Warum können (oder wollen) viele Menschen keine echte Tiefe im Leben sehen?
Ich bin 32 und habe das Gefühl, mich mein ganzes Leben lang fremd in dieser Welt zu fühlen – weil ich von klein auf mit Erfahrungen konfrontiert war, die mich gezwungen haben, über den Sinn des Lebens nachzudenken.
Meine Kindheit war geprägt von Leid:
– Meine Mutter erkrankte an Krebs, als ich 8 war,
– sie überlebte nur knapp, als ich 10 war, es hießt sie hat noch 2 Wochen
– unser Zuhause war durch hohe Schulden fast verloren,
– mit 13 zogen wir weg wegen der Trennung meiner Eltern, welche sich Jahre lang laut stritten
– mein Vater entzog sich nach der Trennung bis heute - ich vergebe ihm seine geistige Unreife die er bis heute nie erreicht hat
– mit 17 starb meine Mutter endgültig - sie war eine starke Frau die lange gekämpft hat
Während andere unbeschwert ihre Kindheit lebten, musste ich schon früh mit Themen wie Tod, Verlust, Verantwortung und Sinn umgehen. Das hat mich tief geprägt.
Oberflächlichkeit – Smalltalk, Partys, aufgesetztes Lachen – ist für mich bis heute kaum aushaltbar, weil sie so weit weg ist von dem, was ich unter echtem Leben verstehe. Und doch scheint die Welt oft genau daraus zu bestehen: Lärm, Leistung, Fassade.
Warum kommen viele Menschen ihr ganzes Leben lang nie an diesen Punkt echter Tiefe?
Wollen sie es nicht? Oder sehen sie es wirklich nicht?
Geht es anderen ähnlich wie mir – dieses Gefühl, in einer Welt zu leben, die einen ständig in die Oberflächlichkeit zwingt?
Wie geht man damit um, ohne daran zu zerbrechen?
Als Kind fühlte ich mich oft falsch, weil ich oft still war, weil ich mich mit dem Lärm und den Oberflächlichkeiten um mich herum Null identifizieren konnte - ich fühlte dass ich als Kind (ungewollt) Dinge über das Leben wusste, die manche Menschen erst am Ende des Lebens erkennen. Ich wurde eben für schüchtern gehalten. Aber es war eher ein: "Wo ist eure Dankbarkeit für das was ihr habt" oder "Ihr wisst doch gar nicht was echte Probleme sind oder was echtes Leben ist." Sobald ich versucht hatte das Spiel mitzuspielen, war ich zwar angepasst, beliebt - aber lebte gegen mein Inneres.
Ich meine das nicht überheblich, und möchte kein Mitleid oder Selbstmitleid erzeugen, sondern möchte ehrlich sein. Ich habe keine Depression , doch ich sehe kann oder konnte das Leben der Gesellschaft nie wirklich nachvollziehen mit all ihren absurden Ideen, Zielen und Vorstellungen was das Leben erfüllt. Nur in der Philosophie sehe ich tatsächlich Ideen und Gedanken die mit meinem Inneren Resonanz erzeugen. Ich sehne mich nach echter Verbindung – aber finde sie kaum.
Das Problem ist: Wenn man mal in echter Tiefe gelebt hat, bzw. die Tiefe des wahren Lebens erkannt hat, kann man diese nicht mehr ablegen. Manchmal denke ich mir: Ich spiel das Spiel der Rollen, Masken einfach wieder mit und stell mich dumm: Doch dadurch hatte ich vor ein paar Jahren fast einen Burnout, weil es eine sehr schlechte Idee ist, gegen sein Inneres zu leben.
Warum können (oder wollen) viele Menschen keine echte Tiefe im Leben sehen, so wie ich das tue?
4 Antworten
Selten stellt jemand eine so tiefgründige Frage. Deshalb beantworte ich sie gerne.
Ich sehne mich nach echter Verbindung - aber finde sie kaum.
Das bringt wohl die ganze Unzufriedenheit, die du beschreibst, auf den Punkt.
Unsere Gesellschaft ist weitgehend entwicklungstraumatisiert, - was zunehmend bekannter wird, weil die Folgen längst nicht mehr zu übersehen sind. Im Gefühl der Trennung statt der Verbundenheit zu leben ist jetzt "normal", und viele kennen die Verbundenheit, nach der sich im Grunde jeder sehnt, gar nicht. Stattdessen werden Pseudokontakte gepflegt mit dem Smartphone und anderen (materiellen und geistigen) Suchtmitteln. Auch streiten kann eine Notlösung sein, um ein Gefühl von Kontakt und Verbundenheit zu bekommen.
Unsere Nervensysteme haben aber von Natur aus die Fähigkeit, mit anderen Menschen im wohltuenden entspannten Kontakt zu sein und nährende Verbindungen einzugehen. Auf Initiative eines Trauma-Experten entstand das größte Selbsthilfenetzwerk für Persönlichkeitsentwicklung. Die Selbsthilfemethode, mit der wir wieder entspannten Kontakt und Verbundenheit erfahren können, heißt "Ehrliches Mitteilen". Ich mache das schon seit mehr als 1 Jahr und kann bestätigen, was in den folgenden Links gesagt wurde und geschrieben steht: "Ja, die Methode funktioniert!"
- Das Selbsthilfe-Netzwerk EHRLICHES MITTEILEN (kurzes youtube-Video)
- https://gopal-vagus-schluessel.com/ (Das Buch zum Ehrlichen Mitteilen)
- https://ehrliches-mitteilen-leben.de/ (Verein mit vielen online- und Präsenzveranstaltungen, kostenlose Einführung)
Eine andere Möglichkeit, die ich kenne, um mit gleichgesinnten Menschen in Kontakt zu kommen, wäre das online-Café einer Initiative, die u. a. durch den Hirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther entstand. (Der Link führt zum Vorstellungs-Video der Veranstaltungsreihe.)
Dem kann ich nicht zustimmen. Die meisten Menschen haben so oder anders Leid erfahren. Viele haben psychische Störungen, die sie ununterbrochen belasten. Viele sind süchtig, abhängig, und das ist die Hölle. Viele sind behindert auf die Welt gekommen. Viele - in die krasse Armut hinengeboren.
Um eine Tiefe zu haben, braucht mal eine Fläche 0, alles darunter ist tiefer. Auch um Höhen zu haben, braucht man dieses Niveau 0. Du willst das " oberflächliche " ablehnen, dabei ist das bloss die sichtbare Grenze zwischen Tief- und Hochgang. Es geht nicht ohne. Das ist der Halt in der Mitte der Psyche
Nein. Die Kleinigkeiten triggern Menschen. Das sind nur Trigger, das Leiden wurde früher durch was anderes verursacht. "Nicht freundlich genug" triggert Menschen, die früher oft erniedrigt wurden. " Gelbe Hose" - man durfte sich nichts besonderes, auffalendes erlauben und wurde dafür ausgeschimpft, für schamlos erklärt, für einen Clown. Und jetzt darf ein anderer so was doch tun. So ungefähr läuft es ab.
Du hast völlig recht, dass viele sogenannte „Kleinigkeiten“ tieferliegende Wunden triggern – oft aus der Kindheit, aus Abwertung, Überanpassung oder chronischem Gefühl, „nicht genug“ zu sein.
Diese Muster prägen unser Erleben – und ja, sie können erklären, warum scheinbar Belangloses wie ein Blick oder eine gelbe Hose eine übergroße Reaktion auslöst.
Aber genau deshalb, finde ich, lohnt es sich zu unterscheiden:
Ob wir von alten Wunden getrieben sind –
oder ob wir bewusst leben und fühlen, was gerade ist.
Denn nicht jeder Trigger ist heilig. Und nicht jeder Schmerz bedeutet Wahrheit. Manchmal ist es schlicht: ein altes Programm, das weiterläuft – weil niemand je auf „Stopp“ gedrückt hat.
Natürlich darf man Mitgefühl haben mit Menschen, die durch alte Muster geprägt sind. Aber Mitgefühl heißt nicht, alles als gegeben hinzunehmen.
Man kann verstehen, warum jemand überempfindlich reagiert – und gleichzeitig sagen:
„Und trotzdem darfst du das lernen loszulassen.“
Denn geistige Reife bedeutet nicht, nie verletzt zu sein –
sondern zu erkennen, wann man aus alten Wunden lebt
und wann man frei daraus handeln kann.
Gerade deshalb ist es wertvoll, an dieser inneren Freiheit zu arbeiten:
- Nicht alles persönlich nehmen
- Nicht ständig im Defizit leben
- Nicht andere herabwürdigen, nur um sich selbst zu stabilisieren
Wer mit sich selbst im Reinen ist, hat weniger Bedarf, andere klein zu machen.
Wer sich selbst angenommen hat, braucht keine Feindbilder.
Und das ist eine Reife, die man weitergeben kann – auch an Kinder.
Indem man ihnen nicht nur beibringt, stark zu sein, sondern auch mit sich selbst in Frieden zu leben.
Finde zur Spiritualität , ich weiß, dass das etwas abgedreht klingt , aber persönlich hilft es mir weiter die Welt anders zu betrachten. Ich habe angefangen einen Sinn im leben zu finden. Hope this helps:).
Diese Antwort hätte vor ein paar Jahren noch auch von mir kommen können. Genauso dachte ich auch. Heute sage ich: "Spiritualität ist eine geistige Droge für Traumatisierte." Es ist wie ein Haus, dessen Keller unter Wasser steht, und man macht es sich im Obergeschoss gemütlich. Dass die Basis marode ist, merkt man vor allem an der Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen - so war es zumindest bei mir.
Habe ich schon. Aber das macht es nicht leichter, es macht es zwar leichter die Welt zu ertragen, wenn man die Wahrheit gefühlt erkannt hat - aber trotzdem ist es schwer entgegen seinem Inneren zu leben, weil es die Welt fast nicht zulässt in der Tiefe zu leben, sondern weil Funktionieren das A und O ist.
Dafür ist viel geistiger Aufwand nötig. Die Bedingungen in der Kindheit sind auch entscheidend.
Dein Bild mit der „Fläche Null“ gefällt mir gut, es bringt mich zum Nachdenken.
Und ich glaube, genau da liegt auch mein inneres Spannungsfeld:
Ich habe selbst solche Beispiele im Umfeld erlebt –
und da frage ich mich manchmal:
Und ja, vielleicht liegt das daran, dass manche zum Glück nie echtes Leid erfahren mussten.
Aber dann fehlt manchmal auch die Dankbarkeit, die Erdung, die Fähigkeit, Dinge in Relation zu sehen.
Das ist kein Vorwurf – sondern eher eine Beobachtung, die geistig schmerzt.
Ich glaube, wir meinen also nicht ganz Verschiedenes –
nur blicken wir vielleicht aus zwei verschiedenen Tiefenwinkeln auf die gleiche Fläche.