alles in ihrer Glaubenswelt darauf aufbaut.
  • Wenn man 607 fallen lässt, fällt auch 1914, und damit die gesamte Endzeit-Lehre.
  • Und wenn 1914 nicht stimmt, stellt sich die nächste Frage:
  • „Sind wir dann überhaupt die einzige wahre Religion?“
  • – Und das ist für viele ein zu großer Schock.
Schubspannung  23.06.2025, 02:25
@SarajevoMord

Denn haben Sie ja nun Ihre Antwort, denke ich doch? ;) Matthäus 7,7 "[...] suchet, so werdet Ihr finden."

Bei den Zeugen Jehovahs halte bzw. hielt ich mich raus und blieb lieber schon als Kind weiter Evangelike.