Grade sowas mehr zu akzeptieren oder mehr aufzuklären in diesen Bereichen finde ich eigentlich sehr viel wichtiger als Thema mit der Geschlechter Orientierung meiner Meinung nach
Ich finde beides gleichermaßen wichtig.
Das Problem ist eben, dass solche Behinderungen/"Störungen" wie Autismus, ADHS etc. den Leuten nicht anzusehen sind. Wenn ich ein Kind im Supermarkt sehe, welches sich auf den Boden wirft und rumschreit, kann ich nicht wissen, ob dies nun ein Trotzanfall ist, weil es das fünfzigste Ü-Ei nicht bekommen hat, oder ob es sich hierbei um einen autistischen Meltdown handelt, welcher durch die Reizüberflutung - die Supermärkte nun einmal bei Autisten auslösen können - ausgelöst wurde. Denn selbst ich, als Autistin, bin in solch einem Moment lediglich eine Außenstehende. Und als außenstehende Person hat man keine Ahnung, was es ist. Denn ein Trotzanfall und ein autistischer Meltdown sehen für Außenstehende im Prinzip identisch aus.
Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass viele Nicht-Autisten über Autismus reden. Das ist an sich in Ordnung, solange sie nicht über Autisten drüber reden und wirklich bereit dafür sind, uns zuzuhören. Leider gehen viele davon aus, sie wüssten es besser als Autisten selbst, nur, weil sie z.B jahrelang mit autistischen Kindern zusammengearbeitet haben. Das mag ihnen Kompetenz und Wissen für eben genau diese autistischen Kinder verschaffen, aber noch lange nicht für alle autistischen Kinder und schon gar nicht für alle Autisten. Es gibt ihnen auch nicht das Recht, über sie drüber zu reden. (Und Tipp: Falls die Person ihre Worte nicht verbalisieren kann, gibt man ihr die Hilfsmittel, es zu tun. Denn auch Autisten, die nicht sprechen können, haben ein Recht darauf (")gehört(") zu werden.)
Für neurotypische/Nicht-Autisten wird es immer unmöglich bleiben, sich in das Gehirn eines Autisten/einer Autistin hineinzuversetzen. Andersherum genauso.
All dies führt auch dazu, dass im Internet Fehlinformationen verbreitet und mit Verallgemeinerungen um sich geworfen, sowie Klischees und Vorurteile betrieben werden. Ich brauche nicht lange zu suchen. Bereits die erste Seite der Google-Suchergebnisse ist voll von solchen Fehlinformationen etc. Wenn Nicht-Autisten anderen Nicht-Autisten mehr glauben, als Autisten selbst, nur, weil diese Psychiater o.Ä sind (Funfact: Zu wenige Psychiater o.Ä kennen sich tatsächlich mit Autismus aus), ist das natürlich extrem schlecht und verletzend. Übrigens beziehe ich mich hier lediglich auf Autismus, weil ich Autistin bin. AD(H)S habe ich, meines Wissens nach, nicht, wobei ich denke, dass man vieles auch auf AD(H)S und andere Behinderungen übertragen kann.
Was - meiner Meinung nach - auch ein riesiger Schritt nach hinten in der ganzen Autismus-Akzeptanz-Sache ist, sind solche Aussagen (meist von Nicht-Autisten/neurotypischen Leuten) wie "Ihr wisst doch gar nicht, wie anstrengend es sein kann, ein autistisches Kind zu erziehen" o.Ä. Solche Aussagen sind ein Tritt in die Gesichter aller Autisten.
Wie soll Autismus akzeptiert werden, wenn es als etwas Schlimmes angesehen wird? Etwas Anstrengendes? Klar kann es anstrengend sein, aber 1. ist jedes Kind mal mehr, mal weniger anstrengend und 2. ist es für das (autistische) Kind selbst um WELTEN anstrengender. Neurotypische Leute/Nicht-Autisten können sich auch mal freinehmen, mal nichts mit Autismus/Autisten zu tun haben, mal einfach weggehen und nicht mehr darüber nachdenken. Autisten können das nicht. Für keine einzige Sekunde, bis zu ihrem (bzw. unserem) Tod.
Die Aussage mit der falschen Erziehung musste meine Mutter in den sieben Jahren, in welchen sie nach der Diagnose für mich suchte, auch hören. Von sowohl mehreren Ärzten etc, als auch der eigenen und entfernteren Verwandtschaft. Ignorante Leute werden leider nie vollständig aussterben. Aber mit dem selben Problem haben auch z.B Leute in der LGBTQ+-Community zu kämpfen. Würde ich behaupten, keine Ahnung, ich bin da nicht drin.
Deutschland kann sich nach außen hin noch so tolerant geben: Es kann nicht alle ignoranten Leute rausfiltern. Hier hilft nur Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. So lange aufklären, bis einem die Spucke wegbleibt. Anders geht's nicht und selbst dann wirst du nie jeden erreichen können. Manche Leute sind so sehr davon überzeugt, alles oder auch nur mehr über Autismus o.Ä zu wissen, als der Autist/die Autistin o.Ä selbst ... Das ist absolut wahnsinnig, wenn man sich das mal kurz durch den Kopf gehen lässt.