Diskriminierung & soziale Ungleichheit

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Wehrpflicht nur für Männer-die unangenehme Wahrheit

Der neue Wehrdienst also.

Eines der auffälligsten Merkmale dieser Entwicklung ist die selektive Anwendbarkeit der vorgesehenen Regelungen: Erneut richtet sich das staatliche Interesse nahezu selbstverständlich ausschließlich auf Männer – obwohl der Anspruch auf Gleichbehandlung, wie ihn Artikel 3 Grundgesetz formuliert, und die spezifische Ausnahme des Artikels 12a GG in einem Spannungsverhältnis stehen, das eigentlich eine gerichtliche oder verfassungsändernde Klärung erfordern würde. 

Doch eine solche Klärung ist zwar theoretisch möglich, praktisch aber kaum verlässlich zu erwarten, angesichts der politischen Trägheit noch im Hinblick auf die kulturellen Präferenzen einer Gesellschaft, die sich mit dem Begriff “Gleichstellung” meist nicht auf strukturelle Symmetrie, sondern auf einseitige Sensibilität für bestimmte Narrative beschränkt.

Die Vorstellung, dass eine verpflichtende Registrierung oder gar Heranziehung zur Wehrpflicht bei Frauen in der gleichen gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit hingenommen würde wie bei Männern, ist realitätsfremd. Ein solcher Vorstoß würde (zurecht) sehr schnell auf massive Ablehnung stoßen. 

Warum? Weil Männern beigebracht wird, emotionale, insbesondere schmerz- oder schambezogene Eingriffe nicht zurückzuweisen, zumindest nicht öffentlich und schon gar nicht mit moralischem Anspruch. Ein Mann, der sich über strukturelle Benachteiligung beschwert, riskiert, seine Geschlechtsidentität zu verlieren. Natürlich nicht biologisch, aber sozial. Solche Beschwerden werden nicht etwa als Ausweis politischer Wachsamkeit verstanden, sondern als Anzeichen mangelnder Männlichkeit oder gar als Bedrohung jener kollektiven Fiktion, die ein männliches Subjekt nur dann anerkennt, wenn es seine eigene Ersetzbarkeit akzeptiert.

So erhält der Staat auf diese Weise Zugriff auf den Körper und vor allem auch auf die Innenwelt des Mannes. Die psychologische Struktur, die emotionale Autonomie, das intime Wohlbefinden: alles steht zur Verfügung. 

Bei Frauen hingegen würde ein vergleichbarer Zugriff sofort als unzulässig, wenn nicht gar als strukturelle Gewalt bewertet werden. Die gleiche Untersuchung, die beim Mann als „Eignungsfeststellung“ gilt, würde bei Frauen mit Begriffen wie „Übergriff“ oder gar „Verletzung körperlicher Selbstbestimmung“ assoziiert. Das signalisiert deutlich: Die seelische und körperliche Unversehrtheit wird in geschlechtsspezifischer Weise moralisch bewertet. Der männliche Körper ist prinzipiell verfügbar, der weibliche prinzipiell schützenswert. Die körperliche Grenzziehung – die eigentlich universell sein müsste – wird durch die symbolische Geschlechterordnung aufgehoben oder verschärft, je nachdem, welches Geschlecht betroffen ist.

Getragen wird dieses System interessanterweise von zwei Lagern, die sich im Übrigen spinnefeind sind, aber in ihrer gemeinsamen Abwertung männlicher Subjektivität ein strukturelles Bündnis eingehen. Auf der einen Seite stehen rechte und nationalkonservative Kräfte, die nicht etwa Gleichheit in der Pflicht einfordern, sondern das Militär als männlichen Raum definieren wollen. Für sie ist die Wehrpflicht nicht nur Instrument zur militärischen Einsatzfähigkeit, sondern ein Mittel zur Erzeugung oder Reproduktion einer bestimmten Vorstellung von Männlichkeit – eine Vorstellung, in der das „Weibliche“ als Verweichlichung gilt und darum aus der Struktur ausgeschlossen werden muss. Ob weibliche Soldatinnen tatsächlich weniger leistungsfähig sind, bleibt empirisch unklar – und wäre selbst wenn es so wäre, in einem Land mit realistisch Betrachtet mit minimalem Kriegsrisiko, ohnehin nachrangig. Wichtig ist nur die Idee: Männlichkeit als Träger staatlicher Durchsetzungskraft. Frauen in Uniform stören diese Inszenierung. Also will man sie nicht.

Auf der anderen Seite stehen progressive oder postmoderne Diskurse, die Gleichheit als Ergebnis vergangener Benachteiligung denken und dabei blind für aktuelle Asymmetrien werden. Frauen sind strukturell benachteiligt, also muss man sie weiterhin strukturell verschonen. Die Wehrpflicht als staatlicher Zugriff auf Leben und Körper wird in dieser Argumentation nicht als Eingriff, sondern als neutraler Pflichtbeitrag verstanden, zumindest, solange er Männer betrifft. Dass eine körperliche Musterung mit Intimuntersuchungen und psychologischen Belastungstests für Männer potenziell ebenso invasiv sein kann wie für Frauen, wird einfach ignoriert oder als „zumutbar“ rationalisiert. 

(Verzeihung für die Textwand)

Bitte habt Verständnis, dass ich auf Fragen, die durch den Text beantwortet werden können, nicht extra antworte (wenn das hier überhaupt jemand liest😂)

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Warum ist "Integration" in Deutschland nur so lange willkommen, wie wir Ausländer in der Minderheit bleiben?

Warum passiert es in Deutschland so oft, dass man als Ausländer oder Mensch mit Migrationshintergrund am Anfang freundlich behandelt wird, aber sobald man in einem deutschen Kollegium oder Amt aufsteigt oder auch nur zu viele von uns dort arbeiten, plötzlich kaltgestellt, ignoriert oder auf subtile Weise gemobbt wird?

Ist das dieses bekannte Prinzip: "Wir sind tolerant, solange ihr in der Minderheit bleibt"?

Ich habe es selbst im öffentlichen Dienst erlebt. Egal ob in der Verwaltung, im sozialen Bereich oder bei der Bahn. Am Anfang wird man offen empfangen, doch je sichtbarer man wird, desto kälter wird das Umfeld. Gespräche hören auf, wenn man den Raum betritt. Informationen werden nicht mehr geteilt. Und man steht ständig unter Beobachtung, als müsste man doppelt so viel leisten, nur um akzeptiert zu werden.

Das ist kein Einzelfall. Laut der Antidiskriminierungsstelle des Bundes berichten rund 60 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund von Diskriminierung im Berufsleben. Meist geschieht das nicht offen, sondern durch stille Ausgrenzung.

Auch das Deutsche Zentrum für Integrations und Migrationsforschung zeigt in Studien, dass genau diese leisen Formen der Ausgrenzung häufig vorkommen, besonders in Bereichen wie Verwaltung, Polizei oder Bildung, wo die Strukturen sehr einseitig geprägt sind.

Und wenn man das anspricht, heißt es plötzlich: "Du bildest dir das ein" oder noch schlimmer: "Du passt halt nicht ins Team."

Aber ganz ehrlich, warum wird Integration hier nur dann akzeptiert, wenn wir uns still verhalten, unsichtbar bleiben und niemandem auffallen?