Wusstet ihr, dass die Mehrheit der Chinesen das Sozialpunktesystem als positiv empfindet?

8 Antworten

Ganz so einfach ist es nicht. Grundsätzlich sind chinesischen Daten zu hinterfragen, insbesondere Meinungsumfragen von Personen.

Alle chin. Online-Dienste und Medien, von denen diese Daten stammen könnten, unterliegen dem „Cybersecurity Law“ und diversen Richtlinien der Zentralregierung. Anbieter müssen Inhalte aktiv überwachen und „unerwünschte“ Informationen entfernen – dazu gehören politisch sensible Themen, Kritik an der Regierung, Menschenrechtsfragen usw. Z.B. arbeiten die KI-Anbieter eng mit Behörden zusammen, um Zensurvorgaben technisch umzusetzen. Modelle werden entsprechend trainiert oder gefiltert. Wenn ein Modell fast ausschließlich auf staatlich freigegebenen Inhalten trainiert wird, spiegelt es automatisch deren Weltbild und deren gewünschtes Ergebnis wider. Andersdenkende Stimmen oder Berichte werden gar nicht erst Teil der Trainingsdaten. Dies gilt auch für nicht "passende" Informationen wie z.B. die Unterdrückung und den Versuch der Gleichschaltung von insbesondere der Uiguren, religiöser Gruppen oder politisch Andersdenkenden.

Tatsache ist jedoch auch, dass deine Frage am tatsächlichen Inhalt etwas vorbei geht. Das staatliche Punktesystem ist nur ein Teil des Ganzen. Und ehrlich gesagt, würdest du in einem solchen Fall eine negative Äußerung machen? Und genau das verfälscht jede Statistik - und das ist gewollt.

Seit 2014 haben mehr als 40 Provinzen und Städte lokale Sozialkredit-Pilotprogramme aufgelegt (z. B. Zhejiang, Suzhou, Xiamen, Hangzhou). Diese Programme unterscheiden sich in den konkreten Kriterien (manche arbeiten mit Punktesystemen, andere nur mit Black-/Red-Lists) und sind oftmals auf freiwillige Teilnahme ausgelegt.

Parallel existieren auf nationaler Ebene gesammelte Blacklists (z. B. „laolai“-Debtors-Liste der Obersten Volksgerichtshofs) und sektorale Listen (etwa des Verkehrsministeriums oder der Bankenaufsicht), die bundesweit greifen – allerdings ohne ein gemeinsames, numerisches Punktesystem für alle Lebensbereiche.

Und das hat natürlich auch Folgen. Unter anderem können Reisefahrten mit Flugzeug oder Hochgeschwindigkeitszug, Erstklassreisen, Luxus-Hotelaufenthalte, Kauf von Nicht-Lebensmitteln („non-essential consumption“) und das Einschreiben von Kindern in hochpreisige Privatschulen untersagt werden. Es gibt auch Einzelfälle in denen Schuldner und ihre gesamte Familie sozial absteigen, weil sie keine vernünftige Arbeit mehr finden. 2018 gab es einen in der Presse beachteten Fall, als ein 19jähriger aus einer Privatschule flog, weil der Vater ca. 30.000 Dollar Schulden aus einer Insolvenz nicht mehr an die Bank zurückzahlen konnte. Allerdings ein Einzelfall, aber die dahinter stehende Überwachung und die übergreifende Kontrolle wird dadurch sichtbar.

Die meisten Privatsysteme großer Firmen, die ähnliche Auswirkungen auf ihre Mitarbeiter hatten wurden fast vollständig bis 2023 abgeschafft oder untersagt.

Die "Studie" ist sinnlos. Das Papier nutzlos.

Aber erst einmal:

Das Sozialkreditsystem, wie es uns die Medien weismachen möchten, gibt es nicht..

Ja, es wurden seit 2015 in 62 Städten oder Stadtbezirken Versuchssysteme aufgebaut, bei denen sich die Bürger freiwillig anmelden können - das ist nicht geheim:

https://baike.baidu.com/item/全国创建社会信用体系建设示范城市

In der Zahl 62 stecken z.B. vier der 16 Bezirke von Shanghai, ein Bezirk in Tianjin und drei Bezirke in Chongqing.

Ein verpflichtendes oder gar landesweites System für Bürger gibt es nicht.

https://foreignpolicy.com/2018/11/16/chinas-orwellian-social-credit-score-isnt-real/

Es gibt hingegen für Firmen gibt es ein Punktesystem, bei dem z.B. Zahlungsmoral einfließt, oder ob das Personal z.B. für Überstunden/Wochenendarbeit angemessen entlohnt wird oder Urlaub bekommt (auch in China gibt es entsprechende Gesetze). Diese Punkte wirken sich dann aber allein auf die Führung der Firma aus – d.h. die Person die das ganze zu verantworten hat. Das kann dann tatsächlich auch zu Einschränkungen führen.

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Zurück zu der Studie.

Wie die Autorin selbst sagt:

A limitation of our study is that the query about approval of SCS in general (社会信用体系shehui xinyong tixi) did not differentiate between governmental pilots or commercial systems.

Als kommerzielle Sozialkredit Systeme werden übrigens Alipay CreditScore und Tencent (aka WeChat) CreditScore gezählt.

Die Studie hat also offenbar bei den Fragen gar nicht sichergestellt, dass die Teilnehmer überhaupt wissen worum es geht. Daher ist die Studie für den Zweck sinnlos.

Und das Papier ist nutzlos, weil wir nicht einmal wissen, welche Fragen gestellt wurden!

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – China, meine zweite Heimat. Bin in China, meist in Beijing.
Von Experte Norbert981 bestätigt

Mehrheit der Chinesen? Ich würde es gerne glauben. Aber ich bin mir sicher, dass die meisten Chinesen dieses "angebliche" System gar nicht kennen. Denn es wird oder wurde ja nur an einigen wenigen Orten getestet. Und es betrifft in erster Linie eben große Firmen, um eine Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Ich kenne viele Chinesen in Deutschland und vor allem in China. Und niemand, wirklich niemand hat jemals etwas von so einem Social-Score-System in China gehört.

Allgemein gibt es viele verschiedene Punktesysteme, wie in vielen Ländern. Die wichtigste App ist Alipay und auch andere Apps, mit denen man Punkte sammeln kann und dann z.B. an Bahnhöfen sich eine Ladestation davon fürs Handy ausleihen kann. Ähnlich wie Payback.

Aber wenn es so ein System wirklich in China gäbe, ist es natürlich verständlich, dass die Chinesen es befürworten würden.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Bachelor in Sinologie (HF) und Geschichte (NF)

Das Sozialpunkte System kennt niemand.

Es wurde kurzzeitig in kleinen Städten mit freiwilligen getestet und danach abgeschaffen.


Eckengucker  25.05.2025, 15:50

Das System wurde 2014 eingeführt und in 30 Städten/Gemeinden "getestet". Es wird noch immer betrieben. Das "Blacklist" System, die eigentlche Zusammenführung der Daten durch den Staat gilt für ganz China und ist tiefgreifender.

Noidea333  25.05.2025, 13:28

Wurde es schon abgeschafft? Ansonsten sehe ich es auch so ähnlich.

Fuchssprung  25.05.2025, 15:50
@Noidea333

Nein, wurde es nicht. Stattdessen wurde es ausgebaut. Es gibt Schwarze Listen. Wer seine Schulden nicht zurückzahlt oder Gerichtsurteile ignoriert, wird auf eine solche Liste gesetzt. Betroffene können dann keine Flug- oder Zugtickets für Hochgeschwindigkeitszüge kaufen.

iiarurel818  25.05.2025, 16:46
@Fuchssprung

Das hat aber nichts mit dem Social Credit System zu tun.
Hast du extreme Schulden in Deutschland wirds für dich auch schwer gemacht, eben mal das Land zu verlassen.

Fuchssprung  25.05.2025, 16:55
@iiarurel818

Mit extremen Schulden das Land zu verlassen ist etwas vollkommen anderes, als ein Verbot den ICE zu benutzen.

iiarurel818  26.05.2025, 02:03
@Fuchssprung

Der Unterschied ist aber, dass ein einziges Bundesland in China allein teilweise deutlich größer ist als ganz Deutschland.
Da ist es klar, dass man jemand mit extremen Schulden nicht vereinfachen will, das diese Person eben mal an die 4.500km ans andere Ende des Landes fährt

Fuchssprung  26.05.2025, 07:58
@iiarurel818

Das ist Quatsch, denn es ist nicht der Grund. Dejenige darf ja noch immer mit dem Personenzug fahren. Das dauert nur länger. Es ist also eine Bestrafung, eine Art der Erziehung.

Das ist mir bekannt. Sobald aber die Tagesschau ein solches Instrument gut fände, um beispielsweise „demokratiefördernd“ einzugreifen zu können, fände es auch hier eine Mehrheit der Leute gut. Gerade Deutschland war, ist und wird nie als ein Hort des Liberalismus verschrien sein…

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung