Was sind die Hintergründe des russischen Angriffs auf die Ukraine?

7 Antworten

Putin hat zwei Probleme.

Das erste liegt darin, dass er sich nicht damit abfinden kann, dass Russland seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 keine Supermacht mehr ist, sondern nur noch eine Regionalmacht unter vielen. Er möchte so gerne Chef einer Weltmacht sein, wie es früher die Führer der Sowjetunion waren und eine bedeutende Rolle als Weltpolitiker auf Augenhöhe mit dem amerikanischen und chinesischen Präsidenten spielen. Zu gerne möchte er in den Geschichtsbüchern in einem Atemzug mit den Zaren und Stalin als ein Vergrößerer des russischen Imperiums genannt werden. Das Problem ist jedoch, dass ihm völlig der Hintergrund fehlt und ihn keiner in dieser Rolle ernst nimmt.

Russland hat nur rund 144 Millionen Einwohner, also weniger als Deutschland und Frankreich zusammen. Selbst Nigeria hat mehr Einwohner. Deren Wirtschaftsleistung ist schwächer als die von Deutschland, Frankreich, Italien oder selbst Südkorea. Dennoch möchten sie gerne als Weltmacht auftreten wie zu Sowjetzeiten, obwohl sie sich das eigentlich gar nicht leisten können und schon lange nicht mehr sind. Deshalb ist deren Armee zwar zahlenmäßig groß, aber technisch weitgehend völlig veraltet und nur beschränkt einsatzfähig. Für die Ukraine wird es gerade so reichen.

Russland hat fast ausschließlich eine Primärwirtschaft wie ein Entwicklungsland. Die lebt vor allem vom Rohstoffexport, also vom Öl und Gas. Und was da reinkommt, teilt die Clique um Putin unter sich auf. Viel kommt davon nicht bei der einfachen Bevölkerung an und viel wird auch nicht in die Entwicklung von Infrastruktur und Wirtschaftsentwicklung gesteckt. Technologisch und wissenschaftlich ist Russland inzwischen ebenfalls fast zu einem Entwicklungsland verkommen. Viele Russen sind aber zu blöd, um das zu erkennen. Die sehen in Putin die Lösung des Problems obwohl er selber der größte Teil dieses Problems ist, denn bei der Entwicklung der Wirtschaft Russlands hat Putin völlig versagt.

Das zweite Problem, das Putin hat, liegt darin, dass er an der Macht hängt und gegen jegliche Bedrohung seiner Macht brutal vorgeht und dabei auch nicht vor Mord und Krieg zurückschreckt. Eine große Bedrohung stellt dabei tatsächlich die Ukraine dar, denn dort herrscht Demokratie und die wirtschaftliche Entwicklung verläuft deutlich besser als in Russland. Wenn aber nun die Menschen in Russland sehen, dass es der Ukraine mit Freiheit, Demokratie und einer Westorientierung viel besser geht als den Russen, lässt das langsam Widerstand in Russland gegen den Diktator und Kleptokraten (Diktator, der sein eigenes Land ausraubt) Putin wachsen. Was passieren kann, wenn zwei Nachbarn mit einer gemeinsamen Vergangenheit nebeneinander leben, und der eine hat Demokratie und Wohlstand und der andere eine Diktatur und Mangelwirtschaft, hat man 1989 in Deutschland gesehen. Da waren die Verhältnisse zwischen BRD und DDR ähnlich. Dann hat das Volk in der DDR deshalb aufgemuckt und ihre Diktatur weggefegt. Das hat Putin hautnah miterlebt, denn zu der Zeit war er in Dresden stationiert.

Nun dachte Putin, er kann mit einer Eroberung der Ukraine beide Probleme mit einem Schlag lösen. Ob ihm das aber gelingt, bleibt abzuwarten. Ich habe da aus verschiedenen Gründen mehr und mehr Zweifel.

Putins Großmachtphantasien

Offenbart hat er dies bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007. Dies markierte eine Zäsur in Russlands Außenpolitik sowie die Abkehr von bisheriger Zusammenarbeit mit dem Westen.

Transnistrien, völkerrechtlich Teil Moldawiens, ist bereits seit 1992 militärisch und wirtschaftlich von Russland abhängig. Diese De-facto-Annexion durch Russland besteht bis heute – entgegen internationalen Vereinbarungen.

2008 greift Putin auf Seiten der Separatisten in Georgien ein und annektiert faktisch georgisches Staatsgebiet durch die dauerhafte Stationierung russischer Truppen in den nicht anerkannten Gebieten Abchasien und Südossetien.

2014 annektiert Russland die Krim. Mit den sogenannten „grünen Männchen“ – Soldaten ohne Hoheitsabzeichen – übernimmt Russland handstreichartig die Halbinsel, die völkerrechtlich zur Ukraine gehört.

Russland unterhält seit 1992 Militärbasen in Armenien und hat mehrfach auf dessen Seite im Konflikt gegen Aserbaidschan eingegriffen. Seit 2024 ignoriert Moskau Armeniens Wunsch, die russischen Truppen abzuziehen.

Die letzte totale Eskalation ist der Überfall auf die Ukraine 2022. Nach der Annexion der Krim förderte Russland, wie zuvor in anderen Staaten, separatistische Bewegungen, was zum Krieg im Donbass führte.

Wie so oft nutzt Putin das Argument, Russen schützen zu müssen, um militärisch zu intervenieren.

Putin bezeichnete den Zusammenbruch der Sowjetunion als „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts.

Den baltischen Staaten sprach er bereits das Existenzrecht ab.

Zusätzlich destabilisiert und beeinflusst Russland seit langer Zeit zahlreiche Länder in seiner Einflusszone – mittels Propaganda, gezielter Desinformation, Botfabriken und Cyberangriffen.

Betrachtet man diese Entwicklungen im Gesamtbild, wird deutlich: Putin verfolgt eine Strategie zur Wiederherstellung russischer Kontrolle über die ehemaligen Sowjetstaaten – unabhängig davon, ob diese Teil Russlands sein wollen oder nicht.

Russland fühlt sich isoliert. Es wollte damals in die NATO, wurde aber abgewiesen.


Die Hintergründe des russischen Militäreinsatzes gegen die Ukraine im Februar 2022 sind komplexer als das übliche mediale Narrative Gerede von einem "irrationalen Angriffskrieg“ eines "imperialen Putin“ glauben machen will. Um das Geschehen zu verstehen, muss man Jahrzehnte an geopolitischen Entwicklungen, ideologischer Strategie und militärischer Eskalation analysieren – darunter vor allem: NATO-Osterweiterung, die Rolle des Westens im postsowjetischen Raum, die systematische Destabilisierung der Ukraine seit 2004 und der offene Bruch des Minsker Friedensprozesses, sprich MINSK II

Zahlreiche westliche Politiker und Geheimdienstakteure – darunter auch der ehemalige CIA-Direktor Robert Gates und der US-Diplomat George F. Kennan – warnten frühzeitig, dass die Ausweitung der NATO nach Osten "ein fataler Fehler“ sei, der Russland provozieren werde. Der letzte sowjetische Präsident Michail Gorbatschow erhielt 1990–91 mündliche Zusagen, dass sich die NATO "keinen Zentimeter nach Osten“ ausdehnen werde. Dennoch folgten ab 1999 fünf Erweiterungsrunden – 2004 mit dem Beitritt der baltischen Staaten und 2008 die berüchtigte NATO-Erklärung von Bukarest, die der Ukraine und Georgien den Beitritt in Aussicht stellte.

Stephen Walt, Professor für Internationale Beziehungen an der Harvard University, nannte diese Strategie "eine bewusste Missachtung russischer Sicherheitsinteressen“ (Foreign Policy, 2015). Die RAND Corporation, ein einflussreicher Think Tank der US-Regierung, veröffentlichte 2019 eine Studie mit dem Titel Overextending and Unbalancing Russia, in der unter anderem eine forcierte Einbindung der Ukraine als Mittel zur strategischen Schwächung Moskaus empfohlen wurde.

Im Februar 2014 wurde Präsident Wiktor Janukovitsch dann unter Bruch der ukrainischen Verfassung abgesetzt – d.h ohne ordentliches Amtsenthebungsverfahren usw. Westliche Akteure wie Victoria Nuland (US-Außenministerium) und Geoffrey Pyatt (US-Botschafter in Kiew) waren nachweislich in die Auswahl der neuen Übergangsregierung involviert ("Yats is the guy“ – abgehörtes Telefongespräch). Parallel wurden nationalistische Gruppierungen wie der „Rechte Sektor“ und die Partei "Swoboda“ in die neue Regierung eingebunden.

Die Folge war eine rapide Entdemokratisierung, verbunden mit der Verabschiedung eines Sprachengesetzes gegen Russischsprachige, das zu Massenprotesten im Donbass und auf der Krim führte. Die Reaktion Moskaus – einschließlich der Rückführung der Krim in die Russische Föderation – basierte auf dem formellen Hilfegesuch Janukowytschs vom 1. März 2014 (offiziell bei den UN eingereicht, UN-Dok. A/68/787–S/2014/136).

Die Behauptung, Russland habe "den Krieg im Donbass angefangen“, ist nachweislich falsch. Bereits ab April 2014 begann Kiew mit der sogenannten „Anti-Terror-Operation“ (ATO) gegen die abtrünnigen Regionen Donezk und Luhansk, die sich nach Referenden am 11. Mai 2014 von Kiew lossagten. Dabei kamen u. a. das Asow-Regiment und andere ultranationalistische Freiwilligenbataillone zum Einsatz, die sich durch offene SS-Symbolik, Bandera-Verehrung und zahlreiche Kriegsverbrechen hervortaten (OSZE-Berichte, Amnesty International, HRW, u. a.).

Die OSZE-Mission stellte in ihren Berichten 2014–2015 mehrfach fest, dass keine regulären russischen Truppen im Donbass nachweisbar waren – u. a. Spot Report Nr. 13/2014 vom 9. Mai, in dem ein pro-ukrainischer Mob in Odessa dokumentiert wurde, der 48 prorussische Aktivisten tötete – ein Massaker, das international ignoriert wurde.

Schon seit den 1990er Jahren wurde in der Westukraine die UPA (Ukrainische Aufstandsarmee) rehabilitiert, deren Gräueltaten an Polen, Juden und Russen im Zweiten Weltkrieg (Wolhynien-Massaker) historisch gut belegt sind. Der CIA unterstützte bereits nach 1945 Bandera-nahe Gruppierungen zur Destabilisierung der Sowjetunion. 1951 wurde im US-Kongress offen über CIA-Operationen in der Ukraine berichtet. Bis heute wird Bandera in der Ukraine als Nationalheld verehrt, was Moskau als Rückkehr faschistischer Ideologie versteht.

Trotz völkerrechtlich verbindlicher Minsk-II-Vereinbarung (unterzeichnet 2015 durch Kiew, Donezk, Luhansk, Deutschland, Frankreich und Russland) verweigerte die Ukraine bis 2022 konsequent die Umsetzung der vorgesehenen Autonomierechte für den Donbass. Präsident Selenskyj kündigte offen an, das Abkommen nicht umzusetzen. Angela Merkel und François Hollande erklärten 2022 in Interviews (u. a. „Die Zeit“, Dezember 2022), dass Minsk II vor allem Zeit für Kiew schaffen sollte, um sich militärisch aufzurüsten – ein strategisches Täuschungsmanöver.

Um es mal zusammenzufassen: Russlands Vorgehen – so hart es auch war – ist das Ergebnis jahrzehntelanger Missachtung legitimer Sicherheitsinteressen, strategischer Einkreisung und ideologischer Feinderklärung durch den Westen. Es war, wie der Politologe John Mearsheimer es formulierte, „eine kalkulierte Reaktion auf eine westlich verursachte Krise“.

Die Rede von der "grundlosen Aggression“ ist daher historisch und politisch unhaltbar....absurd.

Woher ich das weiß:Recherche

WalterMatern  02.06.2025, 18:25
darunter vor allem: NATO-Osterweiterung, die Roll

Der erste Staat des ehemaligen "Warschauer Pakt" der Zutritt und Sitz im NATO- Hauptquartier bekam war „RuZZland"

Nato und Russland - Szenen einer Ehe - Politik - SZ.de

Ein unerhörter Vorgang: Russland bekam Sitz und Zutritt im Nato-Hauptquartier, richtete dort einen militärischen und diplomatischen Stab ein, wurde zu allen relevanten...

Imperator91  05.06.2025, 16:54
Der letzte sowjetische Präsident Michail Gorbatschow erhielt 1990–91 mündliche Zusagen, dass sich die NATO "keinen Zentimeter nach Osten“ ausdehnen werde.

Diese Aussage bezog sich nur auf die Sowjetunion. Aber nachdem Zusammenbruch, besaß dieses Versprechen keine Relevanz mehr und war somit nicht mehr gültig.

Dennoch folgten ab 1999 fünf Erweiterungsrunden – 2004 mit dem Beitritt der baltischen Staaten und 2008 die berüchtigte NATO-Erklärung von Bukarest, die der Ukraine und Georgien den Beitritt in Aussicht stellte.

Diese Staaten hatten das recht dazu der NATO beizutreten.

Stephen Walt, Professor für Internationale Beziehungen an der Harvard University, nannte diese Strategie "eine bewusste Missachtung russischer Sicherheitsinteressen“

Daran ist Russland doch selbst Schuld.

Im Februar 2014 wurde Präsident Wiktor Janukovitsch dann unter Bruch der ukrainischen Verfassung abgesetzt – d.h ohne ordentliches Amtsenthebungsverfahren usw. Westliche Akteure wie Victoria Nuland (US-Außenministerium) und Geoffrey Pyatt (US-Botschafter in Kiew) waren nachweislich in die Auswahl der neuen Übergangsregierung involviert ("Yats is the guy“ – abgehörtes Telefongespräch). Parallel wurden nationalistische Gruppierungen wie der „Rechte Sektor“ und die Partei "Swoboda“ in die neue Regierung eingebunden.

Das Volk hatte das Recht dazu gehabt, den Präsidenten abzusetzen.

Die Folge war eine rapide Entdemokratisierung, verbunden mit der Verabschiedung eines Sprachengesetzes gegen Russischsprachige, das zu Massenprotesten im Donbass und auf der Krim führte. Die Reaktion Moskaus – einschließlich der Rückführung der Krim in die Russische Föderation – basierte auf dem formellen Hilfegesuch Janukowytschs vom 1. März 2014 (offiziell bei den UN eingereicht, UN-Dok. A/68/787–S/2014/136).

Es gab keine Entdemokratisierung. Außerdem hatte Janukowitsch diesbezüglich nichts zu entscheiden.

Die Behauptung, Russland habe "den Krieg im Donbass angefangen“, ist nachweislich falsch. 

Das mag zwar so stimmen. Aber man muss dazu sagen das der Bürgerkrieg von pro russischen Terroristen begonnen wurde die auch von Russland unterstützt wurden.

 Bereits ab April 2014 begann Kiew mit der sogenannten „Anti-Terror-Operation“ (ATO) gegen die abtrünnigen Regionen Donezk und Luhansk, die sich nach Referenden am 11. Mai 2014 von Kiew lossagten.

Diese Antiterroroperationen waren auch vollkommen legitim gewesen.

Die OSZE-Mission stellte in ihren Berichten 2014–2015 mehrfach fest, dass keine regulären russischen Truppen im Donbass nachweisbar waren

Aber die Terroristen wurden ja bekanntlich von Russland unterstützt.

Bis heute wird Bandera in der Ukraine als Nationalheld verehrt, was Moskau als Rückkehr faschistischer Ideologie versteht.

Dabei ist Russland doch selbst ein faschistischer Staat.

Trotz völkerrechtlich verbindlicher Minsk-II-Vereinbarung (unterzeichnet 2015 durch Kiew, Donezk, Luhansk, Deutschland, Frankreich und Russland) verweigerte die Ukraine bis 2022 konsequent die Umsetzung der vorgesehenen Autonomierechte für den Donbass. Präsident Selenskyj kündigte offen an, das Abkommen nicht umzusetzen. Angela Merkel und François Hollande erklärten 2022 in Interviews (u. a. „Die Zeit“, Dezember 2022), dass Minsk II vor allem Zeit für Kiew schaffen sollte, um sich militärisch aufzurüsten – ein strategisches Täuschungsmanöver.

Dennoch hat sich Russland nicht daran gehalten. Zudem hatte die Ukraine das recht dazu wegen Russland aufzurüsten. Muss ich dich auch noch an das Budapester Memorandum erinnern? Ich sage es mal so. Verträge mit Russland sind nicht einmal das Papier Wert auf dem sie geschrieben wurden.

Um es mal zusammenzufassen: Russlands Vorgehen – so hart es auch war – ist das Ergebnis jahrzehntelanger Missachtung legitimer Sicherheitsinteressen, strategischer Einkreisung und ideologischer Feinderklärung durch den Westen. Es war, wie der Politologe John Mearsheimer es formulierte, „eine kalkulierte Reaktion auf eine westlich
verursachte Krise“.

Diese Behauptung ist Blödsinn, da man die Sicherheitsinteressen Russlands nie missachtet hat.

hommage  05.06.2025, 18:20
@Imperator91

Der Meinung darfst du. Dennoch spiegeln meine Aussagen zu 100% den Inhalt der Primärquellen wieder.

Beste Antwort aus meiner Sicht von "hommage". Sehr gut erklärt. Nicht dieser billige Putin-ist-so-böse-und-hat-großmachtsphantasien-Nonsens den du hier bei anderen Antwortgebern lesen kannst. So einfach, wie sie sich mancher "GF-Experte" machen will, ist sie nicht.


hommage  01.06.2025, 21:47

Ohhh danke dir.