Liegt die Zeitdilatation bei der Relativitätstheorie NUR im Auge des Betrachters?

4 Antworten

Ruhe existiert im Universum nicht, alles ist in Bewegung. Wir können höchstens von Bewegungen relativ zur Erde sprechen.

Wenn sich zwei Bezugsysteme aneinander vorbeibewegen, erscheint die eigene Zeit "normal" und die Zeit des andern gedehnt. Die verzerrte Raumzeit (Raum und Zeit gehören zusammen) ist eher mathematisch zu verstehen, damit der absolute Wert c (Lichtgeschwindigkeit) aus Weg durch Zeit immer gleich bleibt.

Von annähernd lichtschnellen Teilchen (kosmische Strahlung) aus gesehen, die auf die Erde zurasen, erscheinen wir verzerrt und annähernd lichtschnell. Merkst du was bezüglich Relativität?

Wenn jedoch ein Raumschiff von der Erde (die sich gleichförmig weiterbewegt) startet, beschleunigt (also Energie hineinsteckt), einen Bogen fliegt (Kreisbeschleunigung), verzögert (ist auch Beschleunigung) und wieder auf der Erde landet, wird sich beim Vergleich mit der Erde herausstellen, dass im Raumschiff weniger Zeit vergangen ist.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
Ruhe existiert im Universum nicht, alles ist in Bewegung.

Jeder Körper kann rein physikalisch als zumindest momentan ruhend betrachtet werden, und wenn er keine Beschleunigung erfährt, auch über einen längeren Zeitraum.

Astronomisch kann es allerdings sogar Körper geben, die mit besserem Recht als andere als relativ zum Kosmos als solchem ruhend betrachtet werden können. Das sind Körper, von denen aus das Universum (sei es die Materie, sei es der CMB) symmetrischer erscheint als von anderen aus.

Die verzerrte Raumzeit (Raum und Zeit gehören zusammen) ist eher mathematisch zu verstehen...

Hier droht das Missverständnis, schon "Zeitdilatation" und "Längenkontraktion" in der SRT als "Verzerrung" oder gar "Krümmung" der Raumzeit zu bezeichnen. Das ist nicht der Fall. Die SRT- Raumzeit ist geometrisch flach.

Ich halte die Raumzeit auch nicht nur für real, sondern für das einzig Reale. Wir brauchen schon einen Bezugskörper B, um die Raumzeit sinnvoll in Zeit, genauer B- Koordinatenzeit (die von B aus ermittelte Zeit) t und Raum zu zerlegen, denn was in einem Ruhesystem von B ein fester Ort ist (nämlich eine feste Position relativ zu B), ist in einem Ruhesystem eines relativ zu B mit v› bewegten Körpers B' kein fester Ort, sondern nur eine feste Position relativ zu einem mit −v› bewegten Körper (nämlich B).

Die B- Koordinatenzeit und die B'- Koordinatenzeit sind, wie der Name schon sagt, Koordinaten (t bzw. t') bzw. Koordinatendifferenzen (Δt bzw. Δt') in verschiedenen Koordinatensystemen. Es ist also gar nicht so abwegig, anzunehmen, dass sie unterschiedlich sind.

Wenn Du auf ein Blatt Papier zeichnest und eine karierte Folie mit Koordinatensysrem darauf legst, bekommt jeder Punkt Koordinaten und jedes Paar von Punkten Koordinatendifferenzen. Drehst Du die Folie, ändern sich die meisten Koordinaten und Koordinatendifferenzen, ohne dass sich an der Zeichnung selbst irgendetwas ändert. Echte Abstände bleiben gleich.

So ähnlich ist das auch mit der Raumzeit, nur dass ihre Metrik eine andere ist als die gewohnte. Ein absoluter Abstand zwischen zwei aufeinander folgenden Ereignissen ist die von einer lokalen Uhr Ώ direkt gemessene Zeitspanne Δτ, die Eigenzeit.

..., damit der absolute Wert c (Lichtgeschwindigkeit) aus Weg durch Zeit immer gleich bleibt.

Ich würde eher sagen: Die Metrik der Raumzeit ist so beschaffen, dass die Lichtgeschwindigkeit in jedem Koordinatensystem c beträgt.

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@SlowPhil

Wir sprechen in der SRT (flache Raumzeit) natürlich nicht von Raumkrümmungen, wie das durch Masse in der ART der Fall ist, sondern von unterschiedlichen Koordinatensystemen, in denen c absolut ist und immer den gleichen Wert hat. Trotzdem ist der Zeitablauf tatsächlich (experimentell bewiesen) unterschiedlich.

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Hallo GusPaer,

es ist suboptimal, dass noch heute das Wort "Zeitdilatation" verwendet wird, denn es ist irreführend, weil sie genau solche Fragen entstehen lässt:

Wer hat jetzt "recht"? Wo vergeht die Zeit "wirklich" langsamer?

Zeit und Raum sind nicht unabhängig voneinander; es gibt nur die Raumzeit. Jeder Körper hat seine eigene Weltlinie (WL), seine eigene zeitliche Vorwärtsrichtung.

Bewegen sich zwei Uhren U und U' mit konstanter 1D-Geschwindigkeit*) v relativ zueinander, geht nicht entweder U' schlechthin langsamer als U oder U schlechthin langsamer als U', sondern jede dieser Uhren geht in Bezug auf die WL der jeweils anderen langsamer.

Eine räumliche Analogie

Stell Dir zwei Autofahrer vor, die ab einer Kreuzung, wo sie sich treffen, beide mit dem Tempo*) u = 30 m⁄s (= 108 km⁄h) fahren, allerdings auf verschiedenen Straßen, die miteinander einen Winkel von knapp 37° bilden, dessen Sinus ⅗ und dessen Cosinus ⅘ ist. Eine Sekunde später sind beide also 30 m gefahren, allerdings ist

  • der linke Fahrer in Bezug auf die Richtung seiner Straße 30 m vorwärts gefahren, der rechte aber 18 m nach rechts und dafür nur 24 m vorwärts,
  • der rechte Fahrer in Bezug auf die Richtung seiner Straße 30 m vorwärts gefahren, der linke aber 18 m nach links und dafür nur 24 m vorwärts.

Die Frage lautet nun also:

Welcher Fahrer fällt gegenüber welchem zurück?

Die Antwort darauf lautet: das hängt davon ab, welche Straße wir als "vorwärts verlaufen" definieren.

-- Baustelle --

"Zeitdilatation" ist der Unterschied zwischen der Eigenzeit und einer Koordinatenzeit zwischen zwei Ereignissen E₁ und E₂:

  • Die Eigenzeit ist die von einer lokalen Uhr direkt gemessene Zeitspanne Δτ = τ₂ − τ₁.
  • Die U- Koordinatenzeit ist die von einer Uhr U aus mit der Interpretation von U als ruhend aus Messwerten berechnete Zeitspanne Δt = t₂ − t₁. Wie der Name sagt, ist sie eine Koordinatendifferenz, denn ein von U aus definiertes Koordinatensystem ist ein raumzeitliches, mit der Koordinatenzeit als

Bewegt sich Ώ relativ zu U zumindest während dieser Zeit mit konstanter 1D-Geschwindigkeit*) Δx⁄Δt = v =: β∙c, wobei c das Lichttempo*) ist, so ist bekanntlich

(1) Δt⁄Δτ = γ := 1/√{1 − β²}.

Angenommen ich stehe auf der Erde in "Ruhe".

Die Erde rotiert und bewegt sich mit stetig veränderter Geschwindigkeit. Daher stelle ich mir lieber ein im freien Weltraum schwebendes Raumfahrzeug B vor. Nur dann ist ein von B aus definiertes Koordinatensystem Σ ein Inertialsystem.

Ein Raumschiff...

…nennen wir es B', mit mir an Bord…

...fliegt vorbei, v nahe Lichtgeschwindigkeit.

v muss nicht nahe der Lichtgeschwindigkeit c sein, sondern nur ein signifikanter Bruchteil von c. Besonders gut rechnen lässt sich mit v = 0,6c respektive β := v⁄c = 0,6.

-- Baustelle --

...lässt sich geometrisch als Neigung seiner WL (=Zeitachse eines von B' aus definierten Koordinatensystems Σ') relativ zu der von B auffassen. Der Einfachheit halber wollen wir uns Σ so ausgerichtet denken, dass sich B' relativ zu B in x-Richtung bewegt, also v = β∙c = Δx⁄Δt.

GALILEIs Relativitätsprinzip (RP)
Nun schaut aber der Astronaut im Raumschiff auf die Erde. Für ihn bewegt sich die Erde mit v, er ist in "Ruhe".

Genauer: B bewegt sich relativ zu B' mit Δx'⁄Δt' = −v (gleiches Tempo, entgegengesetzte Richtung).

Übrigens kann ich mich als ruhend ansehen, aber ich muss es nicht. Tun wir auf der Erde ja auch fast nie, wenn wir unterwegs sind. Wir haben freie Wahl, ob wir Σ oder Σ' als Bezugssystem auswählen. An den grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen (nichts anderes sind Naturgesetze) ändert die Wahl nichts.

Die Umrechnung zwischen Σ und Σ' in der NM ist die GALILEI- Transformation, die man geometrisch als Scherung in der Raumzeit auffassen kann. Sie lässt Zeitspannen invariant (unverändert), d.h., in der NM würde auch Δt mit Δτ übereinstimmen.

GALILEI meets MAXWELL

Zu den Naturgesetzen gehören auch MAXWELLs Grundgleichungen der Elektrodynamik und damit auch die elektromagnetische Wellengleichung, die c als universelle Naturkonstante enthalten. Was sich also relativ zu B mit c bewegt, muss sich auch relativ zu B' mit c bewegen und umgekehrt.

Der optische DOPPLER-Effekt

Wenn wir uns einander mit konstantem, aber unbekanntem Tempo v = β∙c nähern, können wir v bzw. β mit Radar messen, indem z.B. B ein Signal ein Signal mit der Frequenz f₀ zu B' schickt und später das Echo auffängt. B' misst die Frequenz f'₁

Wir fassen B zunächst als ruhend auf; dann ergibt sich aus den allgemeinen Gleichungen

(1) λ = č⁄f  <=>  f = č⁄λ,

wobei č das Differenztempo zwischen Signal bzw. Echo und Körper (hier B') ist, folgendes:

Das Signal hat zunächst die Wellenlänge λ₀ = c⁄f₀ und kommt mit č = c + v = c(1 + β) auf B' zu. Daher trifft es – nach der Uhr von B – mit der Frequenz

(2.1) f₁ = c(1 + β)⁄λ₀ = (1 + β)f₀

auf. Das Echo entfernt sich mit č = c − v = c(1 − β) von B', was seine Wellenlänge auf

(2.2) λ₂ = c(1 − β)⁄f₁ = λ₀(1 − β)/(1 + β)

komprimiert. Das Echo kommt daher mit

(2.3) f₂ = c⁄λ₂ = f₀(1 + β)/(1 − β) =: f₀K²  

an. Natürlich werden wir f₂ messen und β ausrechnen, müssen also (2.3) umstellen:

(3) β = (f₂⁄f₀ − 1)/(f₂⁄f₀ + 1) = (K² − 1)/(K² + 1).

Ist z.B. K² = 4, so ist β = 0,6. Daraus ergibt sich auch f₁ = 1,6∙f₀ und f₂ = 2,5∙f₁.

Fassen wir nun B' als ruhend auf: Das von B abgegebene Signal hat – nach der Uhr von B – die Frequenz f'₀.

Das Signal entfernt sich von B mit dem Differenztempo c − v = c(1 − β), was die Wellenlänge schon auf

(4.1) λ'₁ = c(1 − β)⁄f'₀

komprimiert und dafür sorgt, dass das Signal mit der (von B' real messbaren) Frequenz

(4.2) f'₁ = c⁄λ'₁ = f'₀/(1 − β) (hier: 2,5∙f'₀)

bei B' ankommt. Das Echo verlässt B' mit c und unveränderter Wellenlänge und bewegt sich mit dem Differenztempo c + v = c(1 + β) auf B zu, wo es mit der Frequenz

(4.3) f'₂ = c(1 + β)/λ'₁ = f'₀(1 + β)/(1 − β) = f'₀∙K²

ankommt. Wie es laut RP sein sollte, ist f'₂⁄f'₀ = f₂⁄f₀ (hier 4).

-- Baustelle --

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*) Geschwindigkeit vs. Tempo

Die Geschwindigkeit im engeren physikalischen Sinne, engl. velocity, ist eine Vektorgröße, eine Größe mit Richtung. In einem z B. von U aus definierten Koordinatensystem Σ lässt sie sich in 3 Komponenten zerlegen,

v› = (vx | vy | vz) = (Δx | Δy | Δz).

Für den Betrag von v›,

⎜v›⎟ = √{vx² + vy² + vz²},

kennt das Englische das Wort speed, was sich im Deutschen gut mit Tempo wiedergeben lässt. Was wir die Lichtgeschwindigkeit nennen, heißt im Englischen speed of light und ist eigentlich ein Tempo. Mit v als 1D-Geschwindigkeit meine ich, dass ich Σ so ausgerichtet denke, dass die Bewegungsrichtung die x-Richtung ist. Im Unterschied zum Tempo kann die 1D-Geschwindigkeit auch negativ sein.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT
Nun vergeht die Zeit, aus meiner Sicht, im Raumschiff langsamer.

ja

Für ihn vergeht also die Zeit auf der Erde langsamer.

ja

Wer hat jetzt "recht"?

beide

Wo vergeht die Zeit "wirklich" langsamer?

es gibt nicht die eine "wirkliche" zeit. das ist ja der punkt.

Oder ist dies wirklich streng vom Auge des Betrachters abhängig und welches Inertialsystem als das Ruhende betrachtet wird?

ja, das ist der punkt. es geht um die definition von gleichzeitigkeit zweier ereignisse an verschiedenen orten. diese ist zu einem gewissen grad willkürlich und führt daher in verschiedenen inertialsystemen zu unterschiedlichen interpretationen. physikalische observablen hängen von dieser definition der gleichzeitigkeit nicht ab.

beachte dass aber zum beispiel die länge der verstrichenen eigenzeit entlang einer bestimmten weltlinie eine solche messbare physikalische größe ist unter daher eindeutig bestimmt ist und nicht von der definition von gleichzeitigkeit an verschiedenen orten abhängt. und dass diese eigenzeit zwischen zwei ereignissen entlang verschiedener weltlinien die die selben zwei ereignisse verbinden unterschiedlich lang sein kann. das ist etwas anderes als das was du hier fragst.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Physiker (Teilchenphysik)

Die Zeitdilatation ist tatsächlich vom Auge des betrachters abhängig und hängt davon ab, welches inertialsystem als dass ruhende betrachtet wird Es gibt kein "richtig" oder "falsch", sondern nur unterschiedliche Perspektiven Die Zeit vergeht auf beiden Seiten langsamer, je nachdem, wer dass bewegte objekt ist