Ärzte unfreiwillig in der SS?

5 Antworten

Salue

Wenn die SS der Meinung war, dass sie vor allem für ihre Kampftruppen, die Waffen-SS, mehr Ärzte brauchte, wurden diese nicht gefragt sondern umgeteilt. Als Arzt für die Waffen-SS erhielt dieser Arzt dann den SS-Dienstgrad.

Die meisten SS-Leute waren nicht direkt an Greueln beteiligt, es kam aber, wie auch bei der Wehrmacht, vor. Die Drecksarbeiten machten vor allem spezielle Polizei-Truppen.

Die Waffen-SS waren Kampftruppen, die meistens dort eingesetzt waren, wo es an der Front brannte. Ihr Verluste waren entsprechend hoch. Es war ein Sammelsurium von zu jungen Freiwilligen, von Freiwilligen aus anderen Ländern und auch Deutschen, die sich mehr Abenteuer und Ruhm versprachen.

Für Deinen Grossvater hat sich nicht viel geändert. Er arbeitete nun einfach statt in einem Wehrmachtsspital in einer Verwundetenstelle der Waffen-SS.

Tellensohn

Schwer zu sagen. Deinen Großvater hat man nicht mehr fragen können.

Die SS konnte meines Wissens keine Ärzte einziehen, sondern nur die Deutsche Wehrmacht - für den Sanitär-Kriegsdienst. Dem konnte man sich kaum entziehen. -

Es gab aber Ärzte, die für Menschenversuche eingesetzt wurden. Hier gab es schon Druck - z.B. dass sie ihre gehobene Stelle verlieren könnte wenn sie sich nicht für Menschenversuche zur Verfügung stellen würden. Dein Großvater hätte dann möglicherweise nur noch als Landarzt oder im Sanitätsdienst weiter arbeiten können. Es gibt Ärzte, die die o.g. Art von Forschung abgelehnt haben. Die Dokumente dazu waren lange unter Verschluss.

Wenn du noch herausbekommen kannst, wann dein Großvater in die SS eingetreten ist, könnte man vielleicht mehr sagen.

Um Professor oder Klinikchef zu werden, musste man meines Wissens nicht Mitglied der SS. Parteimitglied in der NSDAP hat gereicht.

Die SS hieß "Schutzstaffel" müsste aber eigentlich Schmutzstaffel heißen, weil sie alle Drecksarbeit für die Nazis erledigt hat: Terror gegen andersdenkende Bürger, die Angriffe gegen jüdische Geschäfte und Menschen in der Reichskristallnacht und last but noch least: Das Betreiben der "Vernichtungslager" im In- und Ausland - wo tausende von Juden umgebracht wurden (auch in der Ukraine - gab es Lagerärzte).
https://www.uni-augsburg.de/de/fakultaet/philhist/professuren/kunst-und-kulturgeschichte/europaische-ethnologie-volkskunde/exkursionen/ukraine-lemberg-czernowitz/der-holocaust-der-ukraine/

Dass man Mitglied der SS war und nichts davon wusste, ist sehr unwahrscheinlich.

An deiner Stelle würde ich mir jedoch keine weiteren Gedanken machen. Das ist schon solange her und es wird sicherlich schwer sein, da noch etwas herauszufinden. Nicht nur eurer Familie geht es so.

Lass die Toten ruhen.


frageantwort432 
Beitragsersteller
 07.12.2024, 16:32

Mein Großvater war mit sich weitestgehend im Reinen nach dem Krieg, wie mein Vater berichtet. Ich glaube, er hat nach dem Krieg davon profitiert, nichts im Krieg unternommen zu haben, was ihn befördert oder den Job kostet. Er war einfach Arzt im Lazarett, z.B. war er in der Ukraine stationiert.

Was er bei der SS gemacht hat, weiß ich nicht. Als klarer Gegner von der Rassenlehre hat er aber bestimmt nicht bei den "Tests" mitgemacht. Ich kann mir gut vorstellen, dass die SS an der Front Sanitäter gebraucht hat, wo er dann hingeschickt worden ist.

 dass mein Großvater Ende des Krieges (Ende 44 oder erst 45) von der SS eingezogen worden ist,

-> Das kann durchaus passiert sein, da die SS ( Heinrich Himmler) nach dem 20. Juli 1944 die Kontrolle über das Ersatzheer erhielt

Ersatzheer – Wikipedia

Somit konnte man Wehrpflichtige und andere Mitglieder des Ersatzheeres zur SS abzweigen.

Das gilt wohlgemerkt erst für die Zeit nach Juli 1944.

Grundsätzlich musste man sich freiwillig zur SS melden. Vermutlich war das Verständnis von Freiwilligkeit Ende 1944 wohl etwas flexibel.


StRiW  07.12.2024, 16:29

Das Verständnis war schlicht oft, wenn es mir Vorteile bringt bin ich Freiwillig dabei!

frageantwort432 
Beitragsersteller
 07.12.2024, 16:29

Was meinst du mit flexibel?

StRiW  07.12.2024, 16:41
@frageantwort432

Einfach nein sagen, hätte ihm diverse Unannehmlichkeiten eingebracht:

Weniger Zuteilung von Marken, weniger Ansehen, Entfernung aus der Ärzteschaft, Berufsverbot, Entzug von Hab und Gut , ggf. selbst ab an die Front.

Oder eben, bessere Versorgung, größere Rentenansprüche, keine echten Fronteinsätze, Titel und mehr Geld.

Es gab 400 000 bis 800 000 "echte" Täter im dritten Reich,

bestraft wurde nur ein kleiner Teil etwa 30 000 davon.

Selbst wenn er nur, um keine Nachteile zu erleiden, sich bei der SS beteiligt hat, ist er nicht unschuldig!


frageantwort432 
Beitragsersteller
 07.12.2024, 16:30

Was er genau gemacht hat, weiß ich nicht. Er war auf jeden Fall Arzt in den Lazaretten und hat Soldaten das Leben gerettet. Egal, ob das jetzt ein SS-Mann oder ein einfacher Zivilist gewesen ist.

StRiW  07.12.2024, 16:37
@frageantwort432

Auch das wurde von fast allen Ärzten der SS geäußert, die man aber doch dann bei diversen Verbrechen erwischt hat!

Leider hat man es versäumt, alle Täter wirklich alle Täter ausfindig zu machen nach dem zweiten Weltkrieg.

So das die Schuld oder Unschuld auch Deines Großvaters mehr oder minder in der Vergangenheit verschwimmt.

Wenn Du wirkliches Interesse hast, kannst Du über die Aktenarbeit, ermitteln wo zu welchen Zeiten Dein Großvater zugegen war. Mit Glück findest Du noch Zeitzeugen, ansonsten geht alles nur durch Aktenstudium.

Die Wahrscheinlichkeit, das er aber nicht Unschuldig war, ist recht hoch.

Den wirklich unschuldige Ärzte bei der SS gab es kaum, den diese haben sich oft gänzlich gegen das System gewendet und sind in den Untergrund gegangen oder haben sich aktiv gegen die SS gewendet, mit Verlust von Beruf, Hab und Gut, oft auch mit ihren Leben bezahlt.