Es wird über die Entziehung von Björn Höckes Grundrechten debattiert. Diese Forderung ist selbst schon autoritär - was sagt das über die Fordernden aus?

orangade  17.01.2024, 19:20
Es wird über die Entziehung von Björn Höckes Grundrechten debattiert. 

Von wem und warum?

55yxc 
Fragesteller
 17.01.2024, 19:32

Von irgendwelchen Bürgern, Aktivisten. Privatleuten.

orangade  17.01.2024, 19:35
Von irgendwelchen Bürgern, Aktivisten. Privatleuten.

Und warum ist das relevant?

55yxc 
Fragesteller
 17.01.2024, 19:41

? Für dich. Du wolltest es wissen, ich habs dir gesagt.

7 Antworten

Zunächst ist das keine große Sache, gerade in der Demokratie darf man durchaus debattieren, auch darüber. Es geht zudem ja nicht um alle Grundrechte, sondern um ausgewählte und in Artikel 18 GG benannte. Die Vorschrift gilt für jeden, nicht nur für rechte Partei- und Meinungsführer. Und die Verbots-Hürden sind hoch, das BVerfG müsste entscheiden.

Von daher kann man das Ganze in Ruhe abwarten, da wird eh nichts draus, schätze ich, weil diese Grundrechte einen extrem hohen Stellenwert haben.

55yxc 
Fragesteller
 17.01.2024, 19:43
Es geht zudem ja nicht um alle Grundrechte, sondern um ausgewählte und in Artikel 18 GG benannte.

Welche sind das?

1
superseegers  17.01.2024, 20:26
@55yxc

Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere Pressefreiheit, Lehrfreiheit, Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Post-, Fernemelde- und Briefgeheimnis, Recht auf Eigentum oder Asylrecht. Wer diese Rechte missbraucht zum Kampf gegen die FDGO, kann sie aberkannt bekommen.

1

 "Wer Grundrechte entziehen will, denkt bereits autoritär"

Nein!! Der handelt in diesem Fall nicht autoritär, sondern übernimmt Verantwortung für die Demokratie, die ein Herr Höcke letztlich ablehnt.

Etwas anderes ist ob das strategisch klug ist - einen Herrn Höcke sich selbst als Märtyrer der AFD feiern zu lassen. Das wäre ein Schuss, der nach hinten losgeht.

Viel besser ist es ihn bei jeder Gelegenheit (Talkshows etc.) mit seinen Forderungen und Ideen zu konfrontieren und sie in all ihren Konsequenzen zu Ende zu denken.

Für jemand mit politischem Sachverstand kann ich mir nichts leichteres vorstellen als das AFD-Programm einschließlich des damit verbundenen Menschenbildes mit Argumenten zu demontieren.

55yxc 
Fragesteller
 17.01.2024, 19:36
Für jemand mit politischem Sachverstand kann ich mir nichts leichteres vorstellen als das AFD-Programm einschließlich des damit verbundenen Menschenbildes mit Argumenten zu demontieren.

Oha... wenn du dich da mal nicht täuscht

Nein!! Der handelt in diesem Fall nicht autoritär, sondern übernimmt Verantwortung

Nein eben nicht. Da Höcke weder inhaftiert, also nicht straffällig geworden und nicht angeklagt ist. Das ist dann definitiv autoritär. Wäre er wegen unvorstellbarer Verbrechen angeklagt, in Haft oder sonst was, dann wär es was anderes. Obwohl es sowas noch nie gab, egal bei was, wäre auch dann wohl überzogen, immerhin gibt es ja den Rechtsstaat mit seinen Mitteln zur Bestrafung nicht wahr..

1
cybersenior  17.01.2024, 19:47
@55yxc

Ich habe nicht gefordert Höcke einzusperren. Aber eine Person, die ein anderes System fordert und offen mit dem 3. Reich sympathisiert - der kann man kein politisches Amt mit viel Verantwortung übertragen. Die Väter unseres Grundgesetz hatten genau diesen Gedanken bei diesem Artikel.

Aber wie gesagt - ich würde dies nicht versuchen sondern mit Höcke und seiner AFD die Auseinandersetzung suchen und nur dort, wo sie nachweislich Straftaten begehen die Justiz bemühen

1
Eisenklang  18.01.2024, 16:09
@cybersenior

Ja, wenn...

Herr Höcke fordert aber kein anderes System und symphatisiert auch nicht mit dem 3. Reich. Das gilt auch dann, wenn man seine Aussagen ablehnt.

1
55yxc 
Fragesteller
 18.01.2024, 16:16
@Eisenklang

Solche Behauptungen müssen erstmal beweisen werden können aber darauf legt wohl keiner mehr Wert. Einer schreit, alle anderen schreien noch lauter und lynchen. Das ist genau wie 33, die Leute müssen aufwachen.

1
cybersenior  18.01.2024, 20:17
@Eisenklang

Sind Dir wirklich nicht die einschlägigen Höcke-Zitate bekannt? Dann eine kleine "Kostprobe":

  1. „Mit der Bombardierung Dresdens und der anderen deutschen Städte wollte man nichts anderes, als uns unsere kollektive Identität [zu] rauben. Man wollte uns mit Stumpf und Stiel vernichten, man wollte unsere Wurzeln roden. Und zusammen mit der dann nach 1945 begonnenen systematischen Umerziehung hat man das auch fast geschafft.“

(Höcke bezeichnet die Entnazifizierung als etwas Schlechtes, ergo ist Nazi-Denken gut? 

2„Die Altparteien sind nicht nur inhaltlich erstarrt, sie sind inhaltlich entartet.“ („Entartet“ ist ein offizieller Propagandabegriff der Nazis, mit welchem sie Kunstwerke bezeichneten, die nicht ihrer Ideologie entsprachen, Quelle).

3.Und diese dämliche Bewältigungspolitik, die lähmt uns heute noch viel mehr als zu Franz Josef Strauß’ Zeiten. Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad!“ 

(Nur zum Verständnis: Mit "Bewältigungspolitik" ist die Aufarbeitung des

Nationalsozialismus gemeint)

4." Das Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird. "

5."Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." -

Ich hoffe mal - das reicht für den Anfang, um Höckes Nähe zum Nationalsozialismus zu verdeutlichen...

1
Eisenklang  18.01.2024, 22:12
@cybersenior

Du magst also die Worte nicht, das ist dein gutes Recht. Denn über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten und ich bin auch kein Fan jedes Zitates. Man sollte dann aber auch so ehrlich sein die Aussagen so zu nehmen wie sie sind und nicht, wie man es dem Urheber gern unterstellen will.

Es ist ein Denkmal der Schande. Ich finde es persönlich überflüssig, scheiße, hässlich und es wäre, wenn es nicht von Sicherheitsleuten bewacht würde, nicht mehr als ein offenes Urinal für Besoffene und Kletterpark. Es ist pure Symbolpolitik ohne Sinn und Verstand, ein Schandfleck. Und? Ist das jetzt gegen die Verfassung das zu sagen? Nein. Es ist eine begründete Meinung.

Die Bombardierungen waren ein unvorstellbares Kriegsverbrechen, da muss ich ihm Recht geben. Selbstverständlich war es das Ziel die Bevölkerung zu ermorden und die städtische Kultur auszulöschen. Letzteres ist ja durchaus gelungen.
Was die Umerziehung angeht, das sehe ich nicht so.

Ist das irgendwie verfassungsfeindlich, undemokratisch oder sonstwas? Nein, es ist begründet und nachvollziehbar. Stimme ich Höcke zu? Nein. Ist es verfassungswidrig? Nein.

Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad!“

Auch diese Aussage ist weder verfassungsfeindlich, noch undemokratisch. Ich kann sie in Teilen auch unterstützen. Der Fokus liegt tatsächlich viel zu intensiv auf das Dritte Reich und dem Holocaust. Gar nicht so sehr im Geschichtsunterricht, sondern fächerübergreifend. Es ist eine legitime Forderung auch an positive Aspekte unserer Geschichte anzuknüpfen. Es ist nicht gut für ein Volk seine Identität auf die Ermordung von 6 Millionen Juden aufzubauen. Das heißt aber im Umkehrschluss überhaupt nicht, dass man das vergessen sollte.

Das Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird. "

Auch hier musst du schon das ganze Interview lesen um zu verstehen was er meinte. Aber er hat es verkackt, das geb ich gern zu. Ist es verfassungswidrig? Nein. Ist es antidemokratisch? Nein. Es ist der Versuch die Person Hitlers historisch zu bewerten, nicht moralisch.
Und ganz falsch liegt er nicht, denn es ist tatsächlich ein Problem, wenn man Hitler als das ultimative Böse darstellt, in vielerlei Hinsicht. Zum Einen entlastet dies all die Mitläufer und vor allem Mittäter, wenn Hilter als das übergroße Böse quasi schicksalhaft auf Deutschland herunterkam. Es waren zigtausende Mithelfer, welche die Diktatur zu dem machten, was sie wurde.

Und einige der Wirkweisen des 3. Reiches, die Funktion von Ausgrenzung und Propaganda konnte man sehr gut in der Coronawahnzeit studieren.

FAZIT

Dir müssen Höckes Zitate nicht gefallen, keine Frage. Und du kannst sie auch kritisieren und da du das vor allem auf moralischer Ebene machst, kann ich dir auch nicht großartig widersprechen. Ich kann nur sagen, dass es eben auch eine andere legitime Sichtweise dazu geben kann. Vor allem aber ist keines dieser Zitate auch nur ansatzweise eine Begründung dafür, dass Höcke die freiheitlich-demokratische Grundordnung außer Kraft setzen will.

Er will etwas ganz anderes - und das ist der Grund für die Medienoffensieve: Er will den Rundfunkstaatsvertrag kündigen.

0
cybersenior  18.01.2024, 22:42
@Eisenklang

Es würde den Rahmen hier sprengen auf all Deine Einwände zu antworten. Da würden 10 Seiten nicht reichen, um auf all den historischen Kontext einzugehen

Aber immerhin auf einen Punkt:

Das Holocaust-Denkmal als "Mahnmal der Schande" zu bezeichnen ist ein Schlag ins Gesicht der Holocaust-Überlebenden, die ein Leben lang darunter litten sowie derjenigen, die ihre Angehörigen im KZ verloren und z.B. ohne ihre Eltern aufwachsen mussten. Nur in dem man die Erinnerung daran wach hält, ist eine Versöhnung mit den Nachkommen der ehemaligen Opfer denkbar.

Ein Volk, das solch schreckliche Verbrechen vergessen-, die Erinnerungen daran in der Öffentlichkeit beseitigen will, kann eine Wiederholung in der einen oder anderen Form nicht ausschließen. Die Erinnerung - daran zumal aus der neueren deutschen Geschichte - soll die Wachsamkeit der Demokraten erhalten, um frühzeitig den Anfängen zu wehren.

Herrn Höcke ist diese Erinnerungskultur offensichtlich ein Dorn im Auge und die Bezeichnung "Mahnmal der Schande" eine klare Diffamierung der Ethnie der Opfer.

Niemand hat je gefordert, dass den dunklen Kapiteln in der deutschen Geschichte keine positiven historischen Leistungen gegenüber gestellt werden dürfen.

Gobbels hat übrigens 1943 den totalen Krieg ausgerufen. Mit der Bombardierung von ganzen Städten hatte die Wehrmacht angefangen - im spanischen Bürgerkrieg (Guernica), in Polen, England und anderswo . Die Alliierten ihrerseits gingen davon aus mit Flächenbombardements der deutschen Bevölkerung ihre Verwundbarkeit entgegen der Nazipropaganda zu zeigen, ihre Moral zu brechen und so den Widerstand gegen die Nazidiktatur hervor zu rufen, die ihr eigenes Volk nicht mehr schützen konnte.

1
Eisenklang  19.01.2024, 09:40
@cybersenior

Du brauchst, da kannst du dir sicher sein, mich nicht über irgendeinen Aspekt des Dritten Reiches aufklären. Geschichte ist nicht nur mein persönliches Steckenpferd, ich war vermutlich in mehr Konzentrationslagern als die meisten überhaupt mit Namen kennen, dazu einige Exkursionen, einige Zeitzeugengespräche verschiedener Art. Aber danke für die Aufklärung. Kommen wir zum Thema:

Wir sprechen hier immer noch über die Frage, inwieweit die Äußerungen erkennen lassen, dass Höcke die Abschaffung des politischen Systems will. Deine Antwort bezieht sich aber auf den Umgang mit dem Holocaust und über Mahnmalkritik. Du merkst vielleicht selbst, dass diese nicht den kleinsten Anlass geben Höcke irgendetwas zu verweigern, was ihm die Wähler möglicherweise sehr bald geben werden.

Also Mahnmal.

Das Holocaust-Denkmal als "Mahnmal der Schande" zu bezeichnen ist ein Schlag ins Gesicht der Holocaust-Überlebenden

Das ist, mit Verlaub, vollkommener Blödsinn. Selbstverständlich darf man über jedes Denkmal streiten, es ablehnen. Ich habe gesagt, ich finde es scheiße. Es ist auch scheiße. Damit schlage ich niemanden ins Gesicht, auch den Opfern nicht, denen das Mahnmal gewidmet ist. Ich hatte kurz umrissen, weshalb ich persönlich dieses Mahnmal so überflüssig finde wie Sonnenkollektoren im Winter oder bei Nacht. Es ist, wie ich sagte, reine Sympbolpolitik und in gewisser Weise die Betonisierung des schlechten Gewissens.

Viel wichtiger als Mahnmale wäre vielleicht, antijüdische Hetzbilder auf vom Staat bezahlten Kulturveranstaltungen nicht zu tolerieren und antijüdischen Ausschreitungen auf deutschen Straßen härter zu bekämpfen. Vielleicht einmal der HAMAS kein Geld stiften, wäre doch auch mal was tolles. DAS ist nämlich ein Schlag ins Gesicht der Opfer und nicht Mahnmalkritik.

Und ist es denn kein Denkmal deutscher Schande, den Holocaust? Höcke war nicht der erste, der es so nannte, die anderen waren beispielsweise von der SPD. Warum darf der eine es, der andere nicht?

Nur in dem man die Erinnerung daran wach hält, ist eine Versöhnung mit den Nachkommen der ehemaligen Opfer denkbar.

Das stimmt. Doch dazu ist das Mahnmal unnötig. Wir haben in Deutschland unzählige echte Mahnmale, Baudenkmäler welche sich direkt mit dem Holocaust verknüpft sind. Sei es der Keller einer Hamburger Schule, in dem in den letzten Kriegstagen noch schnell 40 jüdische Kinder gehängt wurden, sei es ein Bahnhof, von dem die Deportationszüge abfuhren, seien es die unzähligen Bauten des Dritten Reiches - vor allem in Berlin.

Erinnerung muss wachgehalten werden, das sehe ich auch so. Aber es darf auch nicht zu einem ritualisierten, abgespulten Staatskult werden, den niemand mehr hören kann. Es gilt hier ein gesundes Maß zu finden um einerseits Lehren daraus ziehen zu können und andererseits sich nicht davon binden zu lassen.

Herrn Höcke ist diese Erinnerungskultur offensichtlich ein Dorn im Auge und die Bezeichnung "Mahnmal der Schande" eine klare Diffamierung der Ethnie der Opfer.

Zumindest kritisiert er den derzeitigen Umgang mit dieser Erinnerungskultur und in Teilen muss ich ihm zustimmen. Das sage ich, der sich sehr, sehr viel mit dem Holocaust auseinander gesetzt hat. Die Kritik an dem Mahnmal hingegen ist keine Diffamierung.

Du magst es so empfinden, weil dein Moralgefühl dadurch berührt wird. Und ich kann dagegen auch nichts sagen, es ist dein gutes Recht so zu empfinden. Es ist aber dennoch legitim, Kritik zu äußern. Grundgesetzwidrig, antidemokratisch oder antisemitisch ist es nicht.

Niemand hat je gefordert, dass den dunklen Kapiteln in der deutschen Geschichte keine positiven historischen Leistungen gegenüber gestellt werden dürfen.

Naja, so nicht. Allerdings wird Höcke dieser Wunsch negativ ausgelegt. Gut.

Jede Nation hat, braucht einen Gründungsmythos, ein identitätsstiftendes Moment. Die USA haben ihre Unabhängigkeitserklärung und den wilden Westen, Großbritannien sein Empire, seine Innovationen, Frankreich seine Kultur und glorreiche Vergangenheit, Dänemark die WIkinger und Eigenständigkeit. Deutschland hat den Holocaust und ein kleines bisschen Grundgesetz. Ich finde nicht, dass das reicht. Aber das ist eine ganz andere Debatte.

0
da sie sich nun mal im rechtlichen Rahmen bewegen und rechtlich nicht belangbar sind.

Das ist es ja. Er hält teilweise schwachsinnige Ideen und er ist der Häuptling des schwachsinnige Ideen Lager in der Partei. Aber er versößt mit seinen Ideen gegen kein Recht, kein Gedanke der Welt ist verboten.

Es müssen sowohl die Wähler also auch die Hasser verstehen das es eigentlich keine Afd gibt.

Die Afd ist eine Zusammenkunft von Menschen mit den unterschiedlichsten Positionen, Philosophien und Ambitionen. Das reicht vom konservativen, zu den wirtschafts libertären, über die Rechts liberalen und progressiven bis hin zu den Brunnenvergiftern: den Aluhut Trägern und Great Reset Verfechtern.

Aber alle haben etwas gemeinsam. Alle haben sich auf ein Parteiprogramm geeinigt welches sie nach langem erarbeiten und diskutieren so komplett verfassungsgemäß präsentieren kann.

Das würde Wasser auf die Mühlen der AfD werden.

Ausserdem ist es mehr als zweifelhaft ob das vor dem Bundesverfassungsgericht Bestan haben würde. Bisher sind alle Verfahren dieser Art gescheitert.

Die Verfassung sieht dieses Instrument ausdrücklich vor, aus guten Gründen. Es muss natürlich sorgfältig abgewogen werden, ob die Voraussetzungen gegeben sind.