Warum gilt das Deutschland-Ticket nicht auch im Fernverkehr?

8 Antworten

Der Fernverkehr lohnt sich für die Bahn mehr, ein günstiges Monatsticket wäre daher ziemlich Geschäftsschödigend oder müsste von der Allgemeinheit mittels Steuergelder unverhältnismäßig stark subventioniert werden.

Zudem ist der Fernverkehr auf vielen Strecken zu Stoßzeiten extrem stark ausgelastet. Es gibt nicht die freien kapazitäten da noch alle mit günstigem Ticket mitzunehmen, wenn man die Leute nicht in den Zügen stapeln will.

Lukas1990 
Fragesteller
 13.04.2023, 11:20

Das mit den vollen Fernzügen ändert sich jetzt sicher. Wenn jeder so ein D-Ticket hat, werden die Leute kein Geld mehr für den teuren Fernverkehr ausgeben. Und wenn die Nachfrage so hoch ist, muss die Bahn auch mehr Züge einsetzen.

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TK1138  13.04.2023, 11:24
@Lukas1990
 Wenn jeder so ein D-Ticket hat, werden die Leute kein Geld mehr für den teuren Fernverkehr ausgeben

Das ist Wunschdenken. Bummelzüge sind heute schon deutlich günstiger, Leute nutzen Fernverkehrszüge, weil sie eine mööglichst schnelle und halbwegs zuverlässige Verbindung möchten.

Und wenn die Nachfrage so hoch ist, muss die Bahn auch mehr Züge einsetzen.

Stellenweise wird schon an der Kapazitätsgrenze der Strecken agiert. Man kann nicht beliebig viele Züge auf die gleiche Strecke stellen. Zumal für Investitionen geld da sein muss. Und am Ende bedeutet es, dass du deutlich mehr Zahlen musst. Entwederüber teurere Tickets oder deutlich mehr Steueranteil für die Bahn.

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Xearox  13.04.2023, 11:25
@Lukas1990

Oh doch... Gerade deswegen würde ich noch Geld für Fernverkehr ausgeben.

Wenn ich privat mit dem ICE fahre, dann ausschließlich Erste Klasse, da habe ich meine Ruhe, viel Platz und nicht irgendwelche Kleinkinder, die die ganze Fahrt über schreien, wie es doch recht häufig im SPNV der Fall ist.

Davon ab, wer will schon teilweise dreimal so lang mit der bimmelbahn unterwegs sein, wenn's mit dem ICE schneller geht?

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Lukas1990 
Fragesteller
 13.04.2023, 11:33
@Xearox

Vielleicht weil es billiger ist? Und die Leute haben eh Zeit. Vor allem die Armen.

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Xearox  13.04.2023, 12:23
@Lukas1990

Das stimmt, aber die armen fahren auch kein ICE.

Also während des 9 Euro Tickets hat sich im ICE nicht viel getan was Auslastung anging.

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TK1138  13.04.2023, 12:30
@Xearox

Zwischen Arm und reicht liegt der Mittelstand, der den größten bevölerungsanteil ausmacht. Das 9€ Ticket galt mit wenigen Ausnahmen auch nicht für den Fernverkehr.

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Xearox  13.04.2023, 14:34
@TK1138

Richtig. Deswegen sagte ich ja, im Fernverkehr gab's keinen Unterschied. Es würde nicht weniger, nur weil der Nahverkehr praktisch geschenkt war.

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Nun der Fernverkehr ist erheblich kostspieliger und hat ganz andere Kapazitäten. Es gibt ja auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt oft Probleme Plätze zu bekommen, obwohl Tickets mit Zugbindung und Sitzplatzreservierung verkauft werden. Stell dir vor, plötzlich hätte jeder eine Bahncard 100.

Außerdem Ist der Fernverkehr ein deutlich anderes Infrastruktursystem und nicht teil des ÖPNV. Dann könnte man auch argumentieren, dass zu einem einheitlichen Fernverkehrsticket auch Inlandsflüge und Fernbusse zählen müssten

Lukas1990 
Fragesteller
 13.04.2023, 11:10

In Österreich gilt das Umweltticket auch im Fernverkehr. Sogar in den Nachtzügen. Sogar Schüler können im Sommer für 20 Euro/Monat alle Züge benutzen. Und das hat in Österreich immer geklappt. Und paradox ist das ja schon, denn gerade der Fernverkehr liegt doch in der Kompetenz des Bundes. Und das Deutschlandticket war eine Idee des Bundes.

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BenniIQH  13.04.2023, 11:31
@Lukas1990

Bis vor kurzer Zeit gab es Ja auch noch das Deutschlandticket für den Sommer... Wurde abgeschafft weil nicht rentabel. Alternativen sind Interrail etc.
Ziel war ja auch eine Erhöhung der Attraktivität des ÖPNV als alternative zum Auto-Pendelverkehr. Vermutlich nutzen zum Pendeln nicht genug Leute den Fernverkehr.

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Lukas1990 
Fragesteller
 13.04.2023, 11:34
@BenniIQH

Deutschlandticket für den Sommer? Was ist das denn? Du meinst das 9-Euro-Ticket?

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Der Grund ist die völlig unterschiedliche Finanzierung. Nahverkehr wird von den Bundesländern bestellt, ausgeschrieben und finanziert. Das Land steht finanziell dafür gerade, dass die Leistungen von den Firmen, die die Ausschreibungen gewinnen, erbracht werden, egal, ob die Kosten durch Fahrscheine gedeckt werden oder nicht. Der Sinn dabei ist eine Grundversorgung für alle mit einem Basis-Mobilitätsangebot.

Der Fernverkehr hingegen wird vor allem von DB Fernverkehr AG erbracht. Sie erbringt die Leistungen im Prinzip mehr nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Sie erstellt ein nachfrageorientiertes Angebot, dass sich nach Ticketeinnahmen möglichst rechnen soll (tut es in der Praxis auch nicht vollständig). Die Kosten sind höher, durch größeren Personalaufwand im Fernverkehr bei meist deutlich geringerer Anzahl Reisender pro bewegter Leermasse des Rollmaterials, der Energieverbrauch pro Kilometer und damit die Kosten sind im Fernverkehr durch die vielfach höheren Geschwindigkeiten höher (nicht ganz so, wie man auf den ersten Blick erwarten könnte, weil das ständige Wiederanfahren eines Regionalzuges ja auch große Mengen von Strom verbraucht, was zum Glück aber heute durch Wirbelstrombremsen teilweise zurückgewonnen wird)

Die Steuerungsmöglichkeiten der Politik sind deutlich geringer. Die Subventionen, die der Staat zahlen müsste, um ein halbwegs bezahlbares Deutschlandticket für den Fernverkehr bereitzustellen, wären exorbitant - oder das Ticket wäre unattraktiv teuer.

Lukas1990 
Fragesteller
 13.04.2023, 11:26

Ich frage mich, warum die Bahn es kaum schafft, durch Verkauf der Ticket-Preise große Gewinne einzufahren. Wenn das nur ein Nullsummenspiel ist, warum gibt es dann auch private Firmen wie dem FlixTrain? Das sind doch Unternehmen, die Gewinne machen wollen. Sonst würde sich das ja gar nicht lohnen.

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Giovanni47  13.04.2023, 11:43
@Lukas1990

In der Schweiz beträgt die durchschnittliche Sitzplatzauslastung - sämtliche Züge zusammen - kaum 30%. Das dürfte in Deutschland wohl ähnlich sein.

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filmfan69  13.04.2023, 12:02
@Lukas1990

Ich blicke das auch nicht ganz, weil das Thema unglaublich komplex ist. Ich weiß nur, dass der Sockelbetrag zur Gewährleistung von Eisenbahnverkehren unvergleichlich höher ist als beim Verkehrsträger Straße. Gleis-, Weichen- und Signalunterhaltung sind aufwändiger als Straßenunterhaltung, Signalanlagen müssen zuverlässiger funktionieren als zB Verkehrsampeln (deren Ausfall ist zwar auch nicht schön, aber der Straßenverkehr kann ihn in kompensieren, während eine Bahnstrecke bei Ausfall von Signalanlagen schlicht dicht ist). Jeder unbewirtschaftete 0-8-15-Haltepunkt an einer Bahnstrecke verursacht mehr Kosten als eine Bushaltestelle, allein schon aufgrund der Beleuchtung und der höheren Herstellungskosten, die amortisiert werden müssen.

Größere Bahnhöfe haben ihre Infrastruktur (Licht, Rolltreppen, Reinigung und und und) und auch Personal. Und ich finde das gut, an schwedische Verhältnisse, wo in einer Stadt wie Umeå mit über 100.000 Einwohnern im Hauptbahnhof kein für Kunden sichtbarer Angestellter der Bahn mehr sein Geld verdient, vermag ich mich noch nicht zu gewöhnen.

All das fließt in unsere Ticketpreise ein, denn das finanziert DB Netz natürlich über Trassengebühren, die alle Gesellschaften zu zahlen haben. Hier wäre ein Hebel zum Ansetzen: Warum zahle ich mit meinen Ticketzahlungen Trassengebühren, darf aber so gut wie jede deutsche Straße gebührenfrei nutzen? Das ist eine strukturelle Benachteiligung der Schiene. (Ich weiß nicht, wie es heute ist, aber im Italien der frühen 1990er Jahre kostete ein 1.Klasse-Ticket Mailand-Rom mit dem Zug das gleiche wie die Autobahngebühr für die gleiche Strecke, und da hattest du noch keinen Kilometer Betrieb des Autos finanziert!)

Die Kosten für Anschaffung und Wartung von Eisenbahnfahrzeugen liegen deutlich über denen für Busse.

Du siehst: Bahninfrastruktur ist super kostenintensiv!

Ich weiß zu wenig über Flixtrain, würde aber nicht ausschließen, dass sie durch das äußerst lukrative Geschäftsmodell Fernbus (geringe Personal- und Fahrzeugkosten, geringer Energieverbrauch, kaum Trassengebühren) den Flixtrain quersubventionieren. Aber das weiß ich nicht.

Ergiebiger ist da wahrscheinlich ein Vergleich von Snälltåget und SJ (schwedische Staatsbahn). Soweit ich weiß, operiert Snälltåget ausschließlich mit Zügen, ist privat, gehört allerdings zu TransDev und schreibt schwarze Zahlen. Mich interessiert es sehr, ich hab aber leider keine Zeit, nach dem Funktionieren der Geschäftsmodelle von Snälltåget und Flixtrain zu recherchieren. Aber vielleicht du?

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filmfan69  13.04.2023, 12:10
@Giovanni47

Da wäre, im Sinne der Frage, eine Unterscheidung zwischen Fern- und Nahverkehr sehr interessant. Gibt es dazu verlässliche Schweizer Zahlen? Oder kriegt man die gar nicht, weil in der Schweiz die Übergänge zwischen Nah-/Regionslverkehr einerseits und Fernverkehr andererseits in der Schweiz fließender sind als in Deutschland?

Denn sollte die Auslastung im FV sehr hoch sein und der Gesamtwert nur durch fast leere Züricher S-Bahnen am Tagesende dermaßen nach unten gedrückt werden, erübrigt sich die weitere Frage.

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blackhaya  13.04.2023, 12:35
@Lukas1990

Was die privaten Firmen da machen das nennt sich Rosenpicken. Es gibt einige Strecken die lassen sich kostendeckend bertreiben wie Berlin nach Hamburg, nur das nutzt die ganzen Schüler oder Schichtarbeiter nichts, die z.b. nach Kleinkleckersdorf zur Schule oder zur Arbeit wollen und da auch frühmorgens oder spätabends.

Das die Bahn auch kleinere Orte oder Dörfer anfährt und das auch zu Nebenzeiten das ist halt eine allgemeine Daseinsvorsorge und wird stark subventioniert.

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Ganz einfach:
Der Fernverkehr ist eigenwirtschaftlich organisiert, ergo müssen da die Einnahmen die Ausgaben decken - und mit einer Netzkarte für 49 € wäre das nicht zu machen.

Der Nahverkehr hingegen ist Ländersache - und die Länder schreiben die Nahverkehrsleistungen aus, wobei die Leistungserbringer (Verkehrsunternehmen) einen festen Betrag erhalten, während die Fahrgeldeinnahmen letztlich dem Land zufließen, welches auch die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben decken muss (nicht umsonst wurde so intensiv über den Bundeszuschuss gefeilscht). Randnotiz: Das kann zwar in jedem Land etwas anders sein, teilweise schreiben auch Verbünde oder Kommunen aus, der grundsätzliche Ablauf ändert sich aber nicht.

Gibt noch die Probe bc 100 für 3 monate