Ist das moralisch vertretbar?
Hallo zusammen,
Ich bin Bundespolizist am Flughafen Frankfurt am Main.
Mein Aufgabenschwerpunkt liegt in der grenzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung. D.h. Ich kontrolliere Personen, die aus dem Schengenraum ein- oder ausreisen.
Worum sich die Frage dreht, sind Menschen, denen in irgendeiner Form Asyl oder Schutz gewährt wurde, die aber dennoch in ihren Verfolgerstaat reisen. Zu erkennen an den Boardkarten, die ich mir vorlegen lasse, wenn ich sehe, dass sie einen sogenannten humanitären Aufenthaltstitel haben oder an den Stempeln in ihrem Pass oder Reiseausweis.
Viele von euch dürften die aktuelle Debatte nach dem Anschlag in Solingen mitbekommen haben. BM'in Faeser und BM Buschmann haben angekündigt, dass Reisen in den Verfolgerstaat konsequent eine Rücknahme von Asyl zur Folge haben sollen.
Meine Meinung nach eine komische Aussage, denn wir als Bundespolizei verfolgen und dokumentieren dies seit Jahren, aber letztlich liegt dies in der Gewalt und Zuständigkeit der Ausländerbehörden und des BAMF.
Viele meiner Kollegen schreiben keine Erkenntnismitteilungen bei Reisen in den Verfolgerstaat, weil sie der Auffassung sind, dass es eh nichts bringt und dies verschwendete Zeit sei. Schließlich ersticken wir so schon in Arbeit. Unrecht haben sie nicht.
Ich persönliche schreibe dennoch konsequent und in jedem Fall, weil mich das persönlich stört. Menschen kommen, schildern ein offensichtlich erfundenes Verfolgungsschicksal, kriegen staatliche Unterstützung für sich und alle Familienmitglieder (inklv. Recht auf privilegierten Familiennachzug, d.h. der deutsche Staat zahlt alles, auch die notwendige größere Wohnung) und machen danach Urlaub in ihrem Verfolgerstaat. Für mich persönlich ist das einfach nur Betrug. Menschen, die Einwanderungsvoraussetzungen umgehen, in dem sie einfach ein Verfolgungsschicksal mündlich schildern, was nicht mal belegt ist.
Es gibt aber auch Fälle, wo ich mich im Nachhinein gefragt habe, ob das, was ich tue moralisch vertretbar ist.
Fall 1:
Ein Iraner, 40 Jahre, arbeitet als Busfahrer, Flüchtling gem. GFK (§ 25 (2) 1.Alt AufenthaltsG i.V.m. § 3 AsylG/höchste Form des Schutzes, verleiht die meisten Rechte)
Besitzt einen blauen Reiseausweis für Flüchtlinge mit dem Hinweis (PERSONALIEN BERUHEN AUF EIGENEN ANGABEN DES ANTRAGSTELLERS), ausgestellt von einer deutschen Behörde.
Legt mir eine Boardkarte mit dem Flugziel Teheran vor. Dazu einen iranischen Reisepass. Darin andere Personalien, als in seinem blauen Reiseausweis. Diesen Pass durfte er gar nicht besitzen, denn d.H. er hat sich freiwillig mit den Behörden des Staates in Verbindung gesetzt, die ihn eigentlich Verfolgen (Unterschutzstellung gem. § 73 Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Noch dazu hat er bei seinem Asylantrag über seine Identität getäuscht.
Als ich ihm im strengen Ton erklärt habe, dass ich ihn der zuständigen Ausländerbehörde und dem BAMF melden werde und dass seine Reise in den Verfolgerstaat unzulässig ist, sagte er, dass sein Vater gestorben sei und er keine Wahl habe.
Ich habe ihn gemeldet.
Fall 2: Iranerin, ca. 50 Jahre. Subsidiär Schutzberechtigt siehe § 4 AsylG. Seit ca. 5 Jahren. Arbeitet in Deutschland als Ärztin(!). Auch sie flog in den Iran. Als ich ihr die Problematik schilderte, sagte sie, dass sie damals geflohen sei aufgrund von "politischen Problemen" im Iran, aber diese Probleme hätte sie heute nicht mehr. Ein Widerrufsgrund.
Auch sie habe ich gemeldet.
Nur zwei Fälle von sehr vielen.
Heute frage ich mich, ob langfristig moralisch vertretbar ist. Einerseits bin ich es den Menschen in diesem Land schuldig, dass ich geltendes Recht konsequent ohne persönliche Meinung und Wertung durchsetze. Anderseits frage ich mich, ob ich damit nicht den falschen Schade. Hat der Busfahrer, die Ärztin oder die auszubildende Arzthelferin es wirklich verdient, dass man ihr aufgrund einer Reise ins Heimatland das Leben in Deutschland schwer macht?
13 Stimmen
5 Antworten
Es tut mir leid, aber alles kann ich nicht durchdenken und durchlesen.
Dein Beruf ist, Leute zu kontrolieren und gegebenenfalls zu melden. Und das musst du schon korrekt ausüben, sonst bist du den Job los. Da wäre ich mir näher, als einer, der erst Schutz gesucht hat, und dann wieder zurückreist wegen Besuch.
Wenn du Ermessensspielraum hast, wäre ich bei der dir zum Schluss genannten Berufsbilder grosszügig zugunsten der Menschen, die ihr Land besuchen: Busfaher, Ärztin, Azubi- Arzthelferin - merkst du was?????
wenn du Ermessenspielraum hast, zeigt das doch, dass du dich im juristisch korreken Rahmen bewegst. So habe ich das geschrieben. Vord em gesetz sind nicht alle gleich, das ist so oder ein Irrtum. Sonst würde es nicht diverse ähnliche Fälle, manchmal die gleichen, wo das eine Gericht so entscheidet, ein andres anders Usw,. Du bist derjenige, der das interpretiert - sofern bei dir dieser Spielraum vorliegt.
Ein Polizst darf per Gesetz alle kontrollieren, aber überwiegend sind es Farbige oder junge ungepflegte Männer, die kontrolliert werden. Da fängt das an, und zieht sich hin bis zu - bei Strafdelikten - in die gerichte durch. Auch wenn man sich in Dtld. ecxtrem Mühe gibt. Du solltest das Buch: "Farm der Tiere" lesen: alle sind gleich, aber manche sind gleicher...:-).
Es gibt immer wieder Situationen, die Menschen gewollt oder ungewollt in solche Situationen bringen. Den Mut zur Flucht können nicht alle Menschen fassen. Viele Menschen, die ihr Leben hinter sich lassen, lassen auch Menschen zurück. Flüchtlinge, die in ihr Heimatland zurückreisen, gehen immer erhebliche Risiken ein. Hier wird zwischen moralischen Verpflichtungen, bspw. gegenüber Familie und Freunden und Inhaftierungsrisiko, abgewogen.
Personen, die in Deutschland geboren wurden und leben und noch nie langfristig einen Wohnsitz außerhalb des europäischen Auslandes hatten, können nicht nachvollziehen, was es bedeutet, nicht in einem sicheren Rechtsstaat zu leben.
Es fliehen auch viele die durch ihr Verhalten schon problematisch aufgefallen sind in ihrem Heimat oder Nachbarland!
Denen sozusagen der Boden unter den Füssen zu heiß geworden ist!
Es ist für mich recht einfach: Das Asylrecht gilt für Verfolgte und nicht als Hintertür für Glücksritter und Wirtschaftsflüchtlinge. Als deutscher Grundsicherungs-Rentner oder Arbeisloser gilt auch nicht die Art von Freizügigkeit (z.B. innerhalb der EU) wie für wohlhabende Pensionäre oder Arbeitnehmer und Selbständige. Es gibt durchaus auch Staaten die für arme Deutsche attraktiver wären bezüglich Sozialleistungen und Löhnen. Nur Deutschen glaubt kein Staat dass sie verfolgt werden. Deshalb sind unsere eigenen Armen hier in ihrem Schicksal gefangen und können nicht in der Schweiz oder Norwegen ein neues Leben aufbauen und erstmal ein paar Jahre dort im Sozialsystem verbringen bevor sie Arbeit finden. In Deutschland kann man sich auf diese Art aber ein besseres Leben aufbauen als es in der Heimat erreichbar ist. Aber dafür ist das Asylrecht eben nicht gedacht. Daneben sollte es legale Formen der Migration von Fachkräften geben ohne dafür das Asylrecht zu missbrauchen und zu lügen.
Der Zusammenhang, der hier geschlossen werden soll, baut nicht auf Logik auf.
Ich finde schon, dass du deine Arbeit machen musst.
Die Gründe für ihr Vorgehen müssen die entsprechenden Personen mit den Behörden ausmachen.
Ausserdem sind sowieso alle fast nur subsidär geduldet.
Dass (anerkannte) Asylanten in Heimatland Urlaub machen gibt es schon seit langem. Von 2026 bis 20ww habe ich in Integrationskursen (Vom BNMF finanzierte Deutschkurse für Flüchtlinge und andere Einwanderer) unterrichtet.
Meine persönliche Meinung ist, dass Leute, die hier Arbeit gefunden haben, auhierbleiben sollten, wenn sie wollen, und zwar nicht als Flüchtlinge sondern zugewanderte Arbeitskräfte.
Für die Ärztin aus dem Iran wäre es sicherlich nicht einfach als hochqualifizierte berufstätige Frau im Iran zu leben. Es gäbe wahrschieinlich immer wieder Anfeindungen, evtl. könnte auch irh Leben bedroht. Es gibt auch im Iran genug irrsinnige Idioten, die möglicherweise auf die Idee kommen könnten, diese Frau umzubringen.
Dass das absolute Mangelberufe sind, ist mir bewusst, aber stehen diese Leute deswegen über dem Gesetz? Macht sie das besser als den arbeitslosen Flüchtling? Vor dem Gesetz sind wir alle gleich.