Wo soll ich Chemie studieren?


25.01.2025, 13:17

PS: Mir ist noch nie so schwer gefallen, bei einem Beitrag so ehrlich zu sein. Das muss ich ja aber um Antworten zu erhalten, die hilfreich für mich sind

1 Antwort

Wo genau man studiert, ist in Deutschland generell nicht sonderlich wichtig. Die Lehre ist überall gut. Und gerade beim naturwissenschaftlichen Bachelor, der dann perspektivisch eh nur der erste Schritt in der akademischen Karriere ist, würde ich mich überhaupt nicht drum kümmern, ob eine Uni eine besonders gute Reputation hat. Sondern einfach da studieren, wo es sich aus praktischen Gründen ergibt.

Was ein praktischer Grund ist: 1,5 h Fahrzeit pro Weg würde ich nicht machen. Im Chemiestudium musst du damit rechnen, wirklich jeden Wochentag an die Uni zu müssen - dass man ganze Module nur von Zuhause lernt, gibt es da kaum. Und es ist sehr kooperativ: Studenten (semesterübergreifend!) helfen einander, bilden Lerngruppen, müssen hier und dort Gruppenarbeiten machen... Und Altklausuren werden in der Regel auch nicht einfach für alle auf einen Server hochgeladen, sondern einzeln unter Bekannten weitergegeben. Dazu muss man einander bekannt sein, und zwar nicht nur daher dass man in der Vorlesung schonmal nebeneinander gesessen hat.

Und da ist meine Frage eigentlich immer: Würdest du die Strecke an die Uni nochmal antreten, wenn du in Whatsappgruppe o.ä. siehst dass sich diese oder jene Gruppe spontan nochmal trifft? Wenn nein, ist die Strecke zu weit.

Und, ehrlicherweise: Konzentriert irgendwas für die Uni zu arbeiten, während man in der Bahn sitzt, ist zwar eine nette Story... aber wer macht das wirklich?

Also ich würde allein schon aufgrund der Entfernung sagen, dass es nicht sinnvoll ist zu Hause wohnen zu bleiben.

Was das Finanzielle angeht:

Es ist sehr löblich, dass du nicht einfach forderst, dass deine Eltern dir wer weiß wie viel Geld überweisen mögen, damit du entspannt leben kannst. Aber auf der anderen Seite haben deine Eltern sich entschieden, dich großzuziehen, und dazu gehört auch der finanzielle Unterhalt so lange, bis du eine Ausbildung hast von der du selbst leben kannst. Also ich sehe nicht, dass du ein schlechtes Gewissen zu haben brauchst, wenn du mit deinen Eltern besprichst, was dein Bedarf wäre und was sie leisten können.

Du schließt eine Werkstudententätigkeit aus. Damit meinst du wahrscheinlich 20 h/Woche, richtig? Ja, das ist zu viel neben einem naturwissenschaftlichen Studium. Aber es muss nicht so viel sein. Die Minijobgrenze liegt bei 556 € pro Monat, das sind nur 10 h pro Woche. Und das lässt sich normalerweise ganz gut neben dem Studium machen; gerade wenn man keine weiten Wege hat und nicht x Stunden pro Woche allein dafür drauf gehen, von A nach B zu kommen.

Mit grob 1500 € Monatsbudget, zuzüglich dem was deine Eltern leisten können, wird man als Pärchen in einer nicht allzu teuren Stadt hinkommen.

Demnach komme ich zu dem Schluss, dass es sinnvoller und auch machbar ist, zum Studieren auszuziehen.

Was mir übrigens komplett egal wäre, wäre die Frage was denn andere gemacht haben. Denn andere waren in einer anderen Situation als du, haben was anderes studiert als du - z.B. die 1,5 h Wegstrecke sehen schon ganz anders aus, wenn man das nur 1x pro Woche machen muss weil man eh alles von daheim lernt und keinen Bock auf ein Sozialleben hat. Auch die Geschichte, dass einen das Ausziehen selbstständiger macht: Das macht es nur dann, wenn man auch dazu bereit ist. Und wenn man generell den Drang nach Selbstständigkeit hat, steht dem das Wohnen bei den Eltern auch nicht unbedingt im Weg.