AMA: Blickwechsel 12. November 2024
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Warum sind deutsche Psychiatrien so ineffektiv?

9 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Das ist ein gutes Thema und ich werde gerne drauf antworten.

Die Sache ist, dass viele Patienten mit einem hohen Anspruch in die Psychiatrie gehen, was einem oft auch so suggeriert wird. Faktisch ist aber eine Akutpsychiatrie eine "unterste Auffangstation" für alle Menschen, die ein psychisches Problem haben und zügig eine stationäre Behandlung brauchen. Das System ist so darauf ausgelegt (auch Dank der PEPP), dass die Patienten möglichst zügig entlassen werden sollten. In der Regel ist es so, dass je länger ein Patient verbleibt, in der Gesamtschau weniger Geld für das Krankenhaus dabei rum kommt. Somit schließt sich das schon mal grundsätzlich aus, den Patienten mit der Zeit die er dafür bräuchte zu therapieren. Zusätzlich ist es auch noch so, dass der Patient an dem Zeitpunkt wo er sich stabil fühlt um nach Hause zu gehen, entlassen werden muss. In der Praxis wird natürlich versucht, dem Patienten noch etwas zusätzliche Zeit zuzugestehen (nur weil es mal jemanden ein paar Tage am Stück gut geht, heißt das nicht dass er schon stabil ist), allerdings kann es dem Krankenhaus passieren, dass einem dann im Nachhinein Behandlungstage gestrichen werden wenn der MDK den Fall prüft und (überspitzt gesagt) an einem Tag mal nicht dokumentiert wurde, wie schlecht es dem Patienten noch geht.

Zusätzlich kommt noch hinzu, dass auf Akutstationen oft sämtliche Menschen mit total unterschiedlichen Diagnosen unterwegs sind, manche sind z.B. schwer depressiv und können sich keine Minute konzentrieren, andere haben widerrum Probleme mit dem Essen und der Zimmernachbar hört Stimmen. Die Station muss sich daher überlegen, Therapien anzubieten, die möglichst jeden abholt. Heraus kommt meistens ein sehr allgemeines Therapieprogramm auf einem sehr niedrigen Niveau, wovon natürlich nicht jeder profitiert - logisch.

Im Endeffekt dient daher die Psychiatrie nur zur ersten Stabilisierung und Entlassung. Diejenigen, die danach nicht nahtlos weiter machen können, z.B. mit ambulanter Psychotherapie, Reha oder Fachklinik, haben letztlich oft nur was "für den Augenblick". Deswegen ist es wichtig, die Psychiatrie wirklich nur in einem Notfall aufzusuchen, die eigentliche Therapie, die einem wirklich persönlich und langfristig helfen kann, meistens zumindest, findet wo anders statt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Traumazentrierte Fachberatung nach DeGPT, Akutpsychiatrie

Formenbau  14.11.2024, 16:20

Basierend auf der Antwort frage ich mich dann was die Psychiatrie macht, die ich kenne. Da sind manche Patienten seit Monaten. Aber auch sonst frage ich mich da was die da eigentlich treiben.

Thomas Richter  14.11.2024, 16:43
@Formenbau

Es ist oftmals nicht einfach was außerhalb der Psychiatrie zu finden, damit die Patienten langfristig stabil bleiben können. Zudem sind die Wartezeiten je nachdem was man sucht, oftmals sehr lang. Es gibt nicht selten beschützte Wohnheime für psychisch Kranke, die erst wieder Patienten aufnehmen wenn einer der Bewohner ausgezogen ist. Das kann durchaus auch mal Jahre dauern. Manche Patienten erreichen auch lange nicht die nötige Stabilität um nach Hause entlassen werden zu können.

PaulSmart 
Beitragsersteller
 19.11.2024, 10:56
@Formenbau

Tabletten geben und verwalten und aufpassen, dass kein Patient sich selbst meuchelt.

Thomas Richter  15.12.2024, 00:42
@PaulSmart

Ich verstehe die Sichtweise, aber ich muss schon auch sagen dass definitiv versucht wird mit dem Patienten zu arbeiten und individuell was gesucht wird, was einem hilft. Was die Patienten ja nicht mitbekommen sind die Übergaben, Pflegebesprechungen und Kurvenvisiten, die jede Woche immer stattfinden. Somit wird jeder Patient mindestens 3-5x am Tag mit dem Team in irgendeiner Form besprochen. In den Kurvenvisiten wird gemeinsam mit dem gesamten Team überlegt, was man dem Patienten Gutes tun kann und da wird jeder Patient besprochen, wirklich jeder nacheinander. Leider wird von unserem Gesundheitssystem oft die Zeit mit dem Patienten selbst sehr begrenzt und die Mitarbeiter sind immer mehr mit organisatorischen Dingen und der "Bürokratie" beschäftigt, als Zeit mit dem Patienten selbst zu verbringen - das ist weder absichtlich, noch eigentlich gewollt, aber es hilft nichts, leider. Dabei kann natürlich dein Eindruck entstehen, den du schilderst, das ist sehr schade. Aber ich verstehs.

Thomas Richter  15.12.2024, 11:21
@PaulSmart

das ist richtig und alles ist entweder verpflichtend von Seiten der Krankenkassen oder zum gegenseitigen Austausch erforderlich um überhaupt eine Basis haben zu können.

Goldlaub  25.01.2025, 00:45

Gut und geduldig erklärt.

Viele Leute glauben fälschlicherweise vielleicht, dass die Psychiatrie wie eine seelische Reparaturwerkstatt funktioniert, also mit erfüllter Herstellung der Gesundheit nach einiger Zeit.

Oder wie eine Operation: Den Wahn einfach wie einen Tumor mit Laser, Skalpell oder sonstwas wegschneiden und gut ist.

Caila  25.03.2025, 17:41

Es ist dann natürlich spannend wenn Patienten bei der Nachricht das sie entlassen werden in ein Loch fallen, suizidale Gedanken hegen und dann trotzdem entlassen werden. Danach direkt abstürzen und eigentlich wieder in einer Akutsituation sind aber dann allein da stehen weil sie wurden ja gerade erst entlassen.
Eine Vorbereitung auf eine Entlassung wäre da ein Minimum.

Musiktherapie muss nicht sinnlos sein, kommt aber auf den Patienten an. Man kann mit den Instrumenten kommunizieren.

Ich finde, es liegt an der "Nachsorge" nach einem Aufenthalt in einer Klinik, egal ob stationär oder teilstationär Der Patient wird wieder in den Alltag geworfen und kommt oft wieder nicht zurecht. Und geht wieder in Behandlung. Es reicht nicht, dem Patienten 1x in der Woche eine ambulante "Sitzung" anzubieten. Sondern etwas mit Struktur und vor allen Dingen mit Sinn wäre hilfreich.


Thomas Richter  15.12.2024, 14:28

Sehe ich genauso, die nachstationäre Behandlung hat mindestens einen so hohen Stellenwert wie die stationäre Behandlung. In der Praxis "verhungert" man aber meistens an irgendeinem Punkt in der Planung, weil es entweder monatelange Wartezeiten gibt oder im näheren Umkreis des Patienten gar keine passenden Möglichkeiten dazu.

Montagna60  15.12.2024, 17:20
@Thomas Richter

Richtig! Eine Patientin hat nach m ¾ Jahr n Anwalt eingeschaltet und bekam deshalb Vorwürfe von der Stelle, die ihr schon längst hätte helfen sollen.

Thomas Richter  15.12.2024, 17:23
@Montagna60

ja, das kenn ich...

Meistens ist das jedoch ein Kampf gegen Windmühlen und erreicht nicht mal die entsprechende Stelle die das sehen sollte, weil es schon vorher von einer Rechtsabteilung "bearbeitet" wird...

am allerbesten hat sich immer noch das "freundliche Druck machen" bewährt, also beispielsweise täglich oder mehrmals in der Woche anzurufen und fragen "wies denn aussieht". Dann merken die Stellen auch, wie ernst und wichtig das einem ist und der Name bleibt immer auf dem Schirm.

Caila  25.03.2025, 17:42

Ja vor allem teils von heut auf morgen. Nach dem Motto "Ach ja morgen werden sie entlassen." Das ist bei körperlichen Problemen vielleicht passend aber psychisch eigentlich völlig falsch.

Hallo PaulSmart,

Erstmal Musik Therapie ist nicht Sinnlos. Vielleicht half es diese Therapieform DIr nicht und Du brauchest eher etwas anderes.

Also ich war auch Freiwillig auf Akkut und kann nachvollziehen aus welcher Ecke Du kommst. Die Psychiatrie war echt Schlecht aber schön gelegen.

Die Diagnosenstellung war, ausser schwere Depression, vollkommen daneben und daher auch die Medikamente. Es wurde kaum etwas an Therapien auf Akkut angeboten aber Medikamente gab es. Für mich war die Akkutpsychiatrie ein Stück Treibholz in einem Meer an Leid. Es hat mich nirgendwo hingebracht aber über Wasser gehalten.

Gründe für Drehtüreffekt:

  • Die Medikamente auf die ich dort Eingestellt wurde waren so heftig das ich 2 Monate später nach der Entlassung wieder für 3 Wochen einrücken musste. Anschließend hatte ich noch einmal einen zusammenbruch und als ich diesen den Psychiater der Institutabulanz geschildert hatte zuckte er nur die Schultern. Das war es mit den Medikamenten und dem Psychiater für mich. Das ist eine Ursache für den Drehtür Effekt! Man ist EGAL! Je schlechter die Einrichtung umso deutlicher tritt dies zu Tage.
  • Man kommt als Depressiver auf Akkut mit Menschen mit unterschiedlichen Krankheiten der Psyche zusammen. Der Eine ist falsch Eingestellt oder nimmt seine Medikamente nicht obwohl Schizophrene, der andere hat irgendwelche Drogen genommen und ist auf seinem Trip hängen geblieben usw. Die kommen immer wieder!
  • Dann gibt es die Urlauber! Sind in Wohneinrichtungen für Psychisch Erkrankte und wollen sich mal Erholen. Die Wissen wie der Hase läuft!
  • Es gibt dann noch diejenigen die ihre Diagnose gerne geändert hätten da diese ihr Leben kaputt macht. Also rein zur Neubeurteilung oder zum Abbau von Medikamenten.Das waren die, die ich dort Antraf.

Es gibt aber auch gute Einrichtungen! Ich bin in der Psychosomatik einer Universität behandelt worden da es Körperlich wurde und die haben mir Echt Wissen vermittelt. Auch eine Psychosomatische Reha Einrichtung die Anschließend gemacht habe war ein guter Treffer!

Warum ist die Psychiatrie so uneffizient? Es gibt kein anderes Fachgebiet wo so viele falsche Diagnosen gestellt werden wie in der Psychiatrie. Wie sieht die Behandlung aus? Medikamente die dann gegen etwas verabreicht werden das man nicht hat! Wie geht es dem Patienten mit diesen Medikamenten? Er wird weiter verwirrt. Wenn man was sagt, das es einem Schlecht geht hieß es: Möchten Sie fixiert werden oder brauchen Sie noch mehr! Ähh, ja! Im Anschluss Gespräch fasselte der Oberarzt, auf meine Frage ob ich Auto fahren darf: Ja, das neue Jerusalem soll auf dem Meeresboden liegen! Als damaliger schwer Depressiver machte sich bei mir Verwirrung breit! Aber durch Eisernes Schweigen kam ich da raus!:)

Meine Mitpatienten waren immer gespannt was der einzelne so an Diagnosen bekommt: Was wurde schon gelacht über Diagnosen! Tipp, frage Dich was Du hast! Damit kommt man gezielt weiter. Ärzte Schreiben bei Mobbing z. Bsp. Diagnose: Mittlere Depression mit Anpassungsstörung oder Paranoia! Sie brauchen eine Diagnose um einem Krank zu schreiben. Es ist ja auch irgendwie Richtig denn es gibt keine Diagnose Mobbing. Die trifft aber auch auf Menschen mit Paranoia zu. Siehe Artikel im Ärztblatt! Also manche Diagnose sind konstrukte und mache sind Richtige Diagnosen und manche Falsch. Es gibt sehr gute Einrichtungen mit Engagierten Personal und ich hatte Glück das ein Plätzchen frei wurde. Der Bezugspfleger der Wusste was, die Therapeuten/innen und meine Psychotheraotherpeutin aber auch Ärztlicherseits waren sehr gut. Allerdings man muss viel Selbst machen nur 40% helfen die Therapien und 60% muss der Patient leisten. Die Medikamente heilen nichts aber können hilfreich sein um eine Therapie zu machen.

Wenn Du Tipps brauchst dann Schreibe mich an oder Frag hier nach! Nimm die Klinik nicht so Schwer. Eins ist sicher wir sind alles nur Menschen und machen Fehler!

Du bist ein Wertvoller Mensch und ich wünsche DIr Gute Besserung,

Jürgen

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Hatte eine schwere Depression!

Thorstenwunder  09.07.2025, 13:34

Hallo Jürgen,

in welcher Klinik warst Du!

In welchem anderen Land sind Psychiatrien effektiver als in Deutschland?

Man kann einen Beinbruch reparieren, aber wenn im Kopf etwas kaputt ist, dann können die Betroffenen höchstens lernen damit zu leben, aber wirklich reparieren lässt sich das in der Regel nicht.

In der Psychiatrie werden dann nur die Tabletten eingestellt oder umgestellt.

Die Musik-Therapie ist dann dazu da, dass der Patient lernt, sich auch mit etwas anderem zu beschäftigen als mit seiner Krankheit. Also einfach um ein schönes Hobby zu finden, um z.B. von den Selbstmordgedanken wegzukommen


PaulSmart 
Beitragsersteller
 13.06.2025, 14:07

Da hat Musiktherapie schon mal geholfen?

Die Psychiatrien sind nicht ineffektiv. Die kaputte Gesellschaft, in die sie nach dem Psychiatrie-Aufenthalt entlassen werden, treibt die Menschen schnell wieder in die Normalität der Klinik.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium der Psychologie und Psychiatrie

PaulSmart 
Beitragsersteller
 06.12.2024, 19:37

So ein Schwachsinn, welche Hilfe bekommt man denn in der Psychiatrie? Pillen und Mal-Musiktherapie 🙄

Montagna60  15.12.2024, 17:24
@PaulSmart

Es gibt solche und solche. In unserem Landkreis ist es ähnlich wie Du es beschreibst. Im nächsten Landkreis ist die Behandlung dem Patienten angepasst, fast jeden Tag ne richtige Therapie und die Familie wird mit einbezogen.

PaulSmart 
Beitragsersteller
 16.12.2024, 23:37
@Montagna60

Wie kommt es zu solchen gravierenden Unterschieden?

Thomas Richter  02.01.2025, 02:34
@PaulSmart

Man hat ja doch innerhalb der Vorgaben einen bestimmten Spielraum. Auch von der allgemeinen finanziellen Situation der Kliniken gibt es Unterschiede. Jeder Chefarzt oder die Klinikleitung setzen eigene Akzente und legen die Prioritäten ggf. auch ein wenig anders. Die Teamkonstellation ist anders, ebenso hat z.B. auch (leider) nicht jedes Krankenhaus die Möglichkeit, Fort- und Weiterbildungen über der gesetzlichen Mindestnorm ("Pflichtfortbildungen") anzubieten. So kann sich auch der Wissensstand sehr unterscheiden. Ich kenne z.B. Kollegen aus der Pflege, die 20 Jahre lang keine einzige weiterführende Fortbildung besucht haben, abgesehen von den verpflichtenden Fortbildungen wie Hygiene, Reanimationstraining...usw, obwohl es ihnen durchaus möglich gewesen wäre, aber es gibt keine gesetzlich verankerte Pflicht dazu, obwohl viele Arbeitgeber die Kosten meist komplett übernehmen würden.

So wird auch entsprechend diesem Wissensstand wahrscheinlich gearbeitet.

taifunrasant  07.02.2025, 13:15
@PaulSmart

Stimmt, nur Pillen und die Ergotherapie (basteln und malen) . Keine Untersuchung aber Diagnose stellen.......es geht nur um die Kohle, die haben für 6Wochen geschlossene bei mir über 17000Euro abgerechnet, unfassbar für diese schäbige Unterbringung....