Leben wir im gelobten Land?
Hallo
man hört ja immer mal wieder, dass bei uns alles nur ausnahmslos perfekt ist, während überall anders alles ganz schlimm ist.
Selten dabei erwähnt wird, dass in den meisten Staaten der Welt die Durchschnittsarbeitszeit auch irgendwo bei 40 Stunden (teilweise bisschen mehr wie ca. 45 Stunden) in der Woche liegt (dass die Leute wo 70 Stunden pro Woche arbeiten sind genau wie bei uns Ausnahmen), und dass man genau wie bei uns auch etwa ein Drittel eines Vollzeiteinkommens für die Miete ausgeben muss.
Es wird so getan, als wäre alles super bei uns. Aber in Wahrheit gibt es auch bei uns jede Menge wirklich richtig schlechte Jobs wo man für unter 10€ pro Stunde arbeitet, und selbst bei Vollzeitarbeit nicht viel Geld hat, welches über die Fixausgaben (Miete, Essen, Strom, Wasser, Versicherungen) hinausgeht und man frei zur Verfügung hat.
Man verhungert bei uns nicht, aber in den meisten anderen Staaten der Welt verhungert man auch nicht.
Ich habe mir mal allerhand Statistiken über alle möglichen Staaten angeschaut, in den meisten Fällen ist es so, dass von einem Vollzeitgehalt etwa die Hälfte bis zwei Drittel für das Lebensnotwendige bzw die Fixausgaben draufgehen, dass man für ein Haus etwa 30-40 Jahre arbeiten muss und dass man eben 40 Stunden Standardarbeitszeit hat.
Mir ist schon klar, dass bei uns beispielsweise die Straßen in besseren Zustand sind wie anderorts oder dass bei uns schon weniger Fließbandarbeit erledigt werden muss wie in vielen anderen Staaten oder allgemein der Wohlstand schon spürbar höher ist.
Aber der Unterschied ist längst nicht so extrem wie immer dargestellt. Es ist definitiv nicht der Fall, dass wir im gelobten Land leben, wo alles super ist, während überall sonst auf der Welt das Leben ganz hart ist.
Viel eher kommt es unter anderem auf den Beruf an, sowohl einem deutschen Arzt als einem Arzt im Iran geht es gut und er kann einen hohen Lebensstandard haben, während es einem Fließbandarbeiter bei uns genauso dreckig geht wie einem Fließbandarbeiter irgendwo in einem Entwicklungsland. Also die Abstufung zwischen den Berufen ist höher als zwischen den Staaten.
man hört ja immer mal wieder, dass bei uns alles nur ausnahmslos perfekt ist, während überall anders alles ganz schlimm ist.
Wo hört man das?
das wird immer und überall behauptet, meistens von Leuten die selbst eh nicht am Hungertuch nagen und fordern, dass wir Geld in alle Welt verschenken
8 Antworten
Deutschland ist bestimmt kein Paradies, aber im Vergleich zu vielen anderen Ländern schon. Nicht umsonst haben wir seit 2015 ein paar Millionen "Neubürger" dazubekommen. Und die sind bestimmt nicht wegen dem schönen Wetter gekommen oder weil ihnen der Kölner Dom so gut gefällt.
Im Gegensatz zu den meisten Ländern auf dieser Welt entscheidet bei uns nicht der Kontostand darüber, ob man medizinisch behandelt wird. Und mit unseren üppigen Sozialleistungen fürs Nixtun sind wir weltweit auch eher die große Ausnahme als die Regel. Insofern ist Deutschland für die allermeisten Menschen auf dieser Erde ein gelobtes Land.
Für die unterste Schicht einschließlich der Zuwanderer und die höchste Schicht ist es das gelobte Land. Alle dazwischen müssen die ganz oben und die ganz unten finanzieren. Deutschland lebt nur noch von der Substanz. Wenn es so weitergeht, dauert es keine 20 Jahre mehr, bis hier alles zusammen bricht. Wir sind jetzt schon in ganz vielen Bereichen Schlusslicht der EU.
Hast du überhaupt eine Ahnung, wie gut man als Fließbandarbeiter in Deutschland verdient? Gerade im Schichtsystem mit Nachtzulagen?
Daimler Truck AG: Ø 46.600 € jährlich (3.883 €/Monat), mit Spanne 31.700 €–75.500 €
MAN Truck & Bus SE: Ø 42.000 €, Spanne 32.700–51.200 €
Schmitz Cargobull: Ø 43.500 €, Spanne 35.100–51.900 €
Kununu gibt ein durchschnittliches Jahresbrutto von rund 34.300 € (2.858 €/Monat) an, mit Streuung zwischen 23.700 €–50.500 €
Klar, wenn man als Leiharbeiter arbeitet, dann gibt es oft nur knapp mehr als Mindestlohn, aber das System Leiharbeit gehört meiner Meinung nach eh abgeschafft.
Wir Deutschen neigen zum Pessimusmus, und jammern scheint ein Merkmal der deutschen Kultur zu sein.
Am schlimmsten sind die, die ausser im All Incl in der Türkei und im Ballermann nie in anderen Ländern waren und überhaupt keine Ahnung haben, wie die Lebens- und Arbeitsbedingungen dort sind.
Was die Arbeit angeht, da stehen wir tatsächlich ziemlich gut da: Hoher Urlaubsanspruch, niedrige Arbeitszeiten, hoher Mindestlohn.
Natürlich sind auch die Lebenshaltungskosten, die Mieten teurer, aber die Realität ist komplizierter, unsere Ansprüche sind auch hoch.
Beispiele: In Italien und Frankreich sind die Löhne niedriger, aber die Lebensmittelpreise deutlich höher. Aber mehr Leute leben in Eigentum, zahlen keine Miete. Aber: die Qualität der Wohnungen und Häuser ist oft sehr einfach, wir sind da Perfektionisten, haben Bauvorschriften die alles teurer machen aber auch hohe Ansprüche an Komfort: Unterkellerung, Ausstattung der Bäder, der Fenster und Türen usw.
Beispiel Polen: Ich war letztes Jahr in Warschau. Sauberer, besserer ÖPNV, bessere Strassen, besserer Service in der Gastronomie wie bei uns, Preise fast wie bei uns, Mindestlohn 7 Euro, halb so hoch. Da fragt man sich, "wie machen die das ?"
Antwort: die Niedrigverdiener teilen sich eine 30 qm Wohnung in den Plattenbauten die dort noch stehen. Moderne Neubauviertel sehen so aus wie bei uns, aber sind auch genauso teuer.
Es gibt aber auch Dinge die man bei uns zu Recht kritisieren kann: Zustand der Strassen und Brücken, da ist Jahrzehnte lang soviel gespart worden. Netzabdeckung im Mobilfunk: da hat man die Telekom Unternehmen horrende Netzgebühren zahlen lassen die den Ausbau dann zu teuer gemacht haben. Und da wo es wenig Engpässe gibt, beim schnellen Internet, da verschwendet man Milliarden nur um das Medium Glasfaser einzuführen, das nur wenige Vorteile bringt für Wohnungen die sowieso über schnelles DSL angebunden sind.
Was ich am meisten kritisiere bei uns: Sauberkeit, Pappbecher, Kippen, Plastiktüten, Flaschen, der öffentliche Bereich in den Städten ist zugemüllt, immer mehr Geld für Nicht-Arbeitende Bürgergeldempfänger aber die Gemeinden haben kein Geld um die Reinigung zu bezahlen, (und z.B. um das Rauchen an Bahnhöfen zu unterbinden)
Fazit: nicht alles super .. aber anderswo ist das Gras auch nicht grüner.
,,man hört ja immer mal wieder, dass bei uns alles nur ausnahmslos perfekt ist, "
Dann hast Du die vielen Kritiker und Nörgler übersehen, von denen es traditionell nicht wenige gibt.
,,Leben wir im gelobten Land?"Nein.
Aber es gibt für die meisten sicher Gründe, weitgehend zufrieden zu sein.