Ist die Art des Umgangs mit Luftballons als Spielzeug kulturell bedingt?
Als meine aus Polen stammende Frau und ich neulich Bilder von einer Weihnachtsfeier unseres Sohnes betrachteten, mussten wir beide mit dem Kopf schütteln: Wir sahen da Luftballons auf dem Fußboden herumliegen, die dann später alle zertreten wurden, wie uns unser Sohn nach der Veranstaltung bestätigte. Was das nun mit "stiller Nacht, heiliger Nacht" zu tun hatte, erschloss sich uns nicht.
Davon etwas abstrahiert entspann sich ein Gespräch zwischen uns, wie wir als Kinder und Jugendliche zwischen den späten 1970er und frühen 1990er Jahren den Umgang mit Luftballons als Spielzeug oder Dekoration erlebt haben. Unsere Erfahrungen hätten kaum unterschiedlicher sein können, stellte sich heraus:
Meine Frau, die in der Nähe von Warschau aufwuchs, berichtete, dass es zwar Spiele mit Luftballons gab, aber ausschließlich solche, bei denen kein Ballon absichtlich zerstört wurde. Und auch am Ende von Veranstaltungen wurden als Spielzeug oder von der Dekoration übriggebliebene Ballons nicht kaputt gemacht, sondern von den Kindern mit nach Hause genommen.
Ganz anders meine Erfahrungen in der DDR, wo ich in der Nähe von Berlin aufwuchs: Schon im Kindergarten waren Spiele mit Luftballons immer darauf ausgerichtet, diese zum Platzen zu bringen - einen heil gebliebenen Ballon nach einer Feier mit nach Hause nehmen zu können, war so gut wie unmöglich. Später in der Schule ging es genauso weiter, da kam bei Feiern noch das Aufblasen bis zum Platzen hinzu. Ob das allen Freude bereitet oder ob das alle gut finden, wurde nie thematisiert.
Meine Frage in die Runde: Wie wurde das bei Euch in Kindheit und Jugend gehandhabt? Gibt es tatsächlich regionale oder nationale Unterschiede? Und wenn ja - wie lassen sich diese erklären?
Dazu noch ein Gedanke: Sowohl in der DDR als auch in der Volksrepublik Polen herrschte Mangelwirtschaft. Ich erinnere mich an Zeiten in den 1980ern, wo es Wochen oder Monate lang keine Luftballons bei uns im Ort zu kaufen gab. Dennoch wurden sie bei uns in Kindergärten und Schulen nicht wie ein rares Gut geschätzt und behandelt, sondern fast nur "für den schnellen Knall" verwendet.
Woran kann das liegen? Ist es ein Mangel an Kultur? Meine Frau meinte sarkastisch, dass wir Deutschen ja einen historisch belegten Hang zum Kaputtmachen hätten ... ;-)
Oder sind unsere Erfahrungen vielleicht gar nicht so typisch?
Und auch: Hat sich im Umgang mit Luftballons in Kitas und Schulen in Eurer Gegend seit den 1980er Jahren (+/-) etwas geändert? Spielen eventuell Nachhaltigkeit und soziales Verhalten heute eine größere Rolle? Also z.B. die Rücksichtnahme auf Kinder, die Angst vor dem Platzen von Ballons haben oder die einfach nur mit ihnen spielen wollen, statt sie kaputt zu machen.
Das Ergebnis basiert auf 9 Abstimmungen
Andere Frage an dich, denkst du, dass es möglich ist eine unnötigere Frage zu stellen?
Ist es dir gar nicht peinlich, eine Gegenfrage zu einer Frage zu stellen, die dich deinem eigenen Bekenntnis zufolge nicht interessiert? Jeder blamiere sich, so gut er kann ... ;-)
https://de.m.wikipedia.org/wiki/%C5%9Amigus-dyngus
Frag Deine polnische Partnerin mal was damit ist? Keine mit Wasser gefüllten Luftballons?
Śmigus-dyngus habe ich 2010 mal selbst erlebt, da musste man sich am meisten vor Kindern mit Wasserpistolen vorsehen. Vor 1990 kamen laut meiner Frau vor allem Eimer zum Einsatz.
Ne warum sollte es mir peinlich sein?
Weil du Zeit und Energie für die Beschäftigung mit einer Frage aufbringst, die du deiner Gegenfrage zufolge für unnötig hältst. Wie sind deine Erfahrungen bezgl. der Eingangsfrage?
2 Antworten
Als 1976 in Westdeutschland geborener Deutscher kann ich mich an beides erinnern.
Mit normalen Luftballons (also einfach mit Luft aufgeblasen) wurde auch schon öfter einer oder mehrere zum platzen gebracht, weil es eben knallt.
Aber nicht grundsätzlich alle.
Mit Luftballons von der Kirmes etc., die teuer waren und mit Helium gefüllt, wurde das allerdings nie gemacht.
Die trugen wir Kinder immer nach Hause, wo sie unter der Zimmerdecke schwebten, bis ihnen langsam aufgrund leichter Undichtigkeit das Gas ausging.
Und dann gab es noch Veranstaltungen, wo Postkarten mit Anschrift an die Helium-Ballons gebunden wurden. Die wurden dann extra fliegen gelassen, wie eine Flaschenpost.
Das gab es in anderen Ländern in Westeuropa auch, von Belgien und Niederlande weiß ich es und so ein Ballon aus Frankreich landete mal im Baum in unserem Garten.
Sofern man die Karte daran noch entziffern konnte(steckte meist in Plastikfolie) schickte man die mit einem Brief zurück an die Absender-Adresse.
Dann wussten die Absender bis wohin es ihr Ballon geschafft hat.
War das denn in der DDR verboten?
Ich wohne ja in Aachen und da kommt der Wind meist aus Westen, zudem liegen wir gleich am Dreiländereck Deutschland/Niederlande/Belgien und nach Paris sind es auch nur 400KM.
Bis zur französischen Grenze logischerweise noch kürzer. Das kommt mit der Entfernung Niedersachsen-Berlin hin. Mit Glück schafft so ein Ballon tatsächlich ein paar hundert Kilometer.
Schöne Grüße nach Berlin.
P.S. Ich finde die Frage soziologisch durchaus interessant.
Wäre auch interessant, wenn hier jemand aus dem arabischen Raum oder Asien antworten würde.
Aus dem Buch "Drachenläufer" weiß ich, dass es im Afghanistan vor den Taliban seltsame Wettkämpfe zwischen Kindern mit selbstgebastelten Drachen gab. Von Ballons steht da allerdings nichts.
Ah, Aachen, Aken, Aix-la-Chapelle, die alte Kaiserstadt ... ich bin bisher leider nur daran vorbeigekommen.
In der DDR rief alles die Staatsorgane auf den Plan, was nicht ins Konzept des sozialistischen Staates passte und von diesem als Gefährdung wahrgenommen werden konnte. Bei staatlichen Jugend-Veranstaltungen wurden auch mal Ballons in den Himmel steigen gelassen, aber privat war das kaum denkbar. Erstens, weil kaum an das Traggas zu kommen war und zweitens, weil jeder, der sich um solches bemüht hätte, dem Verdacht ausgesetzt gewesen wäre, damit staatsgefährdende Aktivitäten zu planen - vielleicht eine Flucht nach Westen im Ballon (gab es alles, sowohl geglückt als auch fatal gescheitert - aber natürlich mit anderen Ballons als denen, um die es mir geht). Was Ballons mit Adresskarte betrifft - das wäre hier im Grenzraum wohl in die Kategorie "versuchte Kontaktaufnahme mit dem nichtsozialistischen Ausland" gefallen.
Ja, in der Tat, ich bin auch gespannt, ob zur Ausgangsfrage noch Antworten aus anderen Kulturkreisen kommen.
Herzliche Grüße aus "Randberlin"!
Ich kannte auch keine mit Helium gefüllten Ballons aus meiner Kindheit und wunderte mich immer beim Blättern in alten Bilderbüchern, wieso da Ballons in der Luft schwebten.
Dass Ballons absichtlich zum Platzen gebracht wurden, kenne ich nur von einem Spiel, wo in den Ballons dann Zettel mit weiteren Anweisungen steckten. Ansonsten ließen wir gern aus den Ballons die Luft heraus, wodurch diese dann wie Raketen durch den Raum sausten (und wiederverwendet werden konnten).
Stimmt, das mit dem Fliegen-Lassen haben wir zu Hause auch gerne gemacht. Die bei uns für 20 Pfennige das Stück erhältlichen Standard-Luftballons eigneten sich aufgrund ihrer Zeppelin-Form dafür besonders gut. Andererseits waren die aber auch ziemlich empfindlich, die konnte man also nicht beliebig oft wieder aufpusten. Gegenüber den meisten heutigen Ballons hatten sie außerdem die Eigenschaft, selbst nach mehrmaligem Aufblasen nicht größer zu werden. Sie kehrten also nach dem Ablassen der Luft wieder in die Ausgangsform und -größe zurück. Für mich ein weiteres Indiz dafür, dass bei den DDR-Ballons womöglich kein normales Latex verwendet wurde, wie es heute üblich ist.
wasserschlachten machen ohne platzte ballons keinen spaß
Stimmt, die Wasserbomben habe ich oben vergessen.
Es gab im Supermarkt extra Ballons für den Zweck.
Stand: "Wasserbomben" drauf.
An die kann ich mich bei uns im Osten nicht erinnern. Bei der Materialknappheit ist es auch wenig wahrscheinlich, dass für "Wasserbomben" Ressourcen ver(sch)wendet wurden. Ich bin mir nicht mal sicher, ob die Ballons bei uns in der DDR aus dem für uns schwer zu beschaffenden Naturkautschuk waren oder aus irgendeiner Art synthetischem Gummi. Soweit ich weiß, lag der Schwerpunkt der Produktion in Erfurt beim VEB Pneumant.
keine ahnung wir haben einfach normale benützt aber halt die billigen in der großpackung~ selber effekt
Ja, verstehe ich, technisch gesehen ergibt das Sinn. Aber zur Zeit der Volksrepublik Polen, als es an vielen Dingen mangelte, war das offensichtlich nicht üblich. Meine Frau jedenfalls kann sich nur an Eimer, Gartenschläuche und mit Wasser gefüllte Plastikeier als "Tatwerkzeuge" erinnern. Dass seit dem Einzug der westlichen Wegwerfgesellschaft vielleicht hier und da auch Wasserbomben für diesen Brauch verwendet werden, ist sicherlich nicht auszuschließen, aber mir noch nicht persönlich begegnet. Heutzutage bekommt man in Polen ja alles zu kaufen, was man bei uns auch bekommt - und manchmal noch mehr, sehr gute Lebensmittel zum Beispiel. Aber das weicht doch jetzt sehr vom Ausgangsthema ab.
Das mit dem Ballonweitfliegen war bei uns im Osten natürlich undenkbar. Ich bin mir andererseits sicher, dass es dsmals so manches Mal ein Helium-Ballon aus Westberlin über die Mauer geschafft hat - aufgrund der Hauptwindrichtung dann aber eher nach Ost-Berlin als bei uns ins Umland. So eine Ballon-Karte fanden wir auch mal, Mitte der 2000er Jahre, die kam immerhin von der Unterelbe / Niedersachsen bis zu uns. Wir hatten dann sogar eine Zeitlang Kontakt zu den Absendern. Leider ist der mit der Zeit abgerissen. Besonderen Dank für die Erinnerung auch an diesen Aspekt!