Wird Armut in Deutschland verleugnet?

9 Antworten

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Verleugnet bzw relativiert. Insbesonders Menschen aus dem linken Spektrum scheinen sich als Verteidiger des heutigen System aufzupolstern. Sieht man auch hervorragend an dieser Plattform, die du "Besserwisser" nennst.

Auch die Zahlen werden regelrecht beschönigt. Fakt ist, dass es den Menschen sozial immer schlechter geht und das sog. Sozialkapital seit jahrzehnten am sinken ist und die Menschen ärmer und frustrierter sind. Statt aber die Fehler der jahrzehntelangen Privatisierung unserer Gesellschaft anzugehen, hält man aber an diesem System fest und holt sich neue Menschen ins Land, wodurch arme Menschen gegeneinander ausgespielt werden.

Uns steht eine neue Zeit bevor, dieser moderne Neoliberalismus wie auch immer dieser ausfällt - progressiv, internationalisisch oder nationalistisch - neigt sich dem Ende zu. Auch renommierte marxistische Ökonomen sprechen von der spätkapitalistischen Zeit, in der der Kapitalismus zu kollabieren droht und nochmal autoritärer ausfallen wird.

akesipalisa  13.04.2023, 16:30

Wie kommst Du denn auf diesen Satz "Insbesonders Menschen aus dem linken Spektrum scheinen sich als Verteidiger des heutigen System aufzupolstern"? Gerade die Linken sind es doch, die die unsozialen Seiten des derzeitigen Systems am schärfsten kritisieren.
Von den Herren Lindner, Habeck, Özdemir oder Scholz (Monatseinkommen € 33,000!) erwarte ich keine sozialen Verbesserungen für die Unterschicht, die ja - statistisch messbar - immer dicker wird.

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Naja. Der Staat gibt unheimlich viel Kohle zur sogenannten Armutsbekämpfung aus. Dafür verlangt er ja auch Unmengen an Steuern.

Für viele ist das Problem halt an diesem Punkt gegessen. Dass diese sogenannte Armutsbekämpfung im Zweifel de facto eben nicht zur Verringerung von Armut beiträgt, diese in manchen Punkten sogar steigert, ist eine Diskussion, für die sich viele Leute nicht interessieren und die zu führen sie nicht bereit sind.

Die Politik sowieso nicht, weil politische neue große Maßnahmen eben immer ein Risiko sind, dazu musst du dir ja nur die Diskussion um die neuesten Änderungen unter dem Stichwort "Bürgergeld" ansehen.

Abgesehen davon ist den meisten Menschen natürlich schon klar, dass in der aktuellen wirtschaftlichen Situation viele Leute knapp bei Kasse sind.

Woher ich das weiß:Hobby
Anjachen60 
Fragesteller
 11.01.2023, 20:45

Gegen alles mögliche wird demonstriert, kleben sich Leute sogar auf der Straße fest. Wann werden die Menschen endlich mal dagegen aufbegehren?

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eingew  11.01.2023, 21:05
@Anjachen60

Leute die Probleme haben Essen auf den Tisch zu bekommen, wie in deinem eigenen Beispiel die Dame die Flaschen sammeln geht, gehen gemeinhin nicht irgendwo hin um dort nichts zu tun, außer ein Schild in die Luft zu halten. Das hilft halt auch nicht weiter. Vielleicht irgendwann mal in der Zukunft, aber darüber Gedanken zu machen bringt einem für das fehlende Essen heute halt auch nichts.

Dazu kommt, dass das Thema, wie du ebenfalls selbst bereits ansprichst, häufig stark schambesetzt ist. Wer kein Geld hat schämt sich oft dafür.

Das sieht man ja auch am Ende daran, dass mit sinkendem Einkommen auch der Nichtwähleranteil steigt. Die Politik bietet keine Antworten und daher versinken viele in Lethargie, denke ich.

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Anjachen60 
Fragesteller
 12.01.2023, 17:23
@eingew

Unsere Politiker leben im Überfluß und haben den Bezug zu "Otto Normalbürger" verloren. Wie soll die Politik da Antworten finden? Es müsste mal soweit kommen, dass NIEMAND mehr wählen geht. Was würde wohl dann passieren? Es ist aber eher davon auszugehen, dass bei einem weiteren Anstieg der allgemeinen Armut eines Tages wieder irgendein diktatorisches Regime die Oberhand gewinnt.

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akesipalisa  13.04.2023, 16:32

Und wieviel Kohle gibt der Staat zur Steigerung der Einkommen von Politiker*n aus? Das sind auch viele Millionen, ergänzt durch große Zahlungen an Ex-Bundespräsidenten, die sich jetzt seit Jahren durch Nichtstun auszeichnen.

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Deine Erfahrungen sind alles andere als einmalig. In Deutschland ist jeder fünfte Einwohner von Armut betroffen, unter Kindern und Rentern sind die Anteile noch höher. Auch wer sein Leben lang für den Mindestlohn arbeitet, hat damit lediglich eine Garantie für Altersarmut.

Dass über Armut nicht gerne geredet wird, kann man auf die Dominanz von liberalen Ideologien und Denkweisen im gesellschaftlichen Diskurs zurückführen. Weil rechtlich ja alle gleichgestellt sind, könne Armut nur selbstverschuldet sein, weshalb sie mit Scham behaftet ist und versteckt wird. Systemische und politische Ursachen für Armut werden dagegen gerne ausgeblendet.

Es ist klar, dass z.B. die enorme Ausweitung des Billiglohnsektors durch die Arbeitsmarktreform in Deutschland die Armut befördert hat. Im europaweiten Vergleich hat Deutschland mit die geringsten Arbeitslosenquoten, liegt aber bei der Armutsgefährdung über dem Durchschnitt und übertrifft sämtliche Nachbarländer.

Mit einem Migrationshintergrund ist man übrigens noch viel wahrscheinlicher von Armut betroffen. Insofern ist es völlig unangebracht, hier eine Randgruppe gegen eine andere auszuspielen, das lenkt nur von den tatsächlichen Ursachen von Armut ab, die im kapitalistischen Wirtschaftssystem verortet sind.

Anjachen60 
Fragesteller
 12.01.2023, 11:11

Eben! Der Kapitalismus geht über Leichen. Aber das verstehen hierzulande die Wählerinnen und Wähler nicht.

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Tichuspieler  24.12.2023, 02:09
@Anjachen60

Wir leben in einer Zeit, in der es heißt: Kapitalismus ist Demokratie! Traurig, dass die Wirtschaft so viel Macht bekommen hat.
Dieter Hildebrandt (leider schon verstorben), in meinen Augen ein wirklich guter Kabarettist mit scharfem Verstand, sagte einmal im Scheibenwischer: Politik ist nur der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Und heute gilt das mehr denn je :-(

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Teilweise mit Sicherheit.

Im grunde genommen ist es ein Abendfüllendes Thema,über Rentenbezieher, Sozialleistungsbeziehr, Mindestlohnempfänger, Wohnkosten usw.

Es gibt mit Sicherheit auch eien hohe Dunkelziffer vonmenschen, die sich schämen, sich vomAmt das zu holen, was ihnen im Sozialstaat zusteht.

Demgegenüber sind natülich auch die reichen Leute udn Besserverdiener, von denen man wahrscheinlich oft genug gar nichtgedacht hätte, daß sie so ein Vermögen haben. - Da bleibt nur zu hoffen, daß sie zumindest einenTeil davon irgendwie sozial sinnvoll unter s Volk bringen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Die Politik versäumt es die Bevölkerung über Massnahmen aufzuklären welche Altersarmut besonders fördern.

Ein wesentlicher Faktor waren dabei die Hartz 4 Reformen. Bis zu diesen Reformen wurden Rentenversicherungsbeiträge von den Arbeitsagenturen auf Basis von dem letztem Gehalt bezahlt. Seit 2005 dann nur noch der Mindestbeitrag auf Basis von ca. 480 Euro Einkommen. Seit 2011 werden für Langzeitarbeitslose garkeine Rentenversicherungsbeiträge mehr entrichtet. Die enormen Auswirkungen dieser Reformen wurden in den Massenmedien weitgehend tot geschwiegen.

Dazu kam noch die immer weiter gehende Besteuerung von Alterseinkünften! Früher waren Rentenversicherungsleistungen immer steuerfrei.

Woher ich das weiß:Recherche
okieh56  11.01.2023, 20:14

Deine Ausführungen sind nicht ganz korrekt.

„Ein wesentlicher Faktor waren dabei die Hartz 4 Reformen."

Da stimme ich dir zu.

Vor der Einführung von Hartz IV gab es nach dem Arbeitslosengeld Arbeitslosenhilfe. Die Bemessungsgrenze für die Beiträge an die Rentenversicherung war aber nicht das vorherige Arbeitseinkommen, sondern bei ALG 80% davon und bei Arbeitslosenhilfe die Höhe der Leistung.

Aber ich gebe dir recht. Wer erst einmal in Harzt IV gelandet ist, kann seine Rente kaum noch aufstocken und wird ggf. auch im Alter von Grundsicherung leben müssen.

„Früher waren Rentenversicherungsleistungen immer steuerfrei."

Das ist falsch!

Die Renten waren schon immer steuerpflichtig. Doch bis 2005 gab es einen Steuerfreibetrag in Höhe von 50% der Rente. Dadurch wurden nur wenige Rentner steuerpflichtig.

Seitdem wird der Freibetrag schrittweise abgeschmolzen, die RV-Beiträge aber zunehmend steuerlich absetzbar. So spart man als Beschäftigter, muss aber als Rentner ggf. Steuern zahlen.

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Rotfuchs716  11.01.2023, 20:17
@okieh56

mindestens bis Mitte der 90er Jahre wurden gesetzliche Renten in Deutschland garnicht besteuert. Die allmählich zunehmende Besteuerung der Renten erfolgte erst nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts!

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okieh56  11.01.2023, 20:27
@Rotfuchs716

Das Alterseinkünftegesetz hat sich erst 2005 geändert. Seitdem wird der Freibetrag der Rente von damals 50% bis 2040 schrittweise abgeschmolzen.

Bis dahin zahlten die meisten Rentner keine Steuern, weil der zu versteuernde Anteil der Rente abzüglich aller Absetzungen den Grundfreibetrag nicht überschritten hat. Der Grundfreibetrag lag 1990 -95 bei 5.6.16 DM - für Ehepaare das Doppelte). Auch heute noch zahlen sehr viele „Altrentner“ keine Steuern, weil der damalige Freibetrag erhalten bleibt.

Das heißt aber nicht, dass Rentner generell keine Steuern zahlen mussten, denn sehr viele hatten zusätzliches Einkommen wie z.B. Betriebsrenten.

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