Blickwechsel 24. November 2022
Deine Frage an einen ultraorthodoxen Juden
Alles zum Blickwechsel

Evolutionslehre 🦖 und Urknall-Theorie 💥 - Ist die Schöpfungslehre dadurch widerlegt worden?

12 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich bin zwar weder angesprochen, noch kann ich für's Judentum sprechen, aber als Christ kann ich immerhin einen Juden zitieren, der für uns Christen ein wichtiger Theologe wurde:

"Denn sein unsichtbares Wesen, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, wird seit Erschaffung der Welt in dem Gemachten wahrgenommen und geschaut" Röm 1,20

Wenn wir in dem Gemachten beobachten können dass Urknall und Evolution stattgefunden haben, dann können wir darin die Göttlichkeit des Schöpfers wahrnehmen.

(die Erschaffung der Welt in 7 Tagen) nicht widerlegt

Die Genesis stellt dem 7-Tages-Hymnus einen weiteren Schöpfungstext gleich daneben, der einen ganz anderen, dem Hymnus großteils widersprechenden Ablauf der Schöpfung beschreibt. Dies zeigt, dass bereits den Verantwortlichen dafür schon klar war, dass sie gar nicht wissen wie genau im Detail Gott die Welt erschaffen hat und dass das nicht die Absicht der Texte ist, eine solche Beschreibung zu versuchen.

DeinGuterFreund 
Fragesteller
 24.11.2022, 17:29

Akzeptable Antwort 😁

1

Glauben darf jede und jeder alles.

In der Wissenschaft geht es aber nicht darum, was man glauben kann, sondern um das, was sich auch beweisen lässt; ob das, was man glaubt, auch mit den tatsächlichen Beobachtungen aus der Natur übereinstimmt - oder eben nicht. Jeder darf z. B. glauben, dass Regen von unten nach oben fällt. Ein Blick aus dem Fenster reicht aus, um festzustellen, dass diese Annahme nicht stimmt.

Auch der Schöpfungsmythos muss sich mit der Wirklichkeit messen - und schneidet dabei ebenso schlecht ab wie der Glaube an einen der Schwerkraft trotzenden Regen. Tatsächlich ist es nicht nur so, dass alle empirischen Befunde für die Evolutionstheorie sprechen, sie widerlegen gleichzeitig eindeutig auch den Schöpfungsmythos.

Bevor wir uns einige wenige Belege anschauen, wollen wir uns aber noch mit den heiligen Schriften beschäftigen, bei den Christen also mit dem Schöpfungsmythos aus dem alten Testament der Bibel, das den jüdischen Schöpfungsmythos übernommen hat. Das alte Testament bzw. der Tanach sind ja letztendlich die Quellen, auf die Religionsgläubige sich stützen. Nur sind diese als objektive Quellen überhaupt nicht geeignet. In Wahrheit handelt es sich bei den Schilderungen aus dem Tanach nicht um Tatsachenberichte, sondern um Hörensagen. Die ältesten Teile des Tanach entstanden um etwa 1500 v. u. Z. also viele tausend Jahre nach den Ereignissen, die darin geschildert werden. Kein einziger Autor ist somit wirklich dabei gewesen und kann von sich behaupten ein verlässlicher Augenzeuge gewesen zu sein. Keiner der Autoren kann also beurteilen, ob sich die geschilderten Ereignisse wirklich so zugetragen haben. "Es steht so in der Bibel (oder im Tanach), also muss es wahr sein", ist folglich keine Argumentation.

Kreationisten, also solche Menschen (gleich welcher Glaubensrichtung), die nicht an die Evolution, sondern an die Schöpfung glauben, sind der Meinung, dass die Erde erst 6000 Jahre alt ist. Begründung: weil es so in der Bibel steht. Nicht direkt, aber wenn man die (angeblich) erreichten Lebensalter der biblischen Figuren zusammenzählt, soll man auf dieses Ergebnis kommen. Nun ist "weil es so in der Bibel steht" aber eben kein Beweis. Zur Überprüfung bräuchten wir eine objektive Methode, mit der sich das Alter der Erde zweifelsfrei messen lässt.

Eine solche Messmethode gibt es tatsächlich. Es ist die Isotopenstratigraphie. Dabei macht man sich den radioaktiven Zerfall instabiler Isotope zunutze, die mit einer für jedes Isotop charakteristischen und stets konstanten Rate (Halbwertszeit) zerfallen. Mit der Isotopendatierung hat man das Alter von Gesteinen auf der ganzen Welt datieren können. Dabei kam heraus, dass die ältesten Gesteine auf der Erde ein Alter von über 4 Mrd. Jahren haben. Die ältesten bislang gefundenen Gesteine wurden in Kanada entdeckt. Es handelt sich um Gneis mit einem Alter von etwa 4.28 Mrd. Jahren. Die Befunde zeigen eindeutig, dass die Erde somit niemals nur 6000 Jahre alt sein kann. Selbst unsere eigene Spezies, der anatomisch moderne Mensch, ist schon länger hier als er laut Schöpfungsbericht eigentlich da sein dürfte - nämlich rund 315 000 Jahre. So alt sind nämlich die ältesten fossilen Überreste anatomisch moderner Homo sapiens aus Afrika.

Wir finden im alten Testament noch eine weitere Geschichte, die nicht zu den beobachtbaren Befunden aus der Natur passt, nämlich die Sintflutgeschichte (die sich so ähnlich in vielen Religionen findet). Der Geschichte zufolge soll Noah von jeder Tierart (die Pflanzen mussten wohl nicht gerettet werden, anscheinend vertrugen selbst Kakteen zu Noahs Lebzeiten Staunässe!) ein Paar an Bord seiner Arche gebracht haben. Darin warteten sie die Sintflut ab und am Berg Ararat in der heutigen Türkei gingen sie an Land und starteten von dort aus die Neubesiedlung. Die Natur zeigt uns gleich in mehrfacher Hinsicht, dass diese Geschichte nicht stimmen kann:

  • Noch heute, Jahrtausende später, entdecken wir immer noch neue Arten. Nur ein Bruchteil dessen, was auf der Erde lebt, ist bereits wissenschaftlich entdeckt worden. Wenn wir heute nicht alle Arten kennen, wie soll das Noah gekonnt haben? Wie soll es ihm möglich gewesen sein, trotz der fehlenden Artenkenntnis exakt ein Paar jeder Art zu sammeln?
  • Selbst die uns heute schon bekannten Arten übersteigen die Kapazitäten, die ein einzelnes Schiff bieten könnte. Nie und nimmer hätte Noah sie alle auf seinem Kahn unterbringen können.
  • Australien, Süd- und Nordamerika waren damals noch gar nicht (von den Bewohnern der Alten Welt) entdeckt. Wie soll es Noah gelungen sein, von dort Tiere zu sammeln?
  • Eine jede Population muss eine Mindestgröße haben, unterhalb dieser stirbt sie über kurz oder lang aus (kleinste überlebensfähige Population). Damit eine Art langfristig ihre genetische Variabilität behält und somit nicht einem erhöhten Aussterberisiko ausgesetzt wird, muss eine Population mindestens 50, besser 500 fortpflanzungsfähige (!) Individuen umfassen. Ein einzelnes Paar jeder Art hätte für eine erfolgreiche Neubesiedlung nicht gereicht.
  • Warum gibt es Faultiere heute nur in Südamerika und Koalas nur in Australien? Wenn wirklich der Berg Ararat der Ausgangspunkt der Wiederbesiedlung ist, hätten Faultiere von dort aus nach Südamerika wandern müssen (und Koalas nach Australien). Auf ihrem Weg dorthin hätten sie dazwischen aber Nachkommen hinterlassen müssen, die heute noch leben müssten. Zwischen der Türkei und Südamerika müssten Faultiere kontinuierlich verbreitet sind, sind sie aber nicht. Selbst wenn wir argumentieren, alle Faultiere außer die in Südamerika wären später ausgestorben, müssten wir zumindest ihre Überreste in Form von Fossilien finden, aber auch die fehlen uns. Tatsächlich passt die gesamte Biogeographie nicht zur Sintflutgeschichte.

Das alles lässt nur einen Schluss zu: Noah hat es nie wirklich gegeben, die Sintflutgeschichte ist ein Mythos und nichts weiter.

Und die Evolution? Was ist mit ihr? Natürlich muss sich auch die Evolutionstheorie mit den empirischen Beobachtungen messen. Und das tut sie erstaunlich gut.

Tatsächlich ist die Evolutionstheorie die wahrscheinlich am besten untersuchte wissenschaftliche Theorie überhaupt. In all den Jahren ist es nicht gelungen auch nur einen einzigen berechtigten Einwand zu finden, der gegen sie spräche. Gleichzeitig wird sie durch alle empirischen Belege gestützt, sodass an ihr heute schlicht kein Zweifel mehr bestehen kann. Fossilien, Brückenorganismen, ein System abgestufter Ähnlichkeiten, morphologische Stufenreihen, moderne DNA-Vergleiche, die Universalität des genetischen Codes, Atavismen und Rudimente, Experimente im Labor und im Freiland und jede Menge Daten aus der Natur - das sind nur einige wenige Beispiele, die eindeutig die Evolution belegen.

Allein weil die Evolution zweifelsfrei belegt ist, ist sie überhaupt eine Theorie. Denn eine wissenschaftliche Theorie ist keine bloße Vermutung, sondern nicht weniger als eine Tatsache. Eine Theorie im wissenschaftlichen Sinn ist eben nicht eine bloße Mutmaßung (eine solche nennen Forschende Hypothese), sondern ein erklärendes Modell der Wirklichkeit, das durch eine Vielzahl an Belegen hinlänglich gestützt wird, sodass an ihm keinerlei Zweifel bestehen kann. Die Evolution ist damit ebenso wahr wie Newtons Gravitationsgesetze und Einsteins Relativitätstheorie. Nur ein blinder Narr würde sie heute noch anzweifeln.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
DeinGuterFreund 
Fragesteller
 25.11.2022, 16:02

Du Narr! 😂 Warum kommst du erst jetzt? Ich hätte dir gerne den Stern dafür gegeben. Deine Antwort ist richtig gut.

Hier kriegst du den Ehrenstern: ⭐

5
Darwinist  25.11.2022, 16:04
@DeinGuterFreund
Warum kommst du erst jetzt?

Weil ich gestern nachmittag schon damit angefangen habe, aber erst jetzt fertig geworden bin. Irgendwann muss man ja auch schlafen und arbeiten. ;-)

Trotzdem vielen lieben Dank für den Stern. :-)

3
luibrand  26.11.2022, 09:43

Sehr präzise erläutert. Bravo !

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earnorbust  28.01.2023, 21:46
Ein Blick aus dem Fenster reicht aus, um festzustellen, dass diese Annahme nicht stimmt

Vorsicht! Das ist leider nur eine Illusion, denn das Bild auf der Netzhaut im Auge zeigt ein Regen, welches von unten nach oben fließt. Das Gehirn dreht das Bild um, damit es besser mit den anderen Sinnesempfindungen funktioniert.

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Nein, die Urknalltheorie kommt sogar von einem kath. Priester.

Biblische Zeit- und Zahlenangaben sind oft an den Zahlen 3, 7, 12, 40, 50, 60 oder vielfache davon ausgerichtet und nicht wörtlich zu interpretieren.

Erschaffen muss ja auch nicht heißen, dass das Erschaffene sofort vollendet war, sondern es reichte erst mal einen Anfang zu setzen und den Rest der Zeit und den Naturgesetzen zu überlassen, sprich der Evolution. Nachträgliche Eingriffe sind dabei nicht ausgeschlossen.

DeinGuterFreund 
Fragesteller
 24.11.2022, 15:20

Deine These ist schlüssig.

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In gewissen Aspekten ja, in anderen haben sie sie bestätigt.

Der Punkt in dem ie Urknalltheorie die Schöpfungslehre bestätigt ist die Tatsache, dass es einen Anfang gab. Jahrhundertelang dominierte der Glaube, dass das Universum immer schon existierte und dass es keinen Anfang gab.

Angeloco777  24.11.2022, 14:56

Wann dominierte der Glaube, dass es keinen Anfang gab? Das höre ich zum ersten mal und kann ich aus keiner religiösen Quelle bestätigen, die ich kenne. Auch nicht aus den Mysterienschulen. Meinst du, dass Gott schon immer existierte oder das Universum?

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SombreroNegro  24.11.2022, 16:46
@Angeloco777
Wann dominierte der Glaube, dass es keinen Anfang gab?

Schon lange - und auch immer noch.

Die Aussage zum Urknall ist nicht richtig. Tatsächlich bestätigt die Urknalltheorie die Annahme, dass es eben keinen Anfang gab. Wenn wir den Hypothesen glauben, dann gab es einen Urknall. Hierbei ist jedoch nicht das Universum einfach aus dem Nichts entstanden, sondern das Universum selbst hat sich ausgeweitet. Zuvor existierte es als Singularität. Das ist heute noch die verbreiteste Hypothese.

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SchakKlusoh  24.11.2022, 18:25
Der Punkt in dem ie Urknalltheorie die Schöpfungslehre bestätigt ist die Tatsache, dass es einen Anfang gab.

Du hast Die Urknall-Theorie nicht verstanden. Sie sagt nicht, daß dies DER Anfang war. Sie sagt nur, wie sich das Universum entwickelt hat.

Jahrhundertelang dominierte der Glaube, dass das Universum immer schon existierte und dass es keinen Anfang gab.

Das stimmt. Es zeigt, daß Wissenschaftler dazulernen - im Gegensatz zu Religiösen, die immer noch glauben, was Ziegenhirten vor 3 000 Jahren glaubten.

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Ich finde solche Debatten immer interessant, da sie sich am Ende eigentlich immer um die Erkenntnistheorie drehen. Man kann natürlich versuchen, wissenschaftliche Erkenntnisse als reine Theorien und Interpretationen abzutun, die keinen Beweiswert haben.

Dann stellt sich allerdings die Frage, ob es überhaupt etwas gibt, das wir als bewiesen gelten lassen dürfen.

Mein Auge wandelt Lichtwellen in elektrische Impulse um. Das Gehirn interpretiert diese. Ist damit meine Wahrnehmung der Wirklichkeit nur noch eine individuelle Interpretation? Gibt es überhaupt gesicherte Erkenntnis?

Ich denke man darf sich durch solche Überlegungen nicht aufs Glatteis führen lassen. Die Wissenschaft versucht so gut es geht, Methoden anzuwenden, die gewonnene Erkenntnisse verifizierbar und so plausibel wie möglich machen. Das ist meines Erachtens der Anspruch, den jegliche aufgestellte Behauptung an sich selbst erheben sollte.