Viele ehemalige Zeugen Jehovas beschäftigen sich auch nach ihrem Ausstieg weiterhin mit ihrer früheren Glaubensgemeinschaft nicht, weil sie innerlich zerrissen wären oder „ihre Sünden nicht unterdrücken“ könnten, wie es in der Frage von vermutlich aktiver Seite unterstellt wird, sondern aus ganz anderen, nachvollziehbaren Gründen.
Gründe warum Menschen die Zeugen Jehovas verlassen (Link):
https://www.gutefrage.net/frage/was-ist-der-grund-warum-betroffene-personen-bei-den-zeugen-jehovas-aussteigen-oder-der-hauptgrund#answer-585363376
Die Zeugen Jehovas prägen ihre Mitglieder oft über viele Jahre hinweg tief , nicht nur im Denken, sondern auch emotional. Die Gemeinschaft beansprucht für sich absolute Wahrheit, isoliert ihre Mitglieder sozial von der Außenwelt und lehrt sie, alles außerhalb als die „böse Welt von Satan“ zu betrachten. Dieser jahrelangen geistigen und emotionalen Manipulation zu entkommen, ist ein intensiver Prozess, der häufig ein religiöses Trauma hinterlässt.
Nicht ohne Grund gibt es weltweit Hilfsorganisationen, die sich speziell um die Aufarbeitung religiöser Traumata ehemaliger Mitglieder solcher Gruppen kümmern.
Wenn Menschen eine solche geschlossene Gemeinschaft verlassen, kämpfen sie oft mit tiefen Verlusten: Familie und Freunde brechen den Kontakt ab, der sogenannte „Kontaktabbruch“ oder „Schuldabwendung“ ist bei den Zeugen Jehovas fest vorgeschrieben, das eigene Weltbild zerbricht, und die Betroffenen müssen sich eine neue Identität und einen neuen Platz im Leben aufbauen.
Das Bedürfnis, sich weiterhin mit der ehemaligen Glaubensgemeinschaft auseinanderzusetzen, entsteht daher nicht aus Schuld oder angeblichen „Begierden“, sondern aus dem tiefen Wunsch nach Aufarbeitung, Heilung und Verständnis, ähnlich wie bei Menschen, die andere Formen schwerer Traumatisierung erlebt haben.
Entgegen der Behauptung, dass der Ausstieg auf "Sünden" zurückzuführen sei, berichten die meisten ehemaligen Zeugen Jehovas, dass gerade ihr Wunsch nach Aufrichtigkeit, Wahrheit und einem ehrlichen Glauben sie dazu brachte, die Organisation zu hinterfragen und zu verlassen. Wäre es lediglich um "Sünde" gegangen, könnten viele einfach verdeckt weiterhin Mitglied bleiben, doch das Gewissen und das Streben nach Wahrheit lassen dies nicht zu.
Zudem geht es vielen ehemaligen Zeugen Jehovas heute darum, Aufklärung zu leisten: Sie möchten der einseitigen Selbstdarstellung der Organisation etwas entgegensetzen, Missstände sichtbar machen und verhindern, dass andere Menschen in dieselbe Falle tappen.
Dieser Wunsch nach Aufklärung ist kein spezielles Phänomen bei den Zeugen Jehovas auch Aussteiger aus anderen sektenartig organisierten Gemeinschaften engagieren sich häufig für Information und Schutz anderer.
Das Auseinandersetzen mit der früheren Glaubensgemeinschaft entspringt nicht innerer Schwäche, sondern ist ein Ausdruck von Stärke, Selbstbestimmung und dem tiefen Wunsch nach Aufarbeitung, Aufklärung und Verantwortungsübernehme.
Mein tiefer Respekt für jeden der das geschafft hat und heute Verantwortung übernimmt.