Warum gibt jeder uns die Schuld für den 1 Weltkrieg?

4 Antworten

Das ist das Schicksal des Verlierers.

Es gibt ein altes Sprichwort; der Sieger schreibt die Geschichte.

Das ist hier, wie auch im WW2 der Fall.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Warum gibt jeder uns die Schuld für den 1 Weltkrieg?

Nun, das tut schon lange kein Mensch mehr, sofern er wenigstens über ein Mindestmaß an historischer Bildung verfügt. Aber:

Eigentlich waren es doch Österreich und Ungarn die Serbien angegriffen haben und es so ausgelöst haben

Zum einen hätte Österreich-Ungarn die Serben nicht angegriffen, wenn nicht Deutschland diesen Angriff offen befürwortet und umfassende militärische Unterstützung zugesagt hätte, wenn Russland den Serben beispringen würde. Deutschland hat es bewusst versäumt, Österreich-Ungarn von unkluger Waffengewalt abzuhalten, und hat sich nicht für den Friedenserhalt eingesetzt!

Zum anderen hat Deutschland wegen seiner verfehlten Militärstrategie (Schlieffenplan) aus einer vielleicht auf Russland zu beschränkenden Militäraktion sofort einen gesamteuropäischen Krieg gemacht, weil es ohne Grund Frankreich präventiv angegriffen und zu diesem Zweck auch neutrale Länder wie Luxemburg und Belgien überfallen hat! Deutschland brach auf diese Weise das damalige Völkerrecht und hat dadurch Schuld auf sich geladen.

Was den Versailler Vertrag angeht, so ist die angebliche "Alleinschuld" Deutschlands in diesen nicht aufgenommen worden! Vielmehr wurde der Schuldvorwurf durchaus korrekt gegen "Deutschland und seine Verbündeten" erhoben!

Was man heute weiß, ist der Umstand, dass im Grunde alle europäischen Mächte bereit waren, ihre Differenzen auch militärisch auszutragen, statt konsequent auf Frieden zu setzen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.

Das ist mittlerweile widerlegt. Der Versailler Vertrag war im Endeffekt nur eins: Eine Befriedigung französischer Rachegelüste. Weswegen er auch dauerhaft keinen Frieden bringen konnte und nur neue Konflikte schürte, nicht mit in Bezug auf Deutschland, sondern auch Italien z. B. Das wussten auch schon die Zeitgenossen. „Das ist kein Frieden, sondern nur ein zwanzigjähriger Waffenstillstand“ hat 1919 schon der Oberbefehlshaber der französischen Armee Foch gesagt. Der Kongress der Vereinigten Staaten hat Versailles nie ratifiziert, eben weil die darin nur neuen Zündstoff sahen.

Der Schuldparagraph hatte den einzigen Zweck die völlig überzogenen Forderungen Frankreichs zu legitimieren.

Schuld waren, mit Gradunterschieden, alle. Keiner außer vllt Großbritannien hat sich ernsthaft um Frieden bemüht. In Frankreich hat man Jean Jaurès, einen Politiker der sich vor Kriegsbeginn für den Frieden stark gemacht hat, erschossen. Und in St. Petersburg hat der französische Botschafter sich bemüht Russland in den Krieg zu treiben und die Versuche im Osten den Frieden zu wahren sabotiert. Frankreich war per Se auf Krieg aus um Elsass-Lothringen zurück zu erobern. Dem deutschen Kaiser selbst die Schuld zu zu schreiben ist nicht mehr haltbar. Hätte Wilhelm den Krieg gewollt, hätte er ihn 1905 gemacht, als die beste Gelegenheit dafür bestand. Hat er aber nicht. Und als die Serbische Antwort auf das österreichische Ultimatum kam, hat er selber gesagt: „Damit fällt jeder Kriegsgrund weg“. Deutschland hat nicht mehr oder weniger Schuld am Krieg als Frankreich und Russland.

Der Frieden wurde aber unter französischem Vorsitz geschlossen und Clemanceau hatte es auf Deutschland abgesehen. Was bringt es einem sich einen nicht mehr existierenden Staat - Österreich-Ungarn - anzupissen. Deutschland konnte man wirtschaftlich viel mehr ausbeuten und Deutschland war für Frankreich der Feind Nr. 1. Und eben weil Frankreich so ruchlos auf seinem eigenen Rachegelüst bestanden hat, war Deutschland der meistgeschädigte und umgekehrt außer Frankreich ungefähr niemand wirklich auf Dauer mit Versailles zufrieden.

ArnoldBentheim  21.03.2024, 18:40
Dem deutschen Kaiser selbst die Schuld zu zu schreiben ist nicht mehr haltbar. Hätte Wilhelm den Krieg gewollt, hätte er ihn 1905 gemacht, als die beste Gelegenheit dafür bestand. Hat er aber nicht. Und als die Serbische Antwort auf das österreichische Ultimatum kam, hat er selber gesagt: „Damit fällt jeder Kriegsgrund weg“.

Tatsache ist, dass Wilhelm II., obwohl er erkannt hatte, dass ein Kriegsgrund nach der serbischen Unterwerfung unter Österreichs Forderungen entfallen war, als leitender Reichspolitiker und Oberbefehlshaber versagt hat! Er hätte auf Österreich schlichtend einwirken und sofort die Aufmarschbefehle gemäß Schlieffenplan gegen die neutralen Länder Luxemburg sowie Belgien und gegen Frankreich abändern müssen. Er tat weder noch, und dafür trägt er eine erhebliche Verantwortung dafür, was in der Folge geschehen ist.

Der Frieden wurde aber unter französischem Vorsitz geschlossen und Clemanceau hatte es auf Deutschland abgesehen. (...) Und eben weil Frankreich so ruchlos auf seinem eigenen Rachegelüst bestanden hat, (...)

Gewiss wollte Clemenceau Rache, auch noch für 1870/71. Aber Frankreich war durch den deutschen Angriff 1914 und dann durch 4 Jahre Stellungskrieg materiell drastisch geschädigt worden und hatte einen sehr hohen Blutzoll entrichten müssen. So ist das eben: vae victis! Das hatten auch die Russen Anfang 1918 erfahren müssen, nachdem sie den Krieg gegen Deutschland verloren hatten. 1918/19 hat Frankreich dem Deutschen Reich die Rechnung präsentiert, was nicht ungewöhnlich war und man durchaus verstehen kann. Freilich, ob es klug war, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls muss man auch feststellen, dass die härtesten Bestimmungen des Versailler Vertrages noch vor 1933 durch vernünftige Weimarer und Politiker auf der Seite der siegreichen Alliierten revidiert worden waren. Daher gab es keinerlei Grund für einen erneuten großen Krieg, den allein Hitler und seine Nazibande wollten!

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Udo107  21.03.2024, 23:05
@ArnoldBentheim
Tatsache ist, dass Wilhelm II., obwohl er erkannt hatte, dass ein Kriegsgrund nach der serbischen Unterwerfung unter Österreichs Forderungen entfallen war, als leitender Reichspolitiker und Oberbefehlshaber versagt hat!

Tatsache ist, dass er das - leitender Reichspolitiker - defacto gar nicht mehr war im Sommer 1914. Reichsleitung und Generalstab haben da sehr viel eigenständig und eigenmächtig gemacht. Anders wäre eine Quasi-Militärdiktatur Hindenburg-Ludendorff auch gar nicht möglich gewesen. Ja, der Kaiser war dejure Oberbefehlshaber. Defacto hatte er die Dinge im Juli 1914 längst nicht mehr so in der Hand, wie man es ihm gerne unterstellt um den einen Hauptschuldigen zu haben.

Er hätte auf Österreich schlichtend einwirken und sofort die Aufmarschbefehle gemäß Schlieffenplan gegen die neutralen Länder Luxemburg sowie Belgien und gegen Frankreich abändern müssen. Er tat weder noch, und dafür trägt er eine erhebliche Verantwortung dafür, was in der Folge geschehen ist.

Genauso hätte Frankreich seinen Einfluss schlichtend auf Russland geltend machen können. Hat es aber nicht. Man kann nicht dem einen etwas, was beide getan haben, dem einem vorwerfen, dem anderen aber nicht. Die deutsche Reichsleitung hat Österreich zum Krieg ermutigt, so wie Frankreich Russland zum Krieg ermutigt hat.

Gewiss wollte Clemenceau Rache, auch noch für 1870/71. Aber Frankreich war durch den deutschen Angriff 1914 und dann durch 4 Jahre Stellungskrieg materiell drastisch geschädigt worden und hatte einen sehr hohen Blutzoll entrichten müssen.

das betraff andere Länder genauso. Auch die anderen Kriegsführenden Parteien haben einen enormen Blutzoll entrichten müssen. Gemessen an den Toten in fixen Zahlen hatte Deutschland sogar mehr Verluste als Frankreich: Über 2 Mio. Gefallene deutsche Soldaten zu 1,37 Milionen Franzosen. Ca. 700.000 Zivile Opfer in Deutschland zu ca. 300.000 zivilie Opfer in Frankreich. Dieses Argument hing also gewaltig.

1918/19 hat Frankreich dem Deutschen Reich die Rechnung präsentiert, was nicht ungewöhnlich war und man durchaus verstehen kann.

Argumentierst du für die überzigenen, destruktiven Forderungen der Franzosen aber mit Verständnis musst du selbes auch für die deutsche Offensive im August 1914 tun. Für Deutschland - zentral liegend in Europa und ständig in der Bedrohung von zwei Fronten her - ist es nur verständlich, dass es präventiv vorging, zur einen oder anderen Richtungen um dieser Lage schnellst möglich zu entgehen.

Jedenfalls muss man auch feststellen, dass die härtesten Bestimmungen des Versailler Vertrages noch vor 1933 durch vernünftige Weimarer und Politiker auf der Seite der siegreichen Alliierten revidiert worden waren.

Es wurde auch nie behauptet, dass Versailles alleine Schuld am Aufstieg der Nazis war. Es war allerdings ein starker Faktor ... nicht nur, aber auch. Versailles war keine Idee der Nazis, sondern die Mehrheit der Deutschen war gegen Versailles .. und gerade völlig unnötigen Demütigen brannten sich ins Gedächtnis der Nation, spätere Revbidierungen hin oder her. Die Republik war auf ewig verknüpft mit dem Diktat von Versailles und das belastete die Demokratie schwer, auch wenn es die Nazis nie gegeben hätte.

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Tut doch niemand so wirklich.

Eine Menge ist schief gelaufen, und man kann auf jeden beteiligten mit dem Finger zeigen. Auf manche mehr, auf manche weniger.