Der menschenfeindlichste Philosoph ist..?

8 Antworten

Kenne direkt keinen. Missverständlicherweise wird Nietzsche und auch Dostojewski von Zeit zu Zeit sowas unterstellt. Aber nur von Menschen, die ihnen nicht folgen können oder wollen.

Wenn auch fiktive Gestalten gelten: Mephisto aus Goethes Faust - "Ich bin der Geist, der stets verneint! / Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, / Ist wert, dass es zugrunde geht" (allerdings nicht nur auf den Menschen, sondern auf Alles (möglicherweise nicht-Ewige) bezogen). Eingeschränkt dadurch, dass Mephisto kein Philo-Soph, Freund der Weisheit, war.

Leider finde ich im Moment mein Exemplar von C. S. Lewis' "Die Abschaffung des Menschen" nicht wieder, wo es um genau dieses Thema geht. Hier findet man etliche bekannte Persönlichkeiten erwähnt. U. A. Nietzsche, der den heutigen Menschen als Auslaufmodell betrachtet und aus ihm den "Übermenschen" hervorgehen lassen will (und danach den heutigen Menschen entsorgen will) - wichtig hierbei ist, dass diesem "Übermenschen" einige für Lewis essenzielle Teile des Menschen fortfallen, u. A. Schutz des Schwachen.

Aber eine einzelne Persönlichkeit zu nennen dürfte schwierig sein - wenn man sich auf "berühmte" Denker beschränkt: ab wann ist jemand "berühmt"?; wenn man nicht einschränkt: woher weiß man, ob es nicht noch jemanden gibt, der noch ein klein wenig menschenfeindlicher ist?

Im o. g. Büchlein beginnt Lewis übrigens mit zwei Amateurphilosophen (ja, ich weiß, dass dies von den Wortbedeutungen her ein Pleonasmus ist, aber Amateur geht hier in die Richtung, die "Dilettant" heute im Deutschen hat), die auf indirekte Weise dafür sorgen, dass ihre Schüler verlernen, Bewunderung / ehrfürchtiges Staunen für die Phänomene der Natur zu empfinden, was für Lewis ebenfalls ein essenzieller Bestandteil der menschlichen Natur ist.

... ganz sicher Arthur Schopenhauer - der sich selbst ganz offen als Misanthrop geoutet hatte. Er ging sogar so weit, daß er seinen Hund (den er im Restaurant sogar bei sich auf einem Stuhl an seinem Tisch sitzen ließ und ihm sogar "normales" Essen bestellte) immer dann, wenn er besonders wütend auf ihn war, mit "Du Mensch" beschimpfte.

Pyramesse27806  25.07.2022, 11:17

Es kann aber auch sein, daß Schopenhauer über das durchwachsene Wesen des Menschen und über dessen Tun und Unterlassen enttäuscht war. Denn er bezeichnete den Menschen selbst einmal als Chimäre ( Halbwesen).

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jgobond  26.07.2022, 16:54
@Pyramesse27806

es kann aber auch sein, daß da einfach nur niemand war, der seinen Schrulligkeiten Einhalt gebot. Rechtsanwälte sind da auch so Kandidaten

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Haldor  25.07.2022, 11:49

Ich muss dir beinah Recht geben. Mir sind eben gerade Schopenhauers Ausführungen über das Weltgericht eingefallen; insofern muss ich meine Bewertung weiter unten etwas relativieren: "Will man wissen, was die Menschen, moralisch betrachtet, im ganzen und allgemeinen wert sind, so betrachte man ihr Schicksal, im ganzen und allgemeinen. Dieses ist Mangel, Elend, Jammer, Qual und Tod. Die ewige Gerechtigkeit waltet: wären sie nicht, im ganzen genommen, nichtswürdig, so würde ihr Schicksal, im ganzen genommen, nicht so traurig sein. In diesem Sinne können wir sagen: die Welt selbst ist das Weltgericht..." ("Welt als Wille und Vorstellung", Bd. 4: Ethik 1)

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zetra  25.07.2022, 13:50

Schopenhauer machte auch keinen Hehl daraus, das er die Frauen verachtete.

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Waldi2007  25.07.2022, 13:54
@zetra

Sag' ich doch: Er war ein Misanthrop! Frauen sind doch auch Menschen - oder sehe ich da was falsch? ;)

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zetra  25.07.2022, 14:06
@Waldi2007

Nein, in unserer Gesellschaft stehen sie fast auf Augenhöhe mit den Männern.

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Tonis9706  25.07.2022, 21:13

Was an seinen hervorragenden Schriften nichts ändert. Gerade das ist Philosophie. Der Teil der Erkenntnis, das selbst dir unliebsame Menschen tiefreichende Gedanken hegen können.

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Schopenhauer der “menschenfeindlichste Philosoph“ kann man m.E. nicht sagen. Er war nur gegenüber den Optimisten und Fortschrittsphilosophen, z.B. Hegel, feindlich eingestellt. Deshalb überzog er Hegel auch mit den ausgesuchtesten Schimpfwörtern. Sehr negativ charakterisierte er auch den „Willen“ im Menschen, den er für von Grund auf böse hielt. Insofern könnte man vielleicht sagen, dass Schopenhauer gegenüber dem vom Willen total beherrschten Menschen feindlich eingestellt war. Mit anderen Worten: Der „Willensmensch“ war für ihn ein Hassobjekt.

Eine sehr gute Zusammenfassung der Schopenhauerphilosophie bietet „Der Standard“, Österreich: 

„Schopenhauer gilt in der Philosophie des 19. Jahrhunderts als der Modernisierer. Das Ideal vom vernunftgeleiteten Menschen verwarf er – weil er dem triebgesteuerten Menschen den freien Willen absprach und das Bewusstsein auf seine organische Grundlage zurückführte. Damit hat er im Anschluss an die Aufklärung sowohl die Sicht auf die Welt als auch die Sicht auf den Menschen radikal verändert.

Schopenhauer wurde zum Illusionszerstörer, was ihm den Ruf des ewigen Pessimisten einbrachte. Er glaubte anders als die großen Aufklärer nicht an eine Entwicklung zum Guten, an den Fortschritt der Menschheit, von deren moralischer Lernfähigkeit er nicht überzeugt war. Ein Skeptizismus, der ihn heute angesichts der Klimakatastrophe und der weltweiten Finanzkrise wieder aktuell macht.

Schopenhauers Werk gehört nicht nur zu den scharfsinnigsten Werken der Philosophiegeschichte, es ist auch gut lesbar. Mit dem Brahmanismus und Buddhismus, deren Gedanken Schopenhauer als einer der ersten Philosophen integrierte, teilte der Atheist Schopenhauer die Erkenntnis der Nichtigkeit des Erdenglücks. Der Mensch dürfe sich nicht über Tiere und Pflanzen stellen.

Sein Hauptwerk "Die Welt als Wille und Vorstellung" hat Schopenhauer schon in jungen Jahren veröffentlicht. Er stellt darin fest, dass die in den Vorstellungen der Menschen enthaltene Welt nichts anderes als eine Welt von Erscheinungen ist, über die hinaus die Erkenntnis nicht reicht. Was diese Welt zusammenhält, der "Schlüssel zum Wesen jeder Erscheinung in der Natur", das ist für Schopenhauer nicht der Geist, ein Absolutes oder Gott, sondern der Wille. Das innerste Wesen aller Erscheinungen ist für ihn ein meist unbewusster Wille, ein Drang, ein Streben, sind Triebe, Wünsche, Sehnsüchte.

Die Lösung kann aus Schopenhauers Sicht nur in einer "Verneinung des Willens zum Leben" bestehen, in einem Verzicht auf die Befriedigung von Trieben, an allererster Stelle des Geschlechtstriebs. Wunschlosigkeit breche den Bann, stoppe den Kreislauf von Leben, Leiden, Sterben und wieder Leben. Schopenhauer sieht die Aufhebung des Willens am ehesten verwirklicht bei buddhistischen Mönchen und manchen christlichen Heiligen“ (Der Standard)

Woher ich das weiß:Recherche
Pyramesse27806  29.07.2022, 17:46

Das Wollen an sich lässt sich nicht aufheben, also der Egoismus. Schopenhauer konnte diesen nicht richtig zuordnen, auch nicht in der Menge. Der Mangel an Differenzierungsvermögen zeigte sich auch bei Schopenhauer.

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Haldor  29.07.2022, 19:24
@Pyramesse27806

Das ist richtig. Mensch-sein bedeutet automatisch, einen Willen zu haben und den – auch auf Kosten anderer – durchzusetzen. Die völlige Ausschaltung des Willens gelingt nur den buddhistischen Mönchen und den christlichen Heiligen, die Schopenhauer bewunderte. Aber die dürfen nicht mehr etwas wünschen und wollen, was auf Kosten anderer geht. Deshalb geht es bei den meisten Menschen (wenn überhaupt) nur um die Dämpfung des Willens zum Leben, die das Leiden mildert.

Schopenhauer sah nur im gesteigerten Willen und damit im gesteigerten Egoismus etwas Schädliches, da dies zum eigenen Leid und zum Leiden anderer führe. Hier müsste man in der Tat mit der Kritik wegen mangelnder Differenzierung ansetzen. Mir leuchtet ein, dass, wenn die Massen der Menschen alle ihren Willen mit großer Energie steigern, um ein anvisiertes Ziel zu erreichen, diese Steigerung mit Konkurrenz und damit auch mit Leid verbunden ist. Denn viele gehen dabei leer aus. Aber viele schaffen es auch und sind also Gewinner und damit glücklich. Doch hier setzt Schopenhauers pessimistische These an, dass es Glück auf Erden nicht gibt und wenn, dann nur in flüchtiger Form, die rasch dahin ist. Denn unmittelbar nach dem Glücksereignis beginnt wieder der Jammer des Unglücks, des Leidens, da man sich neue Ziele setzen muss oder neue Ziele gesetzt bekommt, deren Erreichen erneut mit Stress, Anspannung, Anstrengung und Angst vor dem Scheitern verbunden ist. Dann sagt er auch, die Glücklichen ziehen an uns nur in der Ferne vorüber; man erkennt nur den äußeren Glanz bzw. den Schein. Geht man näher heran, sieht man auch bei den scheinbar Glücklichen das Leiden (in Gestalt von Stress, Maloche, Anstrengung und Angst vorm Scheitern).

Ganz ausgeschlossen hat es Schopenhauer übrigens nicht, dass es wirklich Glückliche gibt, aber nur gaanz, gaanz selten gäbe es sie.

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Pyramesse27806  29.07.2022, 20:29
@Haldor

Man kann alles Mögliche und Unmögliche begehren, so läßt sich das Wollen, welches auch immer, unmöglich pauschalisieren. Auch im Hinblick auf das Wieviel. Davon kann sich niemand befreien, gerade wenn es um Grundbedürfnisse geht. Solche Verallgemeinerungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Philosophie und sind in der Regel falsch.

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Ich kenne ehrlich gesagt nicht so viele - zumindest was die angeht, die ich als menschenfeindlich beschreiben würde - aber von denen, die ich kenne, ist es Friedrich Nietzsche. Er hat Thesen vertreten, die stark an Eugenik erinnern und sich im Nationalsozialismus wiederfinden.

Tonis9706  28.07.2022, 12:13

Nietzsche hat sowohl den Sozialismus als auch den Nationalismus angefeindet, wo es nur irgendwo möglich war.

Um aus Nietzsche einen Nationalsozialist zu machen, muss man eine gänzlich neue Person erfinden. LG

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