Arbeitgebern ist es egal über Lebenshaltungskosten - eure Meinung dazu?

14 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Nehmen wir mal an, Arbeitgeber würden die persönliche Lebenssituation ihrer Mitarbeitenden bei der Höhe des Gehalts berücksichtigen. Stell dir in diesem Szenario mal vor, dass du viel Energie und Zeit in Aus- und Weiterbildung oder sogar ein Studium gesteckt hast. Dass du danach fleißig, interessiert und motiviert gearbeitet hast. Dass du dabei immer darauf geachtet hast, dein Fachwissen durch Weiterbildungen aktuell zu halten und dabei auch noch ein paar Spezialkenntnisse erworben hast.

Du lebst in diesem Szenario mit einer weiteren berufstätigen Person in einer Beziehung zusammen. Kinder habt ihr keine. Zudem seid ihr trotz zweier Einkommen recht genügsam in Bezug auf euren Lebensstil - keine allzu teure, allzu große Wohnung, kein oder nur ein kleines, günstiges Auto, Urlaub bevorzugt in der Umgebung, keine teuren Hobbies.

Jetzt berücksichtigt dein Chef bei der Verteilung des Geldes, was im Unternehmen für Gehälter vorhanden ist, die persönliche Lebens- und Kostensituation der Mitarbeitenden, nicht ihre Qualifikation, nicht ihre individuelle Leistung, nicht mal die konkrete Tätigkeit und deren Nutzen für das Unternehmen.

Und plötzlich findest du dich in diesem Szenario in den untersten Gehaltsgruppen wieder! Während der Kollege, der deutlich geringere Qualifikationen hat als du und zudem noch echt schlechte Arbeit leistet, erheblich mehr bekommt - weil er zwei Kinder hat und sich bis über beide Ohren für ein Eigenheim verschuldet hat. Du verdienst plötzlich nur noch so viel wie der Azubi. Während die Kollegin, die gerne Fernreisen unternimmt und ständig shoppen geht, aber eigentlich nur für das Verpacken der Ware zuständig ist, mit dem nach Hause geht, was du vorher bekommen hast.

Wäre DAS irgendwie fair? Nee, oder? Und genau deshalb ist es völlig okay, wenn sich Gehälter an Qualifikation, Erfahrung, Stelle, Leistung und konkreter Tätigkeit bemessen, nicht an der privaten Lebenssituation der Arbeitnehmer!

andyrj99 
Fragesteller
 20.02.2023, 21:46

Ja aber wenn du dir die Einkommensverteilung anschaust...

Der Medianeinkommen liegt netto bei 2200€ netto und 55% der Bevölkerung verdient bis 2000€ netto.

Und jetzt weg mit Begriffe wie Berufserfahrung, Qualifikation und Tätigkeit.

Sondern lass uns über Begriffe Reallohnentwicklung, Wirtschaftsstabilität und Kaufkraft sprechen.

Wenn man statistisches alles analysiert.

Deutschland hat eine Immobilienkrise, was die Bürger bringt 40% vom Netto für die Miete auszugeben. Jetzt wachsen die Energiepreise und somit werden Mieten noch teurer.

Lebensmittel sind teurer da die Erzeugerpreise bis 45% gestiegen sind.

Also die Lebenshaltungskosten sind gestiegen. Sollen aber Löhne nicht steigen.

Ist das Wachstum der Wirtschaft gebremst.

Ich könnte noch mehr schreiben. Möchte aber lieber verbal alles äußern anstatt 1h mit den Augen ins Display zu konzentrieren.

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HappyMe1984  20.02.2023, 21:55
@andyrj99

Derzeit herrscht bereits ein massiver Mangel an Fachkräften - also Menschen mit passender Ausbildung und Erfahrung - quer durch alle Branchen und Berufsgruppen. Schon sehr lang war es nicht mehr so einfach, einen Job zu bekommen, wenn man halbwegs was auf dem Kasten hat. Und genau durch diese Situation hat man momentan als Arbeitnehmer auch eine sehr günstige Verhandlungsposition beim Gehalt!

Wenn man allerdings diese Möglichkeiten nicht nutzt, weil man Angst vor Veränderung wie einem Jobwechsel oder einem Umzug hat, tja, selbst schuld. Und wenn man diese Möglichkeiten nicht hat, weil man sich bisher im Leben nicht um Qualifikationen bemüht hat und da auch nicht aus Eigeninitiative aus dem Knick kommt, tja, dann eben auch selbst schuld!

Und das sage ich als politisch durchaus ziemlich weit links stehende Person. Eigentlich GERADE deshalb! Denn wenn es im Kapitalismus eine Situation gibt, in der Arbeitnehmer tatsächlich aus eigener Kraft etwas ändern können, weil sie endlich mal einen etwas längeren Hebel bekommen haben, dann ist es genau diese! Und da ist von erwachsenen Menschen eben auch mal ein bisschen Eigenverantwortung gefragt, nicht nur Abwarten, dass irgendwer es schon für einen richten wird...

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andyrj99 
Fragesteller
 20.02.2023, 22:30
@HappyMe1984

Würde es so einfach sein

Würden es nicht über 2 Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit geben.

Andere Perspektive. Die Einkommensverteilung würde anders aussehen wenn der Fachkräftemangel echt wäre.

Aktuell ist es so dass 55% der Arbeiter BIS 200€ netto verdienen und der Median netto liegt bei 2200€...

Der Medianeinkommen steigt nicht. Und die Reallöhne stagnieren...

Und Unternehmen schließen Standorte und streichen Stellen ab...

Bei uns in der Gegend haben 2 Unternehmen schon geschlossen und verlagern alles ins Ausland.

Die Realität präsentiert das ganze im Gegenteil.

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HappyMe1984  20.02.2023, 22:35
@andyrj99

Ich habe erst vor einem Jahr meinen Job ohne neuen Vertrag in der Hinterhand gekündigt. Vier Bewerbungen, drei Einladungen, zwei Angebote, neue Stelle innerhalb von drei Monaten angetreten, inklusive einer nahezu Verdoppelung meines Gehalts. Wie? Indem ich nach meiner Ausbildung in einem bestimmten Bereich Nischenwissen erworben habe, nebenberuflich meinen Fachwirt gemacht hab und dann gute, individuelle, gezielte Bewerbungen auf ausgewählte, dazu passende Stellen geschrieben hab! Und ich wäre auch bereit gewesen, umzuziehen, wenn ich hier vor Ort nicht diese Möglichkeiten vorgefunden hätte.

Wenn du also in einer Region wohnst, wo Arbeitsplätze fehlen, zieh halt um! Wenn deine Qualifikationen nicht reichen, um gefragte Fachkraft mit entsprechender Verhandlungsmacht zu sein, dann ändere was daran! Aber jammer doch bitte nicht rum, dass dein Arbeitgeber nicht bereit ist, dir einfach mal so aus purer Menschenliebe mehr Geld zuzustecken.

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Nehmen wir mal an, Du wärst der Chef und die Jobs, die Du vergibst, sind so einfach, dass sie jeder Ungelernte erledigen kann, sofern er nur seine Gliedmaßen steuern kann.

Was hast Du denn dann? Tausende Arbeitskräfte, die keine besseren Jobs bekommen und miteinander konkurrieren. Da kannst Du doch aus dem Vollen schöpfen und wenn der eine ausfällt, nimmst Du eben den nächsten. Würdest Du den Gewinn, den Du mit Deiner Firma einstreichst, sehr gern unter den Leuten verteilen? Vermutlich nicht; Du würdest wie so viele andere auch keine Zugeständnisse machen, wenn Du nicht musst.

Hättest Du aber nur Jobs anzubieten, für die hochgebildete Leute benötigt werden, läge das schon ganz anders. Da musst Du Deine Angestellten verhätscheln und ordentlich zahlen, weil die sonst anderweitig unterkommen.

Sozial eingestellte Arbeitgeber sind nicht wie Sand am Meer zu finden; es gibt schon welche, aber schon auch eine nicht so kleine Anzahl von Geizlingen.

Je knapper die die verfügbaren Arbeitskräfte, desto größer die Bereitschaft der Arbeitgeber, auf deren Wünsche und Forderungen einzugehen.

In Zeiten von Fachkräftemangel mag es manchen Arbeitgebern egal sein, aber genauso egal wird es den Arbeitnehmern, die nicht für ihn arbeiten, sein, woher er sein Personal nimmt.

Grauenhaft ist das. Nun könnte man sich fragen, wer für die Differenz aufkommen muss für die hohen Kosten derzeit. Die Politik, die diese Kosten provoziert hat mit den Entscheidungen im Ukrainekrieg und den falschen Corona-Entscheidungen oder die Arbeitgeber, die teilweise derzeit massive Gewinne machen.

Ich würde solche Antworten nicht hinnehmen und für saftige Lohnerhöhungen auf die Straße gehen, wie es ja viele derzeit machen und es müssten noch VIEL VIEL mehr werden. Wenn wir uns sowas gefallen lassen (wir müssen auch unsere Rechnungen bezahlen), dann versklaven wir uns selber, das ist moderne Sklaverei undzwar jetzt noch schlimmer als vor der Inflation.

Trifft leider zu 100% auf bundesdeutsche Arbeitgeber zu. Auch denen ist egal, wie hoch die Lebenshaltungskosten sind.

Im Gegenteil: Sie spekulieren sogar absichtlich darauf und zahlen entsprechend weniger Gehalt.

Beispiel: Erzgebirge/Freistaat Sachsen. Einheimische Arbeitgeber zahlen ihren Angestellten bewusst weniger Geld als Marktüblich, unter Verweis auf die niedrigeren Mieten in der Region.

Stimmt - die Mieten sind niedriger. Aber dass die Menschen in den Supermärkten, bei den Wohn-Nebenkosten und Gebühren etc. mindestes soviel bezahlen müssen, wie die Menschen ausserhalb des Erzegbirges, ist den dortigen Arbeitgebern absolut Schnuppe.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Menschlichkeit ist mein persönlicher Grundsatz!
Salome666  20.02.2023, 21:24

Da hab ich auch eine persönliche Story von meinem Ex aus dem Westen: Ließ sich abwerben für ein Unternehmen in Sachsen-Anhalt als Fachkraft, bestand natürlich auf höherem Gehalt, was er auch bekam. Bedingung war, dass er darüber mit seinen Ostkollegen nicht sprach, klar wieso. Der Arbeitgeber tickte in etwa so: Der kommt aus dem Westen, den will ich auch haben, also muss ich Zugeständnisse machen. Der einheimische Rest arbeitet bereitwillig seit Jahren auch so, also gibt's da kein Problem. Was leider auch oft so aufgeht.

Wohlgemerkt waren das alles Fachkräfte, mussten sie sein für den Job (Labortechnik/chemische Pharmazie)

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