Wie findet ihr den Umgang der katholischen Kirche mit sexuellem Missbrauch durch ihre Geistlichen?

21 Antworten

Das so etwas vorkommt ist erschreckend und schlimm, aber zumindest unter Franziskus hat das Thema Transparenz und Aufarbeitung sehr wesentliche Fortschritte gemacht. Was ich aber erstaunlich finde, ist die Tatsache, dass die Quote an staatlichen Einrichtungen praktisch identisch ist wie die in kirchlichen, aber fast immer nur über die Kirche geredet wird. Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Gesellschaft die gesamte Tragweite dieser verbrecherischen Taten nicht wahrhaben möchte und es gerne ausschließlich auf die Kirche projiziert, als würde es dadurch verschwinden. Und letztlich muss man sagen, dass es hunderte von Fällen gibt, in denen in Deutschland auch die staatlichen Schulen Lehrer gedeckt und durch Versetzung gemaßregelt haben, anstatt die Aufklärung angemessen zu unterstützen. Mein Eindruck ist: Die Perversen und Verbrecher auf allen Seiten tun sich nicht sehr viel.

Mir fehlt etwas: Die Kirche müsste doch die böse Tat verurteilen und darauf hinweisen, dass jeder sich vor Gott zu verantworten hat.

Ich möchte nicht wissen, was Gott einmal zu den Priestern sagen wird, die Kinder sexuell missbraucht haben. Daran zu denken erschreckt mich.

Mir fehlt zuviel Hintergrundwissen zur Aufarbeitung der Themen durch die Kirche. Deine Frage ist ja: Wie findet Ihr den Umgang...etc.

An machen Stellen sehr konsequent...offen und ehrlich Ergebnis-Orientiert.

An anderen Stellen leider gefühlt zu wenig transparent...zumindest erweckt es bei mir den Eindruck dass hier gemauert wird. Und das halte ich für falsch.

Das positive ist, das wir in einer Gesellschaft und einem Land leben: In dem die Öffentlichkeit den Finger in die Wunde legen darf. Die offen auf Missstände in der Kirche zeigt und damit die Aufklärung erst angestoßen hat.

Das ist der Nachteil an anderen Glaubensgemeinschaften. Missbrauch ist immer falsch. Ob in der christlichen Kirche oder in Koranschulen. Geben tut es das leider überall.

Nur: In D wird zumindest immer wieder zur Aufarbeitung gedrängt. Ob das dann passiert..steht auf einem anderen Blatt.

wolfruprecht  11.09.2020, 00:03
Die offen auf Missstände in der Kirche zeigt und damit die Aufklärung erst angestoßen hat.

Interessanterweise war es die Kirche selbst, die die Missstände öffentlich gemacht hat (Jesuitenkolleg in Berlin). Ich glaube, wenn das damals nicht geschehen wäre, hätte es noch sehr viel länger gedauert, bis das überhaupt ein Thema hierzulande geworden wäre. Andere, nicht katholische Institutionen tun sich offenbar noch sehr schwer damit, denn der sexuelle Missbrauch von Kindern und anderen Schutzbefohlenen kommt überall vor, in allen Schichten der Gesellschaft. Das wird oft genug vergessen.

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Mitte Juli veröffentlichte die Glaubenskongregation – die ehemalige Inquisitionsbehörde des Kirchenstaats – einen "Leitfaden", der dazu gedacht sein soll, Bischöfen und Ordensoberen praktische Hinweise in die Hand zu geben, wie sie mit Missbrauchsfällen in der Kirche umgehen sollten sowie zur Orientierung bei kirchlichen Gerichtsverfahren.

Er geht auf entsprechende Forderungen im Zuge des sogenannten "Kinderschutz-Gipfels" vor knapp anderthalb Jahren zurück, der angekündigte konkrete Maßnahmen damals schuldig blieb.

Wer jetzt anerkennend feststellen möchte, dass der Vatikan endlich seinen Versprechen Taten folgen lässt, sollte sich nicht zu früh freuen. Denn das gesamte Dokument bezieht sich ausschließlich auf kanonisches Recht, also auf die kircheneigene Paralleljustiz.

Der Tenor der gesamten Handlungsanweisung ähnelt dabei verdächtig der altbekannten Masche, das Ganze tunlichst innerhalb der Kirchenmauern zu halten.

Im Einzelnen wird in neun Kapiteln unter anderem erklärt, was eine Straftat ist, was bei Kenntnisnahme zu tun ist, wie eine Voruntersuchung durchzuführen ist und welche Verfahren und Entscheidungen innerhalb eines kirchlichen Prozesses möglich sind.

Schon ein Satz ganz zu Beginn offenbart einen Grundsatzfehler katholischen Denkens, der trotz einer langen Geschichte von Erklärungsversuchen immer noch da ist.

Die Rede ist vom Selbstverständnis der RKK, dass "jedes dieser Delikte für die ganze Kirche eine tiefe und schmerzhafte Wunde" darstelle, "die der Heilung bedarf".

Nach wie besteht hier also eine völlig deplatzierte Haltung darüber, wer der Geschädigte von Missbrauch ist! Die Gemeinschaft der alten Herren offenbart einmal mehr, dass eben nicht der Opferschutz der "zentrale Punkt" ist, sondern die Schadensbegrenzung für die Organisation der Täter!

Der Blickwinkel ist noch immer der gleiche wie im Mittelalter – und nach wie vor der falsche.

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Die Position der Evangelischen Kirche zu Missbrauchsfälle aus ihren Reihen ist nicht besser.

Eine Betroffene von ihnen äußerte sich kritisch dazu im DLF: Kerstin Claus hat sexuelle Gewalt in der evangelischen Kirche erlebt und gehört dem "Betroffenenrat" des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM) an. Sie hatte von ihren schlimmen Erfahrungen berichtet. "Diese Studien, die jetzt in Auftrag gegeben werden, helfen hier und heute den Betroffenen (…) erst mal überhaupt nicht." Sie seien eine Analyse von Problemlagen, aber keine Problemlösungen. "Studien sind keine Aufarbeitung und sie ersetzen keine Aufarbeitung."

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Auch die Moslems sollten mal vor ihrer Haustüre kehren: siehe u. a. https://apnews.com/8fe530dc76beb1893b3b52af88cf99dd

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Das Schlimme bei der ganzen Sache:

Ihre Götter schauen desinteressiert zu. Nie wird, auch von den anständigen Gläubigen nicht, gefragt, wo ihr Gott bei diesen Sauereien ist!

wolfruprecht  11.09.2020, 00:11
Ihre Götter schauen desinteressiert zu. Nie wird, auch von den anständigen Gläubigen nicht, gefragt, wo ihr Gott bei diesen Sauereien ist!

Wie stellst du dir das vor? So einen Blitz vom Himmel schleudern? Oder die Erde aufteißen, um die Übeltäter zu verschlingen? Und wenn wir nur so eine Art von Marionetten wären, wäre sogar der alte Herr etc. dafür verantwortlich....

Es ist nicht Gott, der das verbrochen hat, es sind schon die Menschen selbst, die das tun. Da nutzt es nichts, auf einen (vermeintlich imaginären) Gott zornig zu sein, ganz gleich, ob man selbst an so jemanden oder sowas glaubt oder nicht.

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666Phoenix  11.09.2020, 05:58
@wolfruprecht

Ich, verehrter Freund, bin nicht zornig auf etwas, das nicht existiert!

Ich bin zutiefst erstaunt, dass erwachsene, eigentlich des Denkens fähige Leute alles Schöne ihrem Gott zuschreiben, aber mit göttlich verkleisterten Äuglein sich von ihrem himmlischen Popanz abwenden, wenn der seiner "Schöpfung" zusieht, wie sie sich selbst vernichtet. Das nenne ich seitens der Leute "religiösen Wahnsinn" und seitens dieses komischen Gottes puren "Sadismus"!

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wolfruprecht  11.09.2020, 11:28
@666Phoenix

Da hast du schon recht: Intelligenz schützt nicht vor Naivität. Auch naive Vorstellungen einer immateriellen personalen Intelligenz, die die Entstehung des Universums aus dem "Nichts" ermöglicht, finden sich unter den Befürwortern dieser Intelligenz (= Theisten) als auch unter deren Gegnern (= Atheisten). Die schöpferischen Ergebnisse dieser Intelligenz sind entweder determiniert und somit ohne freie Entscheidung und persönlicher Verantwortung, oder nicht determiniert und unbestimmt. Damit ist die freie Wahl möglich und freiwillig beschränkt durch diese "göttliche Instanz" (oder wie auch immer du diesen "imaginären Freund" nennen magst). Aber du hast recht: Diese weit verbreitete Naivität auch unter sonst des Denkens fähigen Zeitgenossen ist schon erstaunlich.

(Ich vermute mal, du weißt, dass ich praktizierender und — zumindest in Bezug auf mich — überzeugter Katholik bin. 😁)

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666Phoenix  11.09.2020, 12:16
@wolfruprecht

Wenn du nicht nur "praktizierender", sondern auch noch intelligenter Katholik bist, wüsstest du, dass "Atheisten" keine "Gegner" der Theisten sind!

Befürworter einer ""Intelligenz", die eine "Entstehung" von irgendwas aus einem "Nichts" befürworten, haben mit jedweder "Intelligenz" nichts zu tun!

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wolfruprecht  11.09.2020, 13:19
@666Phoenix

Das mit den "Gegnern" ist vielleicht nicht so optimal formuliert. Für mich sind Atheisten grundsätzlich eher Partner als "Gegner". Oder anders formuliert: Ich schätze deren Einwände und Gegenargumente sehr, wirklich!

Eine Ausnahme davon sind so kämpferische fundamentalistische Atheisten. Aber fundamentalistische Theisten oder Fanatiker sind ja auch äußerst unangenehme Zeitgenossen und für einen fruchtbaren Dialog nicht geeignet.

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Lasch, aber natürlich typisch Religion. Das passt wunderbar zur bisherigen Handlungsweise.