Könnt ihr euch in Ausländer-Familien hineinversetzen?

Ja, kann ich mich schon hineinversetzen. 44%
Teilweise, nicht ganz. 44%
Nein, verstehe ich nicht. 11%

27 Stimmen

8 Antworten

Teilweise, nicht ganz.

Da ich beruflich viel unterwegs war, gerne auch mal länger, kenne ich erstmal schon das Gefühl "plötzlich" in einer anderen Kultur mit einer anderen Sprache zu leben und zu arbeiten (wenn auch nur auf Zeit).

Aber was ich eben nicht verstehen kann: Das erste was ich immer getan hab sobald ich an meinem neuen "Zuhause auf Zeit" angekommen bin: Mich angepasst, soweit es geht. Hab mich umgesehen, wie verhalten sich die anderen, was ist hier üblich, und hab es dann genauso gemacht.

Möglichst nicht auffallen, mich in die Gesellschaft integrieren. Nein nicht nur integrieren, noch besser mich assimilieren. Möglichst nicht als "anders", nicht als "Ausländer" wahrgenommen werden. Ich sehe: ah hier macht man das so und so - dann mach ich es auch so. Ich sehe: ah, das ist hier unüblich - dann lege ich das Verhalten also ab.

Daher verstehe ich eben nicht das Verhalten vieler Ausländer hierzulande, Leute die seit jahren hier leben aber immer noch nicht die Landessprache beherrschen. Die gerade bewusst darstellen wollen wie anders sie doch sind, ihre "eigene Kultur" ganz prominent nach aussen darstellen wollen, denen ganz wichtig ist darzustellen dass sie aus einern anderen Kultur stammen.

Kapier ich nicht. Ist exakt das Gegenteil dessen was ich als anständig und irgendwie als ganz natürlich empfinden würde, auch exakt das Gegenteil dessen was ich automatisch mache sobald in einem anderen Land bin, und daher für mich einfach unbegreifbar warum man sich so verhält.


MajaK547  07.06.2025, 16:24

Ich hätte da mal eine Nachfrage:
Du benutzt das Wort "assimilieren". Warum willst du deine Kultur aufgeben? Warum reicht dir die Integration nicht?
Nur eine Nachfrage, weil das Wort oft in diesem Kontext verwandt wird und ich jetzt einfach mal neugierig bin.

MertIs  07.06.2025, 16:33
@MajaK547

Weiß ich nicht. Es ist halt einfach so, wenn ich irgendwo lebe, möchte ich idealerweise einfach ein Teil davon sein. Und zwar ganz. Vollständig. Nicht nur halb, nicht nur an der Oberläche.

Ich möchte auch jetzt hier in meinem "Heimatland" möglichst nicht auffallen, möchte idealerweise in der Masse untergehen, ungesehen bleiben.

Für mich ist integrieren eben was oberflächliches, ich füge mich oberflächlich etwas in die bestehende Gesellschaft ein, aber insgeheim gehöre ich irgendwie doch nicht dazu, bin doch immer noch anders, pflege immer noch meien alte Kultur, meine alte Sprache. Das ist für mich nicht erstrebenswert. So bin ich halt nicht, entweder oder, ganz oder gar nicht. Das ist nicht was ich will, ich will, wenn dann voll und ganz dazu gehören, nicht auffallen, nicht anders sein.

Also mich vollständig assimilieren, nicht integrieren.

MajaK547  07.06.2025, 19:43
@MertIs

Danke für diese, deine Erklärung.
Ich sehe es etwas anders. Für mich bedeutet die Assimilation, dass man alles "vorherige" aufgibt.
Die Integration hingegen bedeutet für mich, dass man in die Gesellschaft eintaucht, sich anpasst. Aber trotzdem seine eigene Kultur, sein Essen, seine Gewohnheiten (mit Abstrichen!), seine Sprache beibehält.

Hast du jemals Kontakt zu ausgewanderten Deutschen gehabt? Ich schon. Ich traf Deutsche, die seit Jahrzehnten in dem jeweiligen Land lebten. Sich komplett integrierten.
Wie du sagst: Sie waren unauffällig, fielen nicht auf. Sprachen die Sprache, passten sich an, übernahmen Gewohnheiten.
Und doch: als ich fragte was ich mitbringen sollte: Fragte der eine nach einer Harzer Rolle - nun ja - ich überwand mich und wurde belohnt. Du kannst dir das glückliche Grinsen nicht vorstellen. Der alte Mann war selig - ein Stück alte Heimat.
Wenn er lt. der Definition assimiliert gewesen wäre, hätte er mir die Rolle um die Ohren gehauen.
Ähnliches erlebte ich in einem anderen Land bei der Ankunft eines dt. Bäckers. Die ausgewanderten Deutschen - alle integriert - freuten sich auf ein Vollkornbrot.

Warum ist die komplette Integration also zu wenig?

Waldemar200  07.06.2025, 21:46
@MajaK547

Gute Ansicht. Viele reden ohne Ahnung vom Thema oder von der Bedeutung von Fremdwörter zu haben.

Teilweise, nicht ganz.

Ein komplexes Thema.

Natürlich ist es schwer seine "Welt" zu verlassen. Ganz neu zu beginnen. Von nichts eine Ahnung zu haben. Weißt du, dass selbst die einfachsten Themen im Ausland schwer werden können?

Hier haben sie das Glück, dass ihnen wahnsinnig viel Hilfestellungen gegeben wird. Das haben andere Ausländer, die in andere Länder auswandern nicht.

Wie Mertis, weiß auch ich aus eigener Erfahrung was es heißt, im Ausland zu leben.

Und daher kann ich auch sagen, dass sie hier viel weniger Probleme haben können als anderenorts. Doch es liegt an den Menschen selbst.
Wenn sie sich weigern, die Sprache zu lernen, sich anzupassen, dann haben sie permanent Probleme. Und ja, werden auch irgendwann das Gefühl haben abgelehnt zu werden.
Wer sich hingegen integriert und somit anpasst, wird sich seine Kultur erhalten und hier heimisch werden.

Ja, kann ich mich schon hineinversetzen.

Nachdem es meiner Oma und meiner Mutter auch so ergangen ist, und meiner Schwiegeroma, deren Wohnung wir gerade räumen, auch, kann ich das schon nachvollziehen.

Und ja, selbst von Schlesien oder aus dem Sudetenland nach Bayern zu fliehen war 1945 ein Kulturschock. Vor allem, weil niemand diese Flüchtlinge wollte. Sie wurden Zwangseinquartiert! Gemeindemitarbeiter gingen von Haus zu Haus, errechneten die Quadratmeter und bestimmten, ob noch Platz für Flüchtlinge war oder nicht. Da konnte man sich nicht dagegen wehren.

Und bis heute erzählt mir ein damals Geflüchteter, dass er, inzwischen nach 80 Jahren, immer noch als Fremder, als Flüchtling, als Zugezogener gilt - nicht als Einheimischer.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Teilweise, nicht ganz.

Ich würde, wenn ich flüchten müsste, versuchen möglichst schnell die neue Sprache zu lernen und die Kultur kennenlernen bzw. auch ausleben.

Teilweise, nicht ganz.

Ich glaube so eine Flucht muss man in irgendeiner Form selbst erlebt haben um zu sagen: ja ich kann mich voll und ganz in die Flüchtlinge reinversetzen. Wer von uns hat das schon erlebt? Allenfalls die über 80jährigen im 2. Weltkrieg. Die hatten es aber von daher leichter dass sie wenigstens die Sprache konnten. Wobei: Wenn man in eine Gegend mit starkem Dialekt kam war das so leicht auch wieder nicht.

Leicht haben und hatten es beide nicht Beide sind nicht gewollt worden. Die einen wegen der Zwangseinquertierung und weil das wenige das es gab auch noch geteilt werden musste. Und die anderen weil die Kultur, der Glaube einfach zu fremd sind.