Wie vergeht GEFÜHLT für einen mit annähernd Lichtgeschwindigkeit Reisenden die Zeit?

6 Antworten

Klar ist jedenfalls schon mal, dass der Reisende fühlt wie sein Herz mit der ihm bekannten Geschwindigkeit schlägt (von ihm aus gesehen / gefühlt). Er altert also gefühlt genauso schnell oder langsam wie immer.

Die Frage ist nur, wie schnell das ihn umgebende Restuniversum altert, zu dem er sich relativ mit hoher Geschwindigkeit bewegt.

Würden wir ihm hinterhersehen, würden wir ihn sehr langsam altern sehen (im Vergleich zu uns.

Er wiederrum würde das Universum um ihn herum umso schneller altern sehen, je schneller er sich bewegt. Würde er sich mit LG bewegen, würde er das Universum um ihn herum zu jedem beliebigen Zeitpunkt gleichzeitig sehen, also sämtliche Zeitpunkte, die das Universum nach seinem Abflug noch jemals altern würde.

Im Gegenzug würde man ihn vom Rest des Universums aus völlig unbwegt sehen, also aus dieser Außenperspektive würde er mit LG (uns gegenüber) gar nicht mehr altern.


SlowPhil  11.03.2020, 22:53

Nimm an, ich komme an Dir mit v vorbei, wir stellen unsere Uhren auf 0. Eine Zeit t₀=τ₀ (nach Deiner Uhr U) später schickst Du mir ein Signal hinterher und bekommst zur Zeit t₂=τ₂ mit dem Zeitstempel ť₁=τ₁ (nach meiner Uhr U').

Wie sieht nun das Verhältnis zwischen τ₀, τ₁ und τ₂ aus?

Wenn Du Dich als ruhend ansiehst, heißt das, das Signal müsste nach Deiner Uhr zur Zeit

t₁ = τ₀ + vτ₀⁄(c − v)
= (τ₀(c − v) + vτ₀)⁄(c − v)
= cτ₀⁄(c − v) = τ₀⁄(1 − β)

bei mir eintreffen und ich natürlich

v∙τ₀⁄(1 − β)

entfernt sein. Dementsprechend braucht das Signal weitere

v∙τ₀⁄c(1 − β) = v∙τ₀⁄(c − v)

und kommt zur Zeit

t₂ = τ₂ = τ₀ + 2vτ₀⁄(c − v)
= (τ₀(c − v) + 2vτ₀)⁄(c − v)
= (cτ₀ − vτ₀)⁄(c − v)
= τ₀(1 + β)⁄(1 − β) = τ₀K²

an. So weit ist das völlig „normal". Allerdings gibt es nach GALILEIs Relativitätsprinzip (RP) gar nicht den ruhenden und den bewegten Beobachter, sondern nur Bewegung relativ zueinander, und deshalb muss

τ₂/τ₁ = τ₁/τ₀

und somit

τ₁ = τ₀√{(c + v)⁄(c − v)} = τ₀K

sein. Somit ist

t₁/τ₁ = 1⁄Κ(1 − β)
= √{(1 + β)⁄(1 − β)(1 + β)²}
= √{1⁄(1 − β)(1 + β)} = √{1⁄(1 − β²)},

was nichts anderes ist als der LORENTZ-Faktor γ.

Siehst Du mich als ruhend an, musst Du Dir überlegen, dass Du zum Zeitpunkt t'₁ = τ₁ eben v∙τ₁ entfernt bist und das Signal Dich mit c − v einholen muss, also nach meiner Uhr zur Zeit

t'₂ = τ₁ + vτ₁⁄(c − v)
= (τ₁(c − v) + vτ₁)⁄(c − v)
= cτ₁⁄(c − v) = τ₁⁄(1 − β)
= τ₀K/(1 − β)
= τ₂/K(1 − β)
= τ₂√{(1 + β)⁄(1 − β)(1 + β)²}
= τ₂√{1⁄(1 − β)(1 + β)}
= τ₂√{1⁄(1 − β²)} = τ₂∙γ

erreichen. Nach dieser Interpretation geht also Deine Uhr langsamer.

SlowPhil  11.03.2020, 20:58

Es wird gern die "Zeitdilatation" mit dem verwechselt, was man sehen würde.

Weder sieht der Reisende das gesamte Rest- Universum um sich herum schneller "altern" noch jeder aus dem Rest- Universum ihn entsprechend langsamer. Vielmehr ist das abhängig von der Richtung:

  • Ein Beobachter hinter dem Reisenden sieht diesen in Zeitlupe, aber umgekehrt ist dasselbe. der Fall. Damit einer geht eine DOPPLER-Rotverschiebung um den Faktor K = √{(c+v)⁄(c−v)} (hinsichtlich der Periodendauer).
  • Ein Beobachter vor dem Reisenden sieht diesen im Zeitraffer, und umgekehrt dasselbe. Damit einer geht eine DOPPLER-Blauverschiebung um den Faktor 1⁄K = √{(c−v)⁄(c+v)} (hinsichtlich der Periodendauer).

Die sog. Zeitdilatation ist ein Nebeneffekt der Relativität der Gleichzeitigkeit:...

Die Zeit vergeht für den, der mit annähernd Lichtgeschwindigkeit reist im Empfinden ganz normal. Würde er aber andere beobachten die aufgrund seiner Geschwindigkeit an ihm mit annähernd Lichtgeschwindigkeit vorbeireisen, so wird es für ihn aussehen, als verginge die Zeit der andere  langsamer.

Würde er Lichtgeschwindigkeit erreichen können, würde aus seiner Perspektive die Zeit aller nicht mit ihm Reisenden unendlich gedehnt werden (Division durch 0), also stehen bleiben. Gleiches gilt aber auch für die Massenträgheit seines Raumschiffes -sie würde also unendlich hoch werden - und eben deshalb wird er die Lichtgeschwindigkeit gar nicht erst erreichen.


ctest  16.09.2017, 17:24

Die Zeit bleibt nicht stehen ... nie und nirgends.

Man kann auch nicht in die Vergangenheit reisen.

Wenn Du in Richtung von einem Stern der in hundert Lichtjahren entfernung "steht" (der steht dort gar nicht mehr weil er dort, wo Du sein Licht siehst, vor hundert Jahren gestanden hat) mit Lichtgeschwindigkeit fliegst, dann bleibt das Bild des Sternes so wie es war, wo Du angefangen hast mit Lichtgeschwindigkeit auf das Licht von dem Stern zuzufliegen. (das Licht kommt Dir mit Lichtgeschwindigkeit entgegen und Du fliegst dem Licht mit Lichtgeschwindigkeit entgegen ... das hebt sich dann auf).

Wenn Du dem Licht was Dir entgegen kommt, mit Über-Lichtgeschwindigkeit entgegen fliegst, dann wird das Bild "jünger" ... das geht aber nur so lange bis Du auf dem Stern landest.

Es ist völlig unmöglich in die Vergangenheit zu "reisen".... die aktuelle Zeit ist eine feste Grenze ... man kann die Zeit NICHT zurückstellen.    

prohaska2  16.09.2017, 21:00
@ctest

Die Zeit wird stehenbleiben, wenn das Universum die maximale Entropie erreicht hat.

Lies nach bei Pauldrach.

ctest  17.09.2017, 00:14
@prohaska2

Die Zeit kann nicht stehenbleiben und eine maximale Entropie wird es nie geben .... das Universum ist ein "Kreislauf" in so einem Kreislauf ist nichts ewig.

JTKirk2000  17.09.2017, 05:24
@ctest

Wenn Du meinst mache doch eine Grenzwertberechnung auf Basis der Formel zur Zeitdilatation. Wenn v = c wird, ist der Loeentzfaktor = 0 und daher auch t' = t / 0 und was ist t' dann? Ganz recht es ist das Reziproke von null also unendlich. Ob Du das nun akzeptieren kannst oder nicht, ist unerheblich - es ist mathematische Gewissheit.

ETechnikerfx  21.09.2017, 21:30
@JTKirk2000

Aber keine physikalische. Du unterliegst nämlich dem Trugschluß dass v=c ist und dies ist nun einmal nicht möglich.

Du machst eine Ungenauigkeit bei "eine Strecke von 5 Lichtjahren", denn diese Strecke ist ja relativ. Für den Reisenden ist es also tatsächlich "oh eine Sekunde* vorbei, ich bin schon da!", aber (!) für ihn ist es auch: "Oh, 10m* weiter und ich bin schon da!" (deshalb ist es ok, wenn er keine 5 Jahre braucht).

Die zurückgelegte Strecke ist genauso relativ wie die dafür benötigte Zeit.

Falls es dir etwas sagt: https://www.leifiphysik.de/relativitaetstheorie/spezielle-relativitaetstheorie/laengenkontraktion

*Zahlen beispielhaft


Lolligerhans  16.09.2017, 05:35

Die Ungenauigkeit ist: Man sollte angeben, aus wessen Sicht es 5 Lichtjahre sind. Die Verwendung von Lichtjahren scheint mir diese Verständnisprobleme auch zu provozieren, da sich das Jahr selbst bekanntlich auch unterscheidet. ;)

Kratzii 
Beitragsersteller
 16.09.2017, 09:32
@Lolligerhans

Ich danke dir vielmals! Dass ja auch Längenkontraktion stattfindet, habe vollkommen außer acht gelassen! 

Ist es denn nun auch so, dass, wenn für den Reisenden gefühlt eine Millisekunde vergeht, für den Beobachter Jahrmillionen vergehen?

Gibt es eine Formel um die beiden Zeiten zu berechnen wenn man die Geschwindigkeit (99%C) und die Strecke (5 Lichtjahre aus Beobachterperspektive) kennt?

SlowPhil  17.01.2021, 07:44
... diese Strecke ist ja relativ.

Wenn man ein von einer im Sonnensystem umherdümpelnden Uhr U aus definiertes Koordinatensystem Σ als Bezugsrahmen verwendet, ist die Strecke klar definiert als 5 Lichtjahre.

Im momentanen Ruhesystem des Reisenden während seiner Reise bewegen sich Erde und Zielort rasend schnell, und er vor Antritt und nach Ankunft übrigens auch.

In diesem Koordinatensystem beschleunigt er nicht bei Abfahrt und bremst bei Ankunft ab, sondern umgekehrt, er bremst bei Reiseantritt ab und lässt den Zielort auf sich zukommen, und bei Annäherung beschleunigt er wieder auf dessen Geschwindigkeit.

So redet aber im Alltag kein Mensch.

De Zeit vergeht für einen mit annährender Lichtgeschwindigkeit Reisenden ganz normal, genau wie für jemanden auf der Erde. Der Reisende altert auch genauso schnell wie jemand auf der Erde (biologische Faktoren mal ausgeklammert). Das die Zeit langsamer vergeht ist nur in Relation zur Erde gemeint (als Bezugspunkt), solange der Reisende sich mit annährender Lichtgeschwindigkeit bewegt. Als Beobachter zur Erde würde es ihm so erscheinen, als ob die Zeit dort langsamer verginge, doch letztlich vergeht die Zeit für jeden gleich schnell.



muckel3302  16.09.2017, 13:19

Nachtrag: Im letzen Satz sollte es heißen "schneller verginge", nicht langsamer. Für einen Erdbeobachter verginge die Zeit scheinbar auf dem Einschiffung des Reisenden langsamer. Kleiner Verwechsler

Hallo Kratzii,

das Wort "gefühlt" ist irreführend. Man sagt zwar "Zeit ist relativ", aber "relativ" bedeutet nicht "subjektiv". Es geht um Messungen mit Uhren.

Ein Raumfahrer legt eine Strecke von 5 Lichtjahren mit annähernd Lichtgeschwindigkeit zurück. Der Autor des Buches sagt, für ihn verginge mir der Bruchteil einer Sekunde...

Dann müsste er freilich schon sehr schnell fliegen, von c nicht mehr unterscheidbar. Das ist allerdings beliebig unrealistisch.

...und auf der Erde vergingen Jahrmillionen. Dies erschien mir falsch, ...

...weil es das natürlich auch ist. Es war ja nicht die Rede von Millionen von Lichtjahren, sondern 5, und dafür braucht selbst das Licht definitionsgemäß 5 Jahre. Erd- Koordinatenzeit, wohl bemerkt.

Koordinatenzeit und Eigenzeit

Diese ist die von einer im Sonnensystem dümpelnden Uhr U aus auf Distanz und unter der Voraussetzung, dass U stationär ist, ermittelte Zeitspanne Δt, die zeitliche Koordinatendifferenz in einem von U aus definierten Koordinatensystem Σ.

Im Unterschied dazu ist die Eigenzeit eine von seiner Uhr Ώ direkt gemessene Zeitspanne Δτ, etwa für einen Vorgang an Bord. Sie ist in der Raumzeit genau das, was die Länge Δs einer Strecke (oder einer Salami) im Raum (oder auf einem Tisch) ist.

Wenn ich auf der Erde dem mit Lichtgeschwindigkeit Reisenden hinterher gucke, müsste ich ihn dann nicht eigentlich genau 5 Jahre reisen sehen?

10 Jahre (seine Ankunft am Ziel ist 5 Jahre nach Start, und das Licht davon braucht auch 5 Jahre zu Dir). Das weißt Du aber. Wenn Du ihn ankommen siehst, weißt Du, dass er 5 Jahre zuvor angekommen sein muss. Deshalb ja "ermittelt" statt "gemessen". Du musst noch rechnen.

Sehen wirst Du ihn genau genommen gar nicht, denn alles Licht, das er reflektiert oder emittiert, wird derart rotverschoben, dass Du keine Chance hast, etwas zu detektieren.

Raumfahrzeug = Zeitmaschine
Bekannt ist, dass die Zeit für ihn langsamer vergeht.

So herum wird das oft gesagt, und das ist verkehrt herum (immer vorausgesetzt, man verwendet Σ, in dem die Erde sich nicht bzw. "langsam" – im Vergleich zu c – bewegt), als Bezugsrahmen.

Seine Uhr geht in Σ langsamer, d.h., für ihn, subjektiv wie objektiv, gemessen durch Ώ. Man könnte aber auch sagen, er reist in Σ schneller richtung Zukunft. Ein schnell bewegtes Raumfahrzeug ist zwangsläufig auch eine Zeitmaschine.

Raumzeitliche Abstände
...bitte mit Formeln, wenn möglich,...

Aber gern! Ich hatte eine Salami erwähnt, die auf einem Tisch liegt. Nennen wir sie S, ihre Länge L und ihren Durchmesser d. Sie gibt die z-Achse eines gleichnamigen Koordinatensystems vor; quer dazu ist die x-Achse. Eine andere, im Winkel θ zu S liegende gleiche Salami S° definiert auf dieselbe Weise ein gleichnamiges Koordinatensystem.

Die Beziehung zwischen dem Abstand und den Koordinatendifferenzen zweier beliebiger Punkte ist nach PYTHAGORAS

(1) Δs² = Δz² + Δx² ≡ Δz°² + Δx°².

Das lässt sich natürlich auch auf z.B. S selbst anwenden, mit Δs = Δz° = L, Δx° = 0, Δz = L∙cos(θ) und Δx = L∙sin(θ). Schneidet man S° in x- Richtung (!) an, erhält man eine Schnittfläche der großen Achse d⁄cos(θ).

Ganz ähnlich, aber doch anders ist das mit zwei mit ∓v relativ zueinander bewegten Raumfahrzeugen B und B' mit ihren gleichnamigen Bordbistros, deren Durchmesser wir ebenfalls d nennen wollen.

Die Rolle von "Punkten" nehmen in der Raumzeit Ereignisse ein. Wir wollen annehmen, dass sie zeitartig getrennt sind, d.h. es gibt (oder könnte geben) eine Uhr Ώ, relativ zu der sie gleichortig sind. Die Beziehung zwischen der von Ώ gemessenen Eigenzeit, den Koordinatenzeiten und den durch

Δs = √{Δx²+Δy²+Δz²}; Δs' = √{Δx'²+Δy'²+Δz'²}

zusammengefassten räumlichen Koordinatendifferenzen ist nach EINSTEINs Mathematikprofessor MINKOWSKI durch

(2.1) Δτ² = Δt² − Δs²⁄c² ≡ Δt'² − Δs'²⁄c²

gegeben. Das Minuszeichen ist ein Teil dessen, was den Unterschied zwischen Zeit und Raum ausmacht, und es "sorgt dafür" dass Δs = c∙Δt für dieselben Ereignispaare sind, für die Δs' = c∙Δt' ist und umgekehrt. In dem Fall ist allerdings Δτ=0 und heißen die Ereignisse nicht mehr zeitartig, sondern lichtartig getrennt.

Das Licht- Tempo c ist, wie man sagt, invariant unter einem Wechsel des Bezugsrahmens (d.h. Uminterpretation von "B ist stationär" zu "B' ist stationär" oder umgekehrt).

Ereignisse mit Δs > c∙Δt bzw. Δs' > c∙Δt' heißen raumartig getrennt. Das ist eine Verallgemeinerung der Gleichzeitigkeit von Ereignissen, d.h., es gibt eine Uhr Ώ (oder kann eine geben), von der aus sie als im Abstand

(2.2) Δς² = Δs² − c²Δt² ≡ Δs'² − c²Δt'²

gleichzeitig geschehen.

Natürlich lässt sich (2.1) auch auf einen Vorgang (z.B. den Genuss einer Tasse Cappuccino) der Dauer Δτ = Δt' = 𝚻, Δs' = 0, Δt' = 𝚻∙γ und Δs' = 𝚻∙γ∙v, wobei

(3) γ = Δt⁄Δτ = Δt⁄√{Δt² − Δs²⁄c²} = Δt⁄√{Δt² − Δt²∙v²⁄c²} = 1⁄√{1 − v²⁄c²}

der LORENTZ- Faktor heißt. Betrachtet man eine "Momentaufnahme" des Bordbistros von B', allerdings mit gleicher B- Koordinatenzeit, ergibt sich in Bewegungsrichtung die Länge d⁄γ. Dies wird noch immer "Längenkontraktion" genannt, ist aber eigentlich nur ein Schrägschnitt durch die "Weltwurst" des Vorgangs.

Bild zum Beitrag

Abb. 1: Vergleich räumliche vs. raumzeitliche Abstandsverhältnisse

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
 - (Physik, Astronomie, Weltraum)