Waren teile eurer Eltern, Großeltern oder Ur-Großeltern Täter im 2.WK?

Nein, waren sie nicht 45%
Ich habe kein Wissen darüber. 31%
Ja, waren sie 25%

65 Stimmen

Kuhlmann26  20.03.2025, 12:54

Ist man als Mitglied im B. d. M. Täterin?
Ist man als Wehrmachtsangehöriger Täter?

Placebofreund99 
Beitragsersteller
 20.03.2025, 13:04

Das ist extra nicht vorgegeben oder von mir definiert worden. Mir geht es hauptsächlich nicht darum was erzählt wird, sondern wie die eigene Verwandtschaft berichten

37 Antworten

Viele von ihnen waren wohl mehr Opfer als Täter.

Mein Opa (Jg. 1920) musste mit 20 den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern verlassen und in den Krieg. Dort hat er sicher auch getötet, ich weiß es nicht. Gesprochen haben die meisten aus dieser Generation darüber nicht.

Zurückgekommen ist er 1945 mit 25. Gehörlos für den Rest seines Lebens. Für die Damenwelt deshalb nicht mehr attraktiv. Musste 1949 eine Frau (meine Oma) heiraten, die er nicht wollte, die ihn nicht wollte. Haben trotzdem ihr ganzes Leben miteinander verbracht, war halt früher so.

Meine Mutter und meine Tante hatten keine schöne Kindheit, weil der Krieg meinen Opa psychisch total verändert hatte. Irgendwann hat er angefangen zu trinken und sich 1984 erhängt.

Und ich kenne viele ähnliche Schicksale in dieser Generation. Und die folgende Generation litt auch noch darunter, weil diese Männer ja da Ehemänner und Väter waren.

Ich glaube tatsächlich nicht, dass du es dir anmaßt zu sagen, wir hätten heute alles besser gemacht.

Ich reagiere auf solche Aussagen sehr empfindlich.


Placebofreund99 
Beitragsersteller
 18.03.2025, 10:32

Ich werde es mir nie anmaßen zu sagen, wir hätten es besser gemacht. Ich wäre sicherlich Kämpfer gewesen. Die Frage geht darum wie sich die Familie mit der eigenen auseinandersetzt und etwas weiß.

Ein Zitat trotzdem zu nachdenken: Als ich nach dem Krieg gehört hatte wer im Widerstand war und nicht gekämpft hat, hätte ich alleine im Osten gekämpft.

GMaxwell80  30.03.2025, 19:45

Der eine meiner Großväter war an der Front in Russland und geriet beim chaotischen Rückzug irgendwo in der Tschechoslowakei in Gefangenschaft. Er konnte von Glück reden, dass Rotarmisten zur Stelle waren, als tschechische Zivilisten bereits einige seiner Kameraden gelyncht hatten und die Russen dieses unterbinden konnten. Mehrere Jahre verbrachte er anschließend in Sibirien und kehrte Anfang der 50er von dort zurück.

Mein anderer Großvater war nicht an der Front. Als Eisengießer hatte er eine kriegswichtigen Beruf und musste in seinem Betrieb Granaten herstellen.

Gagamehl666  28.03.2025, 14:11

Das mit deinem Opa war bei vielen so: der Großvater eines Freundes war im Krieg an der Ostfront. Kam zu Kriegsende in Gefangenschaft, aber nach dem Krieg wieder frei. Er hat den Krieg nie verkraftet, wurde irgendwann zum Alkoholiker. Und hat sich dann erhängt.

Ich habe daraus gelernt, dass ein Großteil der Menschen von Grund aus keine Soldaten sind und mit Geschehnissen aus Kampfgebieten nur schwer zurechtkommen.

Ein Urgroßvater mütterlicherseits war bei der US Air Force und ist im zweiten Weltkrieg in Europa im Einsatz gewesen.

Der andere Urgroßvater mütterlicherseits stammte aus einer Privatiersfamilie. Gekämpft hatte er nicht. Die Familie hat durch den zweiten Weltkrieg den Großteil ihres Vermögens verloren.

Über die Familie meines Vaters habe ich keine Infos. Aber durch die Entnazifizierung des öffentlichen Dienstes durch die Alliierten und dadurch, dass in der Familie meines Vaters jeder Beamter war, wurde und ist, deutet zumindest nichts auf eine große Vorbelastung in der Familie meines Vaters hin.

Ob jemand wirklich zum Täter wurde, ist vielfach schwer zu sagen.

Mein Vater wurde im Oktober 44 mit 17 Jahren zum Fronteinsatz als MG-Schütze eingezogen.

Mein Großvater war Werkzeugmachermeister und arbeitete in einer Waffenfabrik.

Die Familie meines anderen Großvaters hatte einen Bauernhof. Er selbst wurde aufgrund einer Behinderung nicht eingezogen.

Macht man sich mitschuldig, wenn man mit 17 zum Kriegsdienst geholt wird oder in einer Waffenfabrik arbeitet? Wie sieht es aus, wenn man Lebensmittel für dieses System produziert hat?


Placebofreund99 
Beitragsersteller
 18.03.2025, 10:10

Genau das ist die Frage. Wann sieht man andere als Täter und was ist einer...

tanztrainer1  18.03.2025, 10:18
@Placebofreund99

In dem Zusammenhang ist das Buch "Mein Leben nach dem Überleben" von Inge Deutschkron sehr aufschlussreich, besonders das Kapitel "Justiz mit zweierlei Maß".

Interesierter  18.03.2025, 11:09
@Placebofreund99

So sehe ich das auch.

In meiner Familie wurde über das 3. Reich offen gesprochen.

Auch mein Vater hat die Erlebnisse geteilt. Von seiner Kindheit und auch vom Kriegseinsatz.

Davon, dass gegen Ende die Munition minderwertig war und zu Ladehemmungen geführt hat, dass sie in Gefechte verwickelt wurden, bei denen mit dem MG teils auf Verdacht, teils gezielt geschossen wurde, wie sie mit feindlichem Artilleriefeuer eingedeckt wurden und vieles mehr.

Und von der Nachricht, dass der Krieg zuende war. Da haben sie an der ungarischen Grenze das MG in einem Gebüsch versteckt, auf einem Bauernhof Wäsche von der Leine geklaut und sich zu Fuß auf Schleichwegen nach Hause durchgeschlagen. Immer mit der Angst, als Deserteure oder als feindliche Soldaten erwischt zu werden.

Claud18  24.03.2025, 08:34
@Interesierter

Erinnert mich an einen Bericht meines Onkels. Er wurde mit 16, kurz vor Kriegsende, noch eingezogen.

Als er mit einem Freund von einem kurzen Heimaturlaub kam, erfuhr er, dass in seinem Heimatort schon die Russen waren. Also sind sie kurzerhand wieder umgekehrt. Unterwegs erwischte sie ein "Kettenhund", der sie zur nächsten Militärstation schicken wollte. Dort würden sie als Deserteure aufgehängt werden - das wussten sie. Also baten sie beim nächsten Bauern um ein paar Lumpen, vergruben ihre Uniformen und flohen weiter.

In der Heimatstadt meines Onkels war bereits Ausgangssperre, als sie ankamen. Er versuchte, dem wachthabenden Russen ihre Situation zu erklären, und der sagte: "Geh heim, zu Muttern" und ließ ihn durch. Mein Onkel hat sich noch mehrfach umgedreht aus Angst, der Russe könne ihm in den Rücken schießen. Aber das tat der nicht. Wohin der Freund gegangen ist, ob er zunächst mit meinem Onkel zu meiner Großmutter gegangen ist, weiß ich nicht (er stammte aus dem Vogtland), aber dieser hat jedenfalls auch überlebt.

Ich habe kein Wissen darüber.

Ich glaube auf sowas waren viele danach nicht stolz und haben das lieber unter den Tisch gekehrt.

Nein, waren sie nicht

Mein Vater war ein Mitläufer, aber kein Parteimitglied. Ein Onkel mütterlicherseits verteilte selbstgeschriebene, Nazi-kritische Flugblätter vor der Kirchentür. Er entging nur knapp dem KZ.