Ab welchem Zeitpunkt erlangt eurer Meinung nach ein Mensch die volle Menschenwürde?
Definition Menschenwürde
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Menschenw%C3%BCrde
SSW = Schwangerschaftswoche
80 Stimmen
12 Antworten
Traditionell ist es in unserer europäischen Rechtssprechung schon seit der Zeit der römischen Hochkultur so. Juristisch ist ein Mensch eine natürliche Person. Und das ist ab dem Zeitpunkt der Geburt.
Wie namhafte Juristen wie Frau Prof. Brosius-Gersdorf erörtert haben, "hat der Gesetzgeber (jedoch) Schutzpflichten für das Grundrecht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) des Embryos/Fetus, (jedenfalls) ab Zeugung" dennoch anerkannt.
In der katholischen Kirche sah man dies anders. Im Mittelalter galt der Zeitpunkt der "Menschwerdung" als 80. Tag nach der Zeugung. In Polen, einige Staaten der USA und in vielen muslimischen Ländern ist die Regelung aber strenger.
Es geht also immer um eine Abwägung. Eine Abtreibung in einem höheren Schwangerschaftsmonat wäre deshalb strafbar.
Tja. Was genau bedeutet "volle Menschenwürde"? Und welche Konsequenzen zieht man daraus?
Und wenn es denn so wäre, dass Abtreibung in jedem Fall gegen Art. 1 verstößt, dann hätte das Bundesverfassungsgericht keine wie auch immer gearteten Ausnahmen zulassen dürfen (vgl BVerfGE 115, 118).
Von daher gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder die Menschenwürde ist doch abwägungsfähig oder aber sie gilt nicht für Ungeborene ab der Zeugung.
Nun ist vermutlich der Anlass dieser Frage der eine Satz von Frau Brosius-Gersdorf, der in letzter Zeit immer und immer wieder zitiert wird: „Die Annahme, dass die Menschenwürde überall gelte, wo menschliches Leben existiert, ist ein biologistisch-naturalistischer Fehlschluss“ (F. Brosius-Gersdorf, S. 756). In diesem Aufsatz setzt sie sich rechtswissenschaftlich mit entsprechenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auseinander und das ist im übrigen durchaus legitim und nennt sich wissenschaftlicher Diskurs. In der Rechtswissenschaft ist es nämlich üblich, dass neben der Meinung der Rechtsprechung noch andere Meinungen existieren, die vertreten werden dürfen.
Und Frau Brosius-Gersdorf geht es in besagtem Aufsatz um genau dieses verfassungsrechtliche Dilemma. Wenn die Menschenwürde nicht abwägungsfähig ist und bereits ab der Nidation gilt, dann kann es keine Ausnahmen geben und dann dürfte der Schwangerschaftsabbruch unter keinen Umständen zulässig sein.
Da aber das Bundesverfassungsgericht in seiner letzten Entscheidung zum Thema durchaus Ausnahmen zugelassen hat, kann und muss man die rechtsdogmatische Frage stellen, ob denn vielleicht die Menschenwürde doch nicht ab Nidation gilt, ob die Menschenwürde abwägungsfähig sein soll oder ob es andere Lösungen gibt, diese Frage widerspruchsfrei zu lösen.
Die Umfrage wurde aufgrund des Skandälchens um die Fragen zur Abtreibung von Fr. Frauke Brosius-Gersdorf ins Leben gerufen? Sie hat genau diese Diskussion angeregt und wurde dafür von rechter Seite angegangen und so polarisiert, dass Teile der CDU Bedenken bekamen.
Meine rein persönliche Meinung: Irgendwo zwischen der Zeugung und der Ausbildung von dem, was einen Menschen ausmacht, Organe, insbes. das zentrale Nervensystem, nicht unbedingt bereits ab dem ersten Herzschlag. Die derzeitige Regelung ist durchaus sinnvoll.
ABER:
Auszug (nicht unbedingt meine Meinung aber geltendes Recht):
Der Schwangerschaftsabbruch muß für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen und demgemäß rechtlich verboten sein (Bestätigung von BVerfGE 39, 1, 44). Das Lebensrecht des Ungeborenen darf nicht, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden.
Die Reichweite der Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben ist im Blick auf die Bedeutung und Schutzbedürftigkeit des zu schützenden Rechtsguts einerseits und damit kollidierender Rechtsgüter andererseits zu bestimmen. Als vom Lebensrecht des Ungeborenen berührte Rechtsgüter kommen dabei - ausgehend vom Anspruch der schwangeren Frau auf Schutz und Achtung ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) - vor allem ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie ihr Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) in Betracht. Dagegen kann die Frau für die mit dem Schwangerschaftsabbruch einhergehende Tötung des Ungeborenen nicht eine grundrechtlich in Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition in Anspruch nehmen
Ich frage bei sowas immer nach den ethisch relevanten Bedingungen. Und das sind Bewusstsein & Schmerzempfinden. Ansonsten hätte jeder Stein Würde verdient. Und bei diesen Kriterien sind wir nunmal bei pränatalen Gehirnreife.
Dieses ethische Prinzip nach den von mir genannten Bedingungen nennt sich übrigens Sentientismus.
Das ist die gesamtgesellschaftlich akzeptierte Übereinkunft und deswegen darf man straflos, wenn auch nach festen Verfahrensregeln, bis zur Geburt abtreiben.
Aus demselben Grund darf das Leben der Schwangeren stets über das Leben des Ungeborenen gestellt werden. Bei vollumfänglicher Zuerkennung der Menschenwürde dürfte das Leben der Schwangeren nicht gegen das Leben des Ungeborenen aufgerechnet werden,
Da liegst Du falsch. Lies auch mal die Urteilsbegründungen zu den BVG—Sprüchen und besonders die Kommentierung der Minderheitsmeinungen ( der Beschluss war längst nicht einstimmig).
Die verdruckste Rechtslage ergab sich aus der mangelnden Bereitschaft die Menschwerdungsdebatte zu einem Ende zu bringen, auch weil es aus parteipolitischen Gründen keine klaren politischen Mehrheiten für diese Diskussion und letztlich die komplette Abschaffung des §218 gab.
Daraus ergab sich auch die völlig verquere Rechtspraxis, dass trotz prinzipieller Strafbarkeit Abtreibungen mit recht minimalen Hürden bis kurz vor der Geburt straffrei durchgeführt werden dürfen.
Mittlerweile dürfte es eine überparteiliche Mehrheit für die Abschaffung der Rechtswidrigkeit geben. In der Bevölkerung liegt die Zustimmung dafür zwischen 72 und 83% ( je nach Umfrage).
Nein! Das widerspricht der ganzen bisherigen Rechtsprechung des BVerGs. Abtreibung ist rechtlich Tötung, lediglich die Mutter ist unter bestimmten Bedingungen straffrei. Das ist der gute Kompromiss der Fristenlösung, der nun von linksgrünen Fanatikern in Frage gestellt wird. Im Parlament gibt es für die Eiferer a la Brosius-Gersdorf keine Mehrheit. RRG hat lediglich knapp 40 %.