Ist Rache und Vergeltung laut der Bibel erlaubt?

11 Antworten

Es heißt aber auch: "Die Rache ist mein, spricht der Herr"!

Du sollst also Untaten im Rahmen des Gesetzes verurteilen und bestrafen, die Vergeltung aber - also die ausgleichende Gerechtigkeit - Gott überlassen.

Nein, ganz sicher nicht.

Im Gegenteil: Rache und Vergeltung haben ihren Ursprung in den Todsünden (z.B. Zorn, Neid, Stolz) und sind somit ganz klar verboten.

Jesus Christus hat immer die zentrale Bedeutung von Liebe, Vergebung und Barmherzigkeit betont!

  • Markus 12:31 - "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Es ist kein anderes Gebot größer."
  • Matthäus 5:44 - "Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen."
  • Lukas 6:27 - "Liebt eure Feinde; tut Gutes denen, die euch hassen."
  • Lukas 6:35 - "Liebt eure Feinde und tut Gutes und leiht, ohne etwas dafür zu erhoffen. Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen."

Das alttestamentliche Gebot "Auge um Auge, Zahn um Zahn" sollte nach meinem Verständnis den Richtern im alten Bund dazu dienen, dass sie gerechte Urteile fällen.

Auch heute kann uns diese Aussage aus meiner Sicht nützlich sein, indem sie uns ins Gewissen spricht, wenn es beispielsweise darum geht, dass wir irgendwelche Entscheidungen treffen, wo es darum geht eine gerechte Entscheidung zu treffen.

Die Pharisäer schienen jedoch dieses Gebot (zumindest unter anderem) dazu missbraucht zu haben, um damit eine Rechtfertigung zu haben, sich selbst zu rächen. Dass das von Gott so nicht gewollt ist, hat Jesus in Matthäus 5:38 ff. zum Ausdruck gebracht. Aber auch schon im mosaischen Gesetz selbst steht geschrieben, dass man keine Rache üben soll, sondern seinen Nächsten lieben soll, wie sich selbst. (vgl. 3.Mose 19:18)

In Römer 12:19 steht zum Thema Rache übrigens folgendes geschrieben (vlt hilfts dir ja in irgendeiner Weise weiter)

Rächt euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn [Gottes]; denn es steht geschrieben: »Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr«. Römerbrief 12:19

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bibelstudium, pers. Beziehung mit Gott, freievang. Gemeinde

Es ist das Gegenteil von dem, was Du andeuten möchtest.

Auge um Auge, Zahn um Zahn war damals enorm fortschrittlich. Dadurch wurde die herrschende Blutrache unterbrochen. Etwas was Feindschaft über Generationen brachte.

Man durfte neu einem anderen höchstens so viel Schaden zufügen, wie man selber erlitten hatte.

Nein, rächen sollte man sich nicht.

Doch ich sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen! 
Matthäus 5,44

Das steht im Gesetz des Mose, das dem Volk Israel gegeben wurde und nicht Christen.

Jesus hat dazu gesagt:

  • "Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Auge um Auge und Zahn um Zahn!« Ich aber sage euch: Ihr sollt dem Bösen nicht widerstehen; sondern wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, so biete ihm auch die andere dar" (Matthäus 5,38-39).

Diese Stelle wird häufig falsch verstanden und noch falscher ausgelegt... ;-)

Behauptung: Diese Aussage von Jesus ist genial und wird in taktischen Selbstverteidigungsseminaren als beste Taktik überhaupt gelehrt!

Das hört sich erst einmal komisch an, aber die genannte Stelle wird häufig falsch verstanden und noch falscher ausgelegt.

Denn: Sollten Christen sich überall verprügeln lassen, ohne sich zu wehren? Sollten sie zuschauen, wenn andere Christen verprügelt werden und sich darüber freuen, dass diese die andere Backe hinhalten können? Das ergäbe doch irgendwie nur wenig Sinn und würde die gesellschaftliche Ordnung gefährden.

Zu der Bibelstelle mit dem "Hinhalten der anderen Backe" ist zu sagen, dass es dabei nicht um Selbstverteidigung oder körperliche Angriffe, sondern um Rache und Beleidigungen geht.

Im griechischen Urtext steht das Wort "rhapizo", das einen Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht bedeutet. Dies war eine Geste, die z.B. ein Herr gegenüber seinem Knecht tun durfte. Bei Gleichgestellten galt sie als schwere Beleidigung, die nach rabbinischem Recht doppelt bestraft wurde. Deshalb soll man sich durchaus beleidigen lassen, ohne sich zu wehren. Und man soll sich nicht rächen, was wohl die Kernaussage dieser Bibelstelle ist.

Deshalb ist der Vorschlag, auf Beleidigungen nicht zu reagieren und auf Rache zu verzichten, die beste Taktik, um Streit zu deeskalieren und schlimmere Auseinandersetzungen, die über verbale Angriffe hinausgehen, zu vermeiden.

In taktischen Selbstverteidigungsseminaren, in denen es um Notwehr und Nothilfe geht, wird diese Strategie durchaus als wichtige Möglichkeit der Deeskalation und Prävention gelehrt.

An diesem Beispiel sieht man wieder, wie lebensnah und -praktisch Jesus die Menschen belehrte.

Johanmiller  23.07.2023, 09:59

Richtig ;) Gegenwehr ohne Gewalt und aufzeigen, dass das Gegenüber sich falsch verhält.

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Mayahuel  23.07.2023, 10:40
Das ergäbe doch irgendwie nur wenig Sinn

Weil das für DICH keinen Sinn ergibt, kommst du auf diese Auslegung?

So geht es weiter: wer deinen Rock will, dem gebe auch den Mantel.

Da steht nicht: wenn es dir möglich ist, dann gebe auch den Mantel

40 Und wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel.

Da steht auch nicht: falls dir möglich ist, gehe mit ihm 2 Meilen

41 Und wenn dich jemand eine Meile nötigt, so geh mit ihm zwei.

Da steht auch nicht, dass man manchmal sich abwenden darf:

42 Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von dir borgen will.

https://www.bibleserver.com/LUT/Matth%C3%A4us5,42

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chrisbyrd  23.07.2023, 17:39
@Mayahuel

Das ist nicht "meine Meinung", sondern dass, was Jesus gesagt hat. Bei "rhapizo" geht es nicht um körperliche Angriffe, sondern um sehr starke Beleidigungen.

Dass es keinen Sinn gibt, dass Christen sich immer wieder verprügeln lassen oder sich neben andere Christen stellen, die angegriffen werden und ihnen zurufen, dass sie doch die andere Backe hinhalten sollen, ist doch logisch. In diesen Fällen wäre Notwehr und Nothilfe geboten. Dabei geht es auch darum, die staatliche Ordnung aufrechtzuerhalten.

Ich zitiere mal ein paar interessante Aussagen des bekannten reformierte Pfarrers Dr. Peter Vogelsanger, der zum Thema "Christentum und Selbstverteidigung/ Notwehr" interviewt wurde:

"In Römer 13, also im Römerbrief des Paulus, finden sich die ganzen Ausführungen über die Schwertgewalt des Staates. Da wird gesagt: Der Staat ist die Ordinatio Dei - die Ordnung Gottes -, die eingesetzt ist auf dieser Welt zur Eindämmung des jederzeit lauernden und Macht an sich reißenden Bösen: "Sie trägt das Schwert nicht umsonst," (die Obrigkeit) "... sondern zur Bestrafung der Bösen und zur Belohnung der Guten." Das heißt, es ist die primäre Aufgabe des Staates, dem Bösen in dieser Welt Widerstand zu leisten, und Paulus sagt in diesem Zusammenhang: Es ist Pflicht des Christen, den Staat in dieser Funktion zu unterstützen...

..."Du sollst nicht töten" im Alten Testament heißt ganz eindeutig: "Du sollst nicht MORDEN". Also nicht einfach ein absolutes Tötungsverbot, so daß man keine Fliege und kein Kaninchen töten dürfte. Es ist damit auch kein absolutes Tötungsverbot in Bezug auf das menschliche Leben gemeint. Das kennt nämlich das Alte Testament nicht. Das Alte Testament kennt ja auch die Todesstrafe, und so weiter, und damit ist sicher auch die Notwehr inbegriffen. Wenn aus diesem alttestamentlichen Gebot eine Verneinung der Notwehr abgeleitet würde, wäre das nicht textgernäß...

... "Ihr sollt dem Bösen nicht widerstehen", und dem Zitat wegen der Ohrfeige (Bergpredigt). Ich glaube aber, daß Jesus dort gar keinen Angriff auf das Leben im Auge hat. Er hat die Feindesliebe im Auge. Das heißt, meine Liebe soll so stark sein, daß sie auch den Feind einschließt und durch das Gute zu überwinden und zu gewinnen versucht, statt durch Gewalt. Damit ist aber nicht so sehr der Feind gemeint, der mein Leben bedroht, als einfach der Feind, der mich beleidigt. Das geht ja aus der Stelle mit der Ohrfeige hervor: Es ist der Beleidiger, dem ich nicht mit der selben Waffe heimzahlen soll.Es geht um den Beleidiger. Den soll ich entwaffnen durch die stärkere Kraft meiner Liebesfähigkeit. Daß die Vertreter der Gewaltlosigkeit sich auf diese Stelle in der Bergpredigt berufen, halte ich zwar nicht für einen Irrtum, aber für eine viel zu weitgehende Folgerung aus dem, was Jesus dort meint: den persönlichen Feind, der mir Schaden zufügen will und der mich haßt. Deshalb ist diese Aufforderung nicht übertragbar auf das Problem der Notwehr...

...Liebe heiß im eigentlichen Sinne des Neuen Testaments, unter Absehung von allen sentimentalen Mißverständnissen: Schutz und Bewahrung allen Lebens, soweit dies in meinem Verantwortungsbereich liegt. Man könnte als Christ vielleicht sagen: Ich will lieber leiden, will lieber den Angriff erdulden, als daß ich Gewalt ausübe, als daß ich den Gegner vernichte, Ich könnte die Bergpredigt so auffassen. Also: Ich dulde den Angriff und nehme halt unter Umständen das Martyrium oder den Tod auf mich und habe mir damit reine Hände bewahrt...

... Ich verteidige ja nicht nur mein eigenes Leben, sondern auch das Leben meiner Nächsten. Man kann noch weitergehen und sagen: Indem ich mich wehre gegenüber dem eindeutig bösartigen Angreifer, tue ich zweierlei: Erstens verteidige ich mein eigenes Leben deshalb, weil dieses Leben ja nicht nur mir gehört, so daß ich es wegwerfen könnte, wenn ich angegriffen werde. Zum Beispiel als Pfarrer gehöre ich ja nicht nur mir selber, ich gehöre auch der Gemeinde, die mir zur Seelsorge anvertraut ist. Als Arzt gehöre ich meinen Patienten, als Lehrer meinen Schülern; ich bin nicht nur Individualperson, sondern ich bin immer irgendwie Mensch in der Gemeinschaft, und indem ich mein eigenes Leben verteidige, bewahre ich auch ein Leben vor der Vernichtung, das einen Schutz und einen Wert für andere darstellt..."

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chrisbyrd  23.07.2023, 17:43
@Mayahuel

Die anderen Aussagen von Jesus beziehen sich auf bestimmte Beispiele auf dem Gerichtswesen. In der MacArthur-Studienbibel steht dazu:

  • "Wie in V. 38 geht es hier um persönliche Vergeltung und nicht um Verbrechen oder militärische Aggression. Der Herr lehrte, dass wir in folgenden Fällen auf Vergeltung verzichten sollen: bei Angriffen gegen die eigene Würde (V. 39), bei Gerichtsprozessen zur persönlichen Bereicherung (V. 40), bei Übergriffen auf die persönliche Freiheit (V. 41), bei Verstößen gegen das Besitzrecht (V. 42). Hier soll der Jünger Jesu auf persönliche Rechte volllständig verzichten."

Ergänzung: Vers 41 bezieht sich auf das Recht römischer Soldaten, dass Juden ihnen eine Meile ihre Ausrüstung tragen müssen. Man soll bei dieser Demütigung einfach anbieten, dies sogar 2 Meilen zu tun (was man vom Recht her gar nicht müsste).

Das passt also zu dem Beispiel Deeskalation und andere Backe hinhalten und wird den römischen Soldaten bestimmt beeindruckt haben. Vielleicht hat sich das eine oder andere Gespräch daraus ergeben und die Soldaten, die statt Hass und Verachtung so etwas erlebt haben, haben sich für den Glauben an Jesus interessiert. Vielleicht...

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