Findet ihr Weinen wichtig für die psychische Gesundheit?
27 Stimmen
8 Antworten
Für die meisten Menschen, rein generell gesprochen: Ja. Es ist kontraproduktiv, alles in sich hinein zu fressen. Das mag erstmal gut gehen, aber irgendwann bricht man zusammen.
Für mich persönlich (und ich werde ab hier nur noch von mir sprechen, da ich mich am besten kenne) ist das etwas komplizierter. Auch für mich ist es nicht gesund, alles in mir zu bunkern, wie ein Specht seine Eicheln, aber ich habe z.B. bei mir bemerkt, dass ich nicht dieses "befreiende Gefühl" nach dem Weinen habe, welches viele zu haben scheinen. Für mich wird danach nichts klarer, ich fühle mich nicht, als wäre mir ein Stein vom Herzen gefallen oder was auch immer.
Viel eher fühle ich mich danach noch schlechter.
Das hängt bei mir damit zusammen, dass ich meine eigenen Emotionen/Gefühle nicht richtig filtern, navigieren und kontrollieren kann - Aufgrund meines Autismus, da Autismus oft mit Executive Dysfunction einhergeht und etwas, was Menschen mit Executive Dysfunction ebenfalls schwer fällt, ist eben genau das.
Für mich bedeutet das also, dass Weinen - insbesondere Weinen, manchmal auch Wut - meine Emotionen triggert und da mein Gehirn nicht mit solch starken Emotionen umgehen kann, reagiert es mit einem autistischen Meltdown (So ein Meltdown wird auch oft durch andere Dinge ausgelöst - Nicht selten durch sensorischen Informationen, welche wir (Autisten) nicht filtern können). Jeder, der ebenfalls autistisch ist und schon mal einen solchen Meltdown durchmachen musste, kann mir dabei zustimmen, dass sowas absolut ermüdend, kräftezehrend und manchmal sogar beängstigend ist.
Daher fühle ich mich nach dem Weinen mindestens genau so schlimm wie davor, wenn nicht sogar noch schlimmer. Ich höre nie auf, zu weinen, weil ich mich befreit fühle oder in irgendeiner Form "besser", sondern weil ich so verdammt übermüdet bin von meinen Emotionen und meinem Meltdown, dass ich irgendwann nicht mehr weiter weinen kann.
Ich denke, wie bereits gesagt, dass es auch für mich und für Leute wie mich nicht gut ist, alles hineinzufressen, doch es ist nicht korrekt, verallgemeinernd zu sagen, dass es für jeden die beste und einzig beste Lösung ist, die keinerlei negative Folgen haben kann. Denn ich kann dir versichern, dass autistische Meltdowns vieles sind, jedoch definitiv nicht gut für die eigene, psychische Gesundheit.
Die Sache ist auch die, dass ich nicht einmal finde, dass ich Dinge in mich hineinfresse, oder zumindest nicht konsequent. Ich habe im Laufe meines Lebens schon sehr oft alles rausgelassen, aber es endete immer wieder gleich und es verbesserte sich nie irgendetwas. Wie gesagt: Ich fühle mich danach nicht einmal besser. Zu dem Meltdown kommt dann auch noch so ein ... Schamgefühl. Denn ich bin generell eine extrem weinerliche Person. Zu dem Punkt, dass ich in meinem Leben schon oft gedacht habe (und teilweise auch tatsächlich zu spüren bekam), dass mein Weinen so häufig vorkommt, dass man es nicht mehr ernst nehmen kann. Selbst jetzt, aktuell, kommt es mir so vor, man könnte meinen, ich würde zu oft weinen, obwohl ich das nur so ... alle paar Monate tue. Ich kann mich meistens am Riemen reißen. Aber manchmal bringt mich schon sowas wie ein heruntergefallener Kleiderbügel o.Ä. zum Austicken.
Freudentränen sind auch ein möglicher Trigger, da mein Gehirn anscheinend oft nicht in der Lage ist, zwischen "positiven Tränen" und "negativen Tränen" zu unterscheiden - Also reagiert es ebenfalls mit einem Meltdown, wenn ich es nicht früh genug schaffe, mich abzulenken. (Ich erkenne einen Meltdown bei mir daran, dass ich hyperventiliere, mein Stimming wird deutlich heftiger, ich schlage und kratze mich selbst, ich habe den extrem starken Drang, etwas kaputt zu machen, zu kreischen, ich kann währenddessen nicht mehr kommunizieren etc. Das ist fast schon wie eine "Trance", keine Ahnung. Schwer zu erklären, für Leute, die das noch nie erlebt haben.)
Was dann auch hinzukommt, ist das, was nach einem Meltdown kommt. Danach kommt nämlich gar nichts mehr. Falls ich am selbigen Tag noch irgendetwas vor hatte, kann ich das vergessen. Zum Glück bekomme ich meine Meltdowns, wenn, dann fast nur Abends/Nachts. Aber nach so einem Meltdown kann ich wirklich gar nichts mehr machen außer mich hinlegen und schlafen. Ich erkläre das gerne so: Ich habe generell täglich zwischen 10 und 40 Energiepunkte. Aufstehen, Zähneputzen, Duschen, Anziehen, Haushalt und Einkaufen gehen etc. pp. nehmen alle mindestens 5 Punkte weg. Weinen und daher auch ein Meltdown ist so energieraubend, dass ich in den Minusbereich gehe, selbst, sollte ich mit 40 Punkten in den Tag gestartet sein. Bis zu dem Punkt, dass selbst der Akt des Sprechens für mich unmöglich ist. Wenn es soweit ist, weiß ich, dass ich am Ende meiner Kräfte angekommen bin, denn sowohl zu Anfang, als auch in der Mitte meiner Meltdowns ist mein Vocal Stimming oft in vollem Gange.
Oh well, soviel dazu! ... Irgendetwas in mir bereut es, diese Antwort geschrieben zu haben, aber ich hab die jetzt schon eingetippt und jetzt wird die abgeschickt.
Ja, Weinen ist wichtig und gesund. Es dient als Ventil für Emotionen, baut Stress ab und kann sogar die Stimmung verbessern.
Ich kann es nicht und finde, dass es sehr wichtig ist. Ich bin überzeugt, dass es mir psychisch besser ginge, wenn ich weinen könnte.
Ich finde, Weinen zeigt ein gewisses Annehmen und Aushalten der Emotionen ohne auf Kampf oder Verdrängung zu schalten. Das ist im allgemeinen etwas was ich nicht gut kann und nur sehr ungern mache, aber deshalb weiß ich auch, dass es mal guttun würde ^^
Das stimmt, aber ich würde sagen, dass es noch etwas komplexer ist. Weinen ist gleichzeitig auch ein Zeichen dafür, dass man weiterkämpft. Manche Leute (vor allem Männer) schalten auf Kampf und werden aggressiv anstatt dass sie weinen. Das ist eine destruktive Form des Kampfes. Weinen ist auch eine Art von Kampf, aber eine Konstruktive. Ich sage das aus meiner persönlichen Erfahrung, da ich seit vielen Jahren an einer schweren Depression leide. Wenn es mir sehr schlecht geht, kann ich nicht weinen. Stattdessen habe ich dann jeweils einfach starke Suizidgedanken. Ich glaube, das hat damit zu tun, dass ich innerlich bereits aufgegeben habe. Ich sehe keinen Ausweg mehr oder in einer solchen Situation scheint selbst weinen als sinnlos. Wenn man weint, kämpft man also gleichzeitig auch. Man ist verzweifelt, aber man hat noch nicht aufgegeben. Es gibt ja auch so eine Redewendung, dass Leute, die zu viele Male weinen, irgendwann keine Tränen mehr übrig haben. Im übertragenen Sinn bedeutet das, dass man irgendwann zu schwach und zu kaputt zum weinen ist. Solange man also noch weint, hat man noch Kraft und man kämpft noch. Das ist ein gutes. Zeichen.
Na ich versteh das ganz gut und da kann ich dir teilweise zustimmen. Ich kenne das so, dass man diese Gefühle vorallem nicht einfach so fühlen will sondern den Drang hat, entweder beiseitezuschieben und in (Selbst)hass/Wut zu verfallen. Beides ist destruktiv aber um zu weinen muss zumindest ich diese Gefühle und die Situation ohne Bewertung oder so annehmen. Das fällt mir immernoch krass schwer, aber mittlerweile weiß ich, dass diese Fähigkeit des widerstandlosen Akzeptierens der einzige Weg zur "Heilung" oder besser zum Erreichen wahren Friedens und emotionaler Freiheit ist...
Das vorallem ein zeichen dass man mit seinen gefühlen umgehen kann und sie zulassen kann also ned schlecht
Wow, was für ein Text. So unfassbar reflektiert. Ich bin froh, dass du ihn abgeschickt hast! Danke dafür :-)