Meinung des Tages: Rechtskonservativer Nawrocki gewinnt Wahl in Polen - wie bewertet Ihr den Ausgang der Wahl?
(Bild mit KI erstellt)
Ausgang der Präsidentschaftswahl
Polen hat gewählt: Karol Nawrocki, der von der rechtsnationalistischen PiS unterstützte parteilose Kandidat, hat die polnische Präsidentschaftswahl mit 50,89 Prozent der Stimmen knapp gewonnen. Sein proeuropäischer Gegenkandidat Rafał Trzaskowski kam auf 49,11 Prozent.
Insgesamt lag die Wahlbeteiligung bei über 71 Prozent; ein Rekordwert. Nawrocki profitierte besonders in ländlichen und östlichen Regionen, während Trzaskowski in Großstädten wie Warschau, Krakau und Łódź vorn lag. Die Wahl gilt als richtungsweisend für Polens künftigen innen- sowie außenpolitischen Kurs.
Machtgefüge und Auswirkung auf die Regierung
Der Präsident hat in Polen weitreichende Befugnisse: Er kann Gesetze mit einem Veto blockieren, die Außenpolitik mitbestimmen, den Regierungschef ernennen und ist im Kriegsfall Oberbefehlshaber. Nawrockis Sieg ist ein Rückschlag für die EU-freundliche Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk, die auf Trzaskowski als neuen Präsidenten gesetzt hatte, um Blockaden zu lösen.
Nawrocki dürfte – wie sein Vorgänger Duda – der Tusk-Regierung das Regieren erschweren. CDU-Politiker Paul Ziemiak sieht die Gefahr einer weiteren Blockadepolitik und schließt sogar Neuwahlen nicht aus.
Nawrockis außenpolitischer Kurs und Kontroversen
Nawrocki gilt als EU-skeptisch, vertritt eine Deutschland-kritische Linie und pflegte im Wahlkampf Nähe zu Donald Trump. Er fordert weiterhin Reparationen von Deutschland für Kriegsschäden und will sich von der EU „nichts vorschreiben lassen“.
Einen NATO-Beitritt der Ukraine lehnt er ab, ukrainischen Geflüchteten warf er vor, sich an Polen zu bereichern. In seiner Vergangenheit wird ihm eine Nähe zu rechtsextremen Gruppen und Beteiligung an Hooligan-Schlägereien vorgeworfen.
Unsere Fragen an Euch:
- Wie bewertet Ihr den Ausgang der Wahlen in Polen?
- Wie könnte sich das Verhältnis Polens zur EU unter Nawrocki verändern?
- Welche Auswirkungen könnte Nawrockis Haltung zur Ukraine auf die europäische Sicherheitspolitik haben?
- Wie könnte Nawrockis Forderung nach Reparationen das Verhältnis zu Deutschland belasten?
Wir freuen uns auf Eure Beiträge.
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
289 Stimmen
29 Antworten
So extrem knappe Wahlergebnisse sehe ich immer sehr kritisch.
Konnte man auch beim Brexit sehen, dass solche Wahl-Ergebnisse nicht unbedingt den Willen der Wähler abbildet, sondern den Erfolg von genügend Einfluss.
Solche 50/50 Wahlausgänge die nicht eindeutig sind, sind immer schlecht.
Ich finde, ein Land sollte immer mit mindestens 75% Mehrheit regiert werden, so dass möglichst eine breite Bevölkerung durch das Wahlergebnis abgedeckt ist.
Das hatte ich auch bei ähnlichen Fragen bzw. Situationen, auch ob Regierungsentscheidungen, schon länger vertreten. Ja, knappe Spaltungen sind keine wirkliche Mehrheiten! 👍🤝
Ich bin selber Polin und bin unzufrieden mit dem Ergebnis. Nawrocki wird sich gegen Tusk querstellen und es war auch eine sehr knappe Wahl das ist sowieso immer ziemlich kritisch.
Polen rückt nach rechts, wie zur Zeit gefühlt ganz Europa. Erstaunlich ist, dass es sich um einen parteilosen Kandidaten handelt.
Ob sich das negativ auf die Beziehungen mit Europa und vor allem mit uns auswirkt, bleibt abzuwarten. Er ist für ein militärisch starkes Polen, das ist schon mal nicht verkehrt und nicht so russlandhörig wie der starke Mann in Ungarn. Natürlich wird sich das Land hier zunächst etwas in der Gesetzgebung destabilisieren. Kontroversen mit der Tusk-Regierung sind weiter zu erwarten, dafür braucht es keine besondere Menschenkenntnis.
Natürlich ist der Ausgang kritisch zu sehen, aber bei 73 % Wahlbeteiligung wurde der Wille des Volkes wohl korrekt abgebildet. Die (kleine) Mehrheit der Polen will also, dass der Präsident weiterhin die Möglichkeit hat, die amtierende Regierung zu blockieren, wo immer es geht.
Dass das eigentlich keine Politik ist, die ein Land vorwärts bringt, konnte man doch in den letzten Jahren bei uns sehen, wo sich die Regierungsparteien ständig gegenseitig blockiert haben.
So lange in Polen rechtsstaatliche Grundsätze Bestand haben, können wir von außerhalb sowieso nichts machen.
Die polnischen Bürger haben bei der letzten Parlamentswahl mehrheitlich für die jetzige Regierung gestimmt, aber für das Präsidentenamt wollen sie jemand von der anderen Richtung. Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, dass es bei der Wahl Einflüsse von außerhalb gab? Zum Beispiel durch soziale Medien?
Ich vermute eher, dass der Kurs der liberalen Regierung vielen Polen arg gegen den Strich geht. Insbesondere vielen katholischen Menschen auf dem Land. Die sind dann für die rechten Positionen leichter zu gewinnen, bzw. die rechten haben es in ihrem Wahlkampf direkt auf diese Wähler abgesehen und damit Erfolg gehabt. Das sollte der jetzigen Regierung um Donald Tusk schon zu denken geben.
Ich befürchte aber, dass rechtsstaatliche Grundsätze in Polen schon Schritt für Schritt durch die Pis-Machthaber abgebaut wurden und jetzt eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit noch mehr erschwert wird.
siehe auch:
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Polen - aktuelle Situation - Demokratie in Gefahr - Pressefreiheit, Justiz, Minderheiten und Opposition - Artikel 7 Vertragsverletzungsverfahren - Analyse (lpb-bw.de)