Könnte man THEORETISCH mit Überlichtgeschwindigkeit in die Vergangenheit reisen?

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Nein, egal was man versucht, eine Reise in die Vergangenheit ist unmöglich, denn was passiert bzw. vergangen ist, ist endgültig vorbei. Das kann man nicht rückgängig machen. Etwas anderes wäre eine Reise in die Zukunft, da gibt es hypothetische Modelle in der Physik.

SlowPhil  08.08.2023, 13:22

Dass etwas Vergangenes nicht mehr verändert werden könne, entspricht unserer Intuition und unserem Wissensstand.

Logisch zwingend ist es nicht; das delayed choice quantum eraser - Experiment scheint die Interpretation zuzulassen, dass sich ein Ereignis wie der Kollaps der Wellenfunktion rückgängig machen lässt. Oder gar nicht stattfindet, wie in EVERETTs Multiversum.

Umgekehrt entspricht es auch unserer Intuition, dass die Zukunft offen sei. Auch das ist nicht gesagt. Die Möglichkeit, dass die gesamte Geschichte des Universums wie ein fertiger Film ist und wir sind die Charaktere sind, lässt sich nicht ausschließen. Natürlich könnte ich mich theoretisch so oder so entscheiden, was einen gewissen Einfluss auf die Zukunft hätte, aber wie ich mich tatsächlich entscheiden werde, könnte längst festliegen, nur dass wir das jetzt noch nicht wissen, weil wir "den Film erst bis hierher geguckt haben".

In beiden Fällen wären die Paradoxien kein Problem, denn in EVERETTs Multiversum würde durch jemanden, der in der Vergangenheit auftaucht, einfach eine alternative Zeitlinie geschaffen, und in einem völlig deterministischen Universum würde die Zeitreise gerade zu der Realität führen, die vor dem Start der Reise bestünde.

Ich sehe da mehr Probleme mit den Kontinuitätsgleichungen, die für alle Fermionen gelten, d.h. Fermionen (aus denen wir ja bestehen) lösen sich nicht einfach in Energie auf und entstehen auch nicht einfach aus genügend Energie, zumindest nicht, ohne dass zugleich auch Antifermionen entstehen (es muss nicht unbedingt genau derselbe Typ sein; beim Betazerfall entsteht ein Elektron und ein Antineutrino).

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Fragen der Art "was wäre wenn man das XY-Naturgesetz brechen könnte" können keine korrekte Antwort haben, weil die Natur keine Reservegesetze hinter gebrochenen Gesetzen hat - und auch nicht braucht, denn Naturgesetze kann man nicht brechen. Das XY-Naturgesetz kann nicht ohne das ABC-Naturgesetz und das NMK-Naturgesetz funktionieren und umgekehrt. Naturgesetze sagen nicht, was verboten ist, sondern was möglich ist. Alles andere ist Einbildung, die nur zu Widersprüchen, Missverständnissen und ja, auch zu sinnlosem Kichern führt.

Wenn man einen Teil der Natur ändert, dann funktionieren die anderen Teile nicht anders, sondern gar nicht mehr - dann ist alles kaputt.

Nein wenn, dann würdest du für dich selbst die Kausalität umkehren, aber das betrifft nicht das restliche Universum und es wäre dann wohl so, dass du aus Sicht des restlichen Universum dich rückwärts durch die Zeit bewegen würdest, also Wirkung vor Ursache quasi, aber eben nur bei dir, nicht für die anderen.

Für dich selber könnte also so sein, dass du, bevor du überhaubt daran gedacht hast irgendwo hinfliegen zu wollen, schon auf dem Weg bist, aber du würdest nicht wirklich in die Vergangenheit dadurch reisen.

Da es physikalisch absolut unmöglich ist, die Lichtgeschwindigkeit zu überschreiten, ist allein die Vorstellung, das doch zu tun, nur Fiktion. Dementsprechend kannst du dir auch selber was ausdenken, was deiner Meinung nach dann passieren könnte. In dem Moment, in dem du ignorierst, dass man die Lichtgeschwindigkeit nicht überschreiten kann, kannst du auch alle anderen Gesetze der Physik ignorieren, zum Beispiel die Gravitation oder den Verlauf der Zeit, denn das alles ist genauso von der Physik abhängig wie die Lichtgeschwindigkeit.

(Quelle: Mein Physiklehrer. Der hat das mal ganz ausführlich erklärt. Der weiß auf jeden Fall Bescheid, das ist keiner der sich sein Studium gekauft hat.)

Hallo 0Meeri7,

meine Antwort wird ziemlich länglich ausfallen, da ich einige Sachverhalte recht ausführlich erklären muss.

Könnte man THEORETISCH mit Überlichtgeschwindigkeit in die Vergangenheit reisen?

Die Idee ist wohl, dass eine Reise in die Vergangenheit herauskäme, wenn man in die Mathematik der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) Überlichtgeschwindigkeit*) einsetzt. So einfach ist das nicht, wie wir sehen werden. Wäre dem allerdings so, dann wäre gerade das die Begründung dafür, dass Überlichtgeschwindigkeit*) unmöglich ist, da Reisen in die eigene Vergangenheit zu Paradoxien führen.

...dass die Zeit für die Reisenden immer langsamer vergeht, je mehr man sich der Lichtgeschwindigkeit annähert.

Die Formulierung ist missverständlich: Die Aussage, dass für mich irgendwelche Zeit langsamer vergehe, würde ich so interpretieren, dass auf meiner Uhr Ώ und nach meinem Zeitempfinden mehr Zeit "vergeht" als auf einer Vergleichsuhr U.

Nach der SRT ist es aber umgekehrt: Für einen Vorgang in meiner Umgebung, der nach Ώ die Dauer Δτ (Eigenzeit) hat, wirst Du, wenn Du ihn von U aus beobachtest und U als ruhend ansiehst, auf die U- Koordinatenzeit

(1) Δt = Δτ/√{1 − (v⁄c)²} =: γ∙Δτ

kommen, wobei v mein Tempo*) bzw. meine 1D-Geschwindigkeit relativ zu U und c die Lichtgeschwindigkeit*) (eigentlich auch ein Tempo) ist.

Die Idee hinter Deiner Frage ist offensichtlich die, was passiert, wenn man einfach v>c in (1) einsetzt. Beachte aber, dass die Differenz unter einer Quadratwurzel steht; es kommt also nichts Negatives, sondern etwas Imaginäres heraus, was die Frage nach einer gescheiten physikalischen Interpretation aufwirft.

Das Wort "Zeitdilatation" und der Spruch "bewegte Uhren gehen langsamer" sind irreführend, weil die SRT ja gerade auf GALILEIs Relativitätsprinzip (RP) basiert.

Das RP

Betrachten wir ein Raumfahrzeug B als ruhend (Bezugskörper) und bewegt sich ein anderes Raumfahrzeug B' mit konstanter 1D-Geschwindigkeit*) v in x-Richtung eines von B aus definierten Koordinatensystems Σ, so können wir ebensogut B' als Bezugskörper auswählen und betrachten damit B als mit −v (gleiches Tempo, entgegengesetzte Richtung) in x'-Richtung eines von B' aus definierten Koordinatensystems Σ' bewegt.

Daher finden zwei Ereignisse, die z.B. in Σ' zeitlich nacheinander am selben Ort stattfinden, in Σ an zwei verschiedenen Orten statt (Relativität der Gleichortigkeit), und das Konzept der Gleichortigkeit muss verallgemeinert werden: Zwei Ereignisse, für die es ein Koordinatensystem gibt, in dem sie gleichortig nacheinander stattfinden, heißen zeitartig getrennt.

Die grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen (nichts anderes sind Naturgesetze) sind unabhängig von der Wahl des Bezugskörpers.

GALILEI meets MAXWELL

Zu den Naturgesetzen gehören auch MAXWELLs Grundgleichungen der Elektrodynamik und damit die elektromagnetische Wellengleichung. Sie muss also in Σ und Σ' gleichermaßen gelten, d.h., was sich relativ zu B mit der Lichtgeschwindigkeit*) c bewegt, tut dies auch relativ zu B' und umgekehrt.

Das führt zu einer bestimmten Struktur der Raumzeit. Unter anderem sind zwei Ereignisse, die in Σ gleichzeitig an unterschiedlichen Stellen der x-Achse stattfinden, in Σ' nicht gleichzeitig.

Natürliche Einheiten

Für das folgende Beispiel werden wir Strecken und Zeitspannen in derselben Maßeinheit angeben, sodass c=1 ist. So würden wir z.B. 30cm als 1ns bezeichnen.

Relativität der Gleichzeitigkeit

Angenommen, außer B gibt es noch zwei weitere Raumfahrzeuge A bei x = −d (d ist eine konstante Distanz) und C bei x = d; alle 4 Raumfahrzeuge stehen in Funkkontakt.

Wir interessieren uns speziell für die Signale von A und C, die B und B' in dem Moment t₀ bzw. t'₀ erreichen, in dem Letztere aneinander vorbeifliegen. Da A und C dieselbe Distanz d von B haben, ist ihrer jeweiligen Absendung in Σ derselbe Zeitpunkt t₀ − d zugewiesen.

In Σ' hingegen ziehen A, B und C als Konvoy an B' vorbei; C muss von B' zur Zeit der Absendung seines Signals um den Faktor

(2) (1 + v)/(1 − v) =: K²

weiter entfernt als A bei Aussendung seines Signals; demensprechend "älter" muss das Signal daher sein. Genauer: C muss das Signal zur Zeit t'₀ − K∙d abgeschickt haben, A erst zur Zeit t'₀ − d⁄K.

Setzen wir Zahlen ein, um das ganze konkreter zu machen: v = 0,6 => K = 2; d = 2min = 120s, t₀ = t'₀ = 12:00 Uhr. Dann müssen in Σ A und C ihre Signale beide um 11:58 Uhr abgeschickt haben; in Σ' muss C sein Signal bereits um 11:56 Uhr abgeschickt haben, A seines erst um 11:59 Uhr.

Bild zum Beitrag

Abb. 1: Raumzeit-Diagramm der Begegnung von B und B'; die Signale sind in grün dargestellt. Als "Nebeneffekte" ergeben sich "Zeitdilatation" (Vergleich Δt mit Δτ) und "Längenkontraktion" (Vergleich d' und d).

Im Ruhesystem Σ" eines relativ zu B mit −v bewegten Raumfahrzeugs B" (nicht eingezeichnet) hätte A sein Signal früher losgeschickt als C.

Das Konzept der Gleichzeitigkeit muss ebenfalls verallgemeinert werden: Zwei Ereignisse, für die es ein Koordinatensystem gibt, in dem sie gleichzeitig an verschiedenen Orten stattfinden, heißen raumartig getrennt. Sie sind kausal voneinander entkoppelt, d.h. keines kann das andere beeinflussen.

Tachyonen und das Antitelefon

Die SRT "erlaubt"prinzipiell Tachyonen; das sind hypothetische Teilchen die sich immer und relativ zu jedem Körper bzw. Beobachter überlichtschnell bewegen. Allerdings könnten Tachyonen, sollte es sie geben, keine innere zeitliche Ordnung haben.

Könnte man sie tatsächlich zur Kommunikation verwenden, wäre es möglich, ein sog. Antitelefon zu bauen, mit dessen Hilfe man "über Bande" Nachrichten in die eigene Vergangenheit schicken könnte.

Das würde jedoch zu kausalen Paradoxien führen, und genau deshalb gilt überlichtschnelle Kommunikation als unmöglich: Tachyonen gibt es entweder nicht, oder sie eignen sich nicht zur Kommunikation. Für überlichtschnelle Reisen gilt das natürlich erst recht.

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*) Geschwindigkeit im engeren Sinne (engl. velocity) ist eine Vektorgröße, eine Größe mit Richtung. Bewegen sich zwei Körper mit demselben Tempo (engl. speed), aber in unterschiedliche Richtungen, sind ihre Geschwindigkeiten unterschiedlich. Zwei Körper, die tatsächlich dieselbe Geschwindigkeit haben, bewegen sich relativ zueinander nicht.

Grundsätzlich lassen sich Geschwindigkeiten in 3 Komponenten zerlegen; im Beispiel definieren wir Koordinatensysteme von B und von B' aus so, dass nur die x- Komponente von 0 verschieden ist. Sie kann dann allerdings immer noch positiv oder negativ sein. Was wir Lichtgeschwindigkeit nennen, heißt auf Englisch speed of light, ist also auch ein Tempo.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT
 - (Zeit, Licht, Geschwindigkeit)
SlowPhil  07.08.2023, 15:48

Ich muss gestehen, dass ich etwas enttäuscht bin...

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