Zerstörerischer Fortschritt: Wie destruktiv ist der Kapitalismus?
Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter prägte den Begriff der „Schöpferischen Zerstörung“: Altes muss vergehen, um Neuem Platz zu machen. Was das alles mit Sabotage zu tun hat, warum es heute keine Laternenanzünder mehr gibt und welche Zukunft Schumpeter dem Kapitalismus prophezeite…
Hat Schumpeter recht?
3 Antworten
Die schöpferische Zerstörung ist etwas unvermeidbares, was in der Natur der Sache liegt. Insofern gehört sie zu unserer Zivilisation dazu und ist zutiefst menschlich.
Unsere Gesellschaft und unser System, wie wir zusammenleben und uns organisieren, entwickelt sich nicht nur evolutionär sondern unterliegt auch revolutionären Sprüngen. Und die schöpferische Zerstörung ist erst einmal nichts weiter als der ursprüngliche Begriff für "disruptive Innovationen".
Die Innovationsrate ist laut Schumpeter und laut allen Beobachtungen nicht konstant und kann eben auch nicht konstant gehalten werden. Erfindungen, Erkenntnisse, Geistesblitze, Produktideen usw. sind nicht planbar und treten in Wellen auf. Und diese Wellen führen dazu, dass bestehende Sektoren und Märkte aus ihrem Gleichgewicht geraten oder gar abgelöst werden.
Die Erfindung der gutenbergschen Druckerpresse hat nun einmal den Markt für Pergament und Federn gestört. Genauso wie Smartphones den Markt für klassische Handys (Nokia) gestört hat. Völlig normal und letztendlich auch wünschenswert.
Nokia gibt es noch, aber das ursprüngliche Produkt ist praktisch bedeutungslos geworden.
Natürlich hat er Recht
Nein hat er nicht.
Ein Automobilhersteller kann seine Produktion von Verbrenner-Motoren auf Elektro-Antriebe umstellen.
Schreibmaschinenhersteller wie Brother Industries können auf neue Produkte umstellen.
Schicksale wie die der Unternehmen Olympia oder Triumph-Adler sind abwendbar.
Schicksale wie die der Unternehmen Olympia oder Triumph-Adler sind abwendbar.
Im Zweifelsfall nicht. Wenn die Strukturen oder Ressourcen es nicht hergeben, wichtige Informationen fehlen oder schlicht und ergreifend Fehlentscheidungen getroffen werden, sterben Business Units oder ganze Unternehmen. Und Fehlentscheidungen sind in der Realität nicht im Vorhinein abwendbar.
Wenn Unternehmen die Transformation nicht schaffen, gehen sie unter. In einigen Fällen ist auch keine Transformation mehr möglich, sondern das Unternehmen ist mit seinem bestehenden Geschäftsfeld faktisch dem Tode geweiht. So z.B. Videotheken.
Nichtsdestotrotz sind Unternehmen, die eine Transformation erfolgreich geschafft haben, keine Gegenbeweise zu Schumpeters Theorie. Denn in diesen Fällen kristallisiert sich lediglich eines heraus: die Unternehmen haben ihre Geschäftsfelder und Unternehmensarchitekturen relativ stark verändert. Sie haben unter Druck aufgrund der Disruption erfolgreich innoviert. Und das ist exakt eine Folgedynamik in dieser Theorie.
In einigen Fällen ist auch keine Transformation mehr möglich, sondern das Unternehmen ist mit seinem bestehenden Geschäftsfeld faktisch dem Tode geweiht. So z.B. Videotheken.
Nichtsdestotrotz sind Unternehmen, die eine Transformation erfolgreich geschafft haben, keine Gegenbeweise zu Schumpeters Theorie.
Das heißt Schumpeters Theorie sagt etwas wie "etwas ist so und so und wenn es nicht so ist, dann ist es anders"?
Gezeigt zB im Falle von Nokia?
Nokia: Aufstieg und Niedergang des früheren Giganten - blog.RapidRalf.com27. Mai 2023Nokia, einst ein Gigant der Mobiltelefonbranche, hat eine Geschichte voller Höhen und Tiefen hinter sich. Von den Anfängen als Pionier der Mobiltelefonie bis zum dramatischen Niedergang werfen wir in diesem Blogbeitrag einen genaueren Blick auf die Mobilfunksparte der Firma Nokia. Dabei betrachten wir die entscheidenden ...Nokia - von der Papierfabrik zum Telekommunikationsspezialist
Spätestens seit es Mobiltelefone gibt, sind Nokia Handys in aller Munde. Doch einst begann der Weg zum Erfolg für Nokia anno 1865 auf anderen Pfaden: als Papierfabrik. So produzierte Nokia Anfang des 20. Jahrhunderts in erster Linie neben dem Papier Gebrauchsgegenstände wie Gummistiefel und Reifen für Rollstühle.
Das heißt Schumpeters Theorie sagt etwas wie "etwas ist so und so und wenn es nicht so ist, dann ist es anders"?
Nein. Es ist eine makroökonomische Theorie und sie besitzt keine Vorhersagekraft für ein spezielles Unternehmen o.ä.
Schumpeter beschreibt fundamentale Wechselwirkungen unserer Art zu wirtschaften. Das mag auf den ersten Blick trivial erscheinen, konzentriert sich aber auf ein wesentliches Phänomen, das über viele Jahre in den quantitativen Wirtschaftswissenschaften fast schon ignoriert wurde: Die Markt-Dynamik. Insb. neoklassische Gleichgewichtsmodelle kommen regelmäßig an ihre Grenzen, wenn man die Realität inkl. der Zeitachse abbilden möchte.
Die Theorie sagt, dass die Innovationsrate aufgrund unseres Pioniergeistes nicht konstant ist und sich deswegen die Faktorkombination über die Zeit hinweg unregelmäßig verändern. Erfindungen kommen in Wellen und in Technologieclustern. Das hat zur Folge, dass ganze Märkte mitunter radikalen Veränderungen unterworfen und ihre Güter abgelöst werden. Betroffene Unternehmen müssen innovieren oder gehen zugrunde.
Die Theorie könnte ein Kandidat für eine Krisentheorie sein, hat sich aber über die Jahre bislang nicht durchgesetzt. Ich gehe aber davon aus, dass diese Dynamik in neuen Krisentheorien aufgegriffen wird.
Wahr ist: Schumpeters Konzept der schöpferischen Zerstörung ist Teil eines breiteren wirtschaftsphilosophischen Ansatzes und wird in seinem Hauptwerk nur vergleichsweise knapp behandelt. Mathematische Fundierungen fehlen beispielsweise. Dennoch ist der Ansatz sehr bedeutend und wurde von vielen aufgegriffen und weiterentwickelt. Auch heute noch.
Ich formuliere es einmal so wie es in meinem Umfeld, welches eher nicht akademisch ist üblich wäre.
Der Mitarbeiter einer Firma die insolvent ist hat genau zwei Möglichkeiten:
Er wird
- in einem anderen Betrieb eingeachteter, anerkannter Mitarbeiter und Kollege.
- ein Sozialhilfefall.
Dafür stellt in meinen Kreisen aber niemand eine wissenschaftliche Theorie auf.
Dazu gibt es tatsächlich Theorien, die für den Betroffenen im Einzelfall aber praktisch irrelevant sind und sich höchstens zum A.... abwischen eignen.
Das ist ja die Ebene des echten Lebens, nicht des akademischen Elfenbeinturms. (Wobei Schumpeter mit der dynamischen Komponente durchaus dazu beigetragen hat, dass sich Ökonomen mehr von ihren statischen Glasperlenspielen lösen und die Realität fundierter beachten.)
Genauso wie Smartphones den Markt für klassische Handys (Nokia) gestört hat.
Was genau daran?
Das Ende der Firma Nokia war mit der Markteinführung der Smartphones unabwendbar?