Wie sollte ein Staat mit ungebildeten Leuten umgehen die den Fortschritt aufgrund iherer wissenschaftsfeindlichen Einstellung bremsen könnten?

2 Antworten

Ich glaube, die einzige Lösung darauf lautet:

Bildung, Bildung, Bildung!

Und damit meine ich nicht das Auswendiglernen von Fakten oder derart, sondern das Vermitteln davon, wie Wissenschaft funktioniert. Was grundlegende Konzepte wie wissenschaftliche Objektivität, Reliabilität und Validität bedeuten und wie Wissenstransfer funktioniert. Wie man sauber inhaltlich argumentiert und aus Theorien praktische Fragestellungen ableitet und aus praktischen Ergebnissen Theorien weiter verbessert.

Aber auch seitens der Wissenschaft und seitens der Medien gibt es Aufgaben. Für die Wissenschaft:

  1. Wissenschaftliche Skandale von Betrügern sauber aufarbeiten - sowas gibt es immer wieder.
  2. Wissenschaftlichen Transfer in die Bevölkerung erleichtern, indem man komplizierte Theorien (die Welt ist nun mal komplex) vereinfacht, aber schlüssig darstellt.

Für die Medien:

  1. Unterstützung des Wissenschaftstransfers durch grundlegende Dinge wie z. B. IMMER Quellenangaben mitzuliefern, damit die Leute die Dinge selbst nachlesen können, wenn sie Interesse haben.
  2. Klare Trennung zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und persönlicher Meinung. Denn natürlich kann man aus wissenschaftlichen Fakten unterschiedliche Prämissen dafür ableiten, wie man eine Gesellschaft nach ihnen gestalten möchte. Wir sehen aber oft, dass Wissenschaft für Meinungen missbraucht wird.

Und ein ganz wichtiger Baustein für jeden einzelnen Menschen ist: DEMUT! Zu verstehen, dass man nicht immer alles verstehen kann und dass man Themen, für die Wissenschaftler Jahre oder Jahrzehnte brauchten, sie zu durchsteigen, niemand in ein paar Tagen begreifen kann. Zu akzeptieren, dass man im Grunde unwissend ist.

Ich glaube, wenn man diese Dinge beherzigen würde, hätte man die Probleme nicht, mit denen wir heutzutage kämpfen.

Allerdings gibt es an der ganzen Sache einen Haken: Ich glaube, man kann einen Zenit von Wissenschaftsfeindlichkeit überschreiten. Wenn eine bestimmte Anzahl an Menschen die Wissenschaftsfeindlichkeit verinnerlicht haben, dann wird sie die Wissenschaft abstoßen. Dann wird sich nur auch der Fortschritt zersetzen, den wir erreicht haben, denn aller Fortschritt basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Solange es nur einzelne Menschen gibt, die - aus welchen Gründen auch immer - ihr Vertrauen in die Wissenschaft komplett verloren haben, macht das der Wissenschaft gar nichts. Auch unterschiedliche Meinungen beflügeln die Wissenschaft eher, als ihr zu schaden.

Wenn aber ein Zenit überschritten ist, dann wird man sich nicht mehr auf die Inhalte konzentrieren, sondern auf die Menschen, die diese Inhalte produzieren. Das Phänomen hatten wir unter den Nazis ab 1933 (und auch durchaus davor). Sie vertrieben all jene, deren wissenschaftliche Ergebnisse ihnen nicht passten. Dass die Wissenschaftler aber dieses Wissen unabhängig von ihrer Person generiert hatten, war diesen Menschen offenbar nicht klar oder sie ignorierten es sträflich. Es war der Versuch, unliebsames Wissen zu vertreiben, aber es war in etwa so, als würde man den Überbringer einer unliebsamen Botschaft henken, anstatt sich vernünftig mit dem Inhalt der Botschaft zu befassen. Der Überbringer einer Botschaft kann in der Regel nichts für deren Inhalt.

Wie man dann vorgeht - da gibt es wohl keine "gute" Idee. So weit wie möglich den Flächenbrand eingrenzen, würde ich sagen. Daher bin ich auch inzwischen dafür, die wissenschaftsfeindliche AfD zu verbieten, obwohl ich streng demokratisch lang der Auffassung war, man dürfe möglichst gar keine Parteien verbieten und Demokratie müsse die AfD aushalten. Inzwischen bin ich aber an dem Punkt, wo ich kapitulieren und einsehen muss, dass, egal wie abstrus und realitätsverzerrt die AfD argumentiert, es immer Leute geben wird, die ihr glauben. Die wir als Gesellschaft tatsächlich "verloren" haben. Selbst wenn die AfD als rechtsextrem eingestuft wird und europäischen Rechtsaußen-Parteien die AfD zu rechtsaußen ist, werden einige ihre Anhänger ihren Unfug weiter nachbrabbeln. Und wenn das wenige wären, wäre das ja kein Problem. Aber die AfD ist erfolgreich mit ihren Methoden - menschenfeindlich, spalterisch und sie zieht Menschen, die wenig Wissen über Wissenschaft haben, mit populistischen Methoden von der Wissenschaft weg. So weiß auch ich mir nicht mehr zu helfen, als zu fordern, die AfD zu verbieten. Es ist die letzte Notlösung, sie zu verbieten und auch andere Nester von Wissenschaftsfeindlichkeit zu zerschlagen, bevor der Flächenbrand alles niederbrennt und bevor der Zenit überschritten ist. Das gleiche fordere ich übrigens auch für fundamentalistische religiöse Organisationen christlicher oder muslimischer Art. Auch dort ist Wissenschaftsfeindlichkeit ganz oben auf der Tagesordnung. Man muss sich immer bewusst machen: Wissenschaft ist die Grundlage für unseren Wohlstand und für unser Wohlergehen. Sie ist die Grundlage von Medizin, von Wirtschaft, von Prävention und Soziologie, dem Bauwesen und damit der Infrastruktur, und ganz aktuell auch die Grundlage davon, dass wir eine globale Naturkatastrophe, nämlich den Klimawandel, möglichst eingrenzen. Wenn wir die Wissenschaft verlieren, sind wir, auf den Punkt gebracht, alle am Ar***.

Liebe Grüße

Der letzte „schlaue Kopf“ war angeblich Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716).

Danach war kein Mensch mehr in der Lage, alle Wissenschaften und Philosophien zu kennen / zu erklären.

Da sogenannte „Experten“ ihre eigenen Kollegen mit anderen Ansichten und sogenannte „Experten“ von anderen Fächern für Dummköpfe halten, wird es immer sogenannte „ungebildete Leute“ geben.

Oft haben sogenannte Experten nur ein paar Jahre, in denen sie von Regierung und Volk anerkannt werden, danach können es die Gegner sein. Wir erleben es ja gerade bei der versuchten Aufarbeitung zum Thema Corona.

Nun sind die Ex-Experten die Ungebildeten.


ZionsDaughter  24.05.2024, 12:16

Das Problem, das du beschreibst, erkenne ich auch, halte es aber für ein mediengeschürtes und populistisches. Der Wissenschaftstransfer funktioniert nicht (oder nicht gut), weil wissenschaftliche Methoden und Wissenschaftskultur nicht verstanden werden.
Ich würde das gern plastischer erläutern. Ich arbeite u.a. in der Wissenschaft. Der augenöffnendste Moment meiner Karriere war ganz früh im Studium - ich glaube, das müsste das zweite Semester gewesen sein. Da hatte ein Professor von uns einen anderen Professor zu einer Vorlesung eingeladen, der andere Ansichten als er vertrat. Die beiden lieferten sich vor dem gesamten Kurs eine Wortschlacht sondergleichen, sodass wir alle ganz klein wurden. Sie kamen zu keiner Einigung. Man hätte glauben können, sie würden sich aufs Blut hassen.
Taten sie nicht. Sie gingen hinterher zusammen einen trinken, lachten gemeinsam und erkundigten sich, wie es den Familien so ginge. Da habe ich verstanden, dass eine wissenschaftliche Anfechtung kein Angriff auf die eigene Person ist.
Dieses Phänomen erlebe ich auch immer wieder auf Kongressen. Die Personen zerfetzen sich vormittags gegenseitig die Arbeiten - und gehen trotzdem nachmittags ein Bier zusammen trinken. Jedes Paper, das man einreicht, wird von der Zeitschrift und nachfolgend von Reviewern zerfetzt. Der Sinn dahinter ist nicht, es zu diskreditieren, sondern es zu verbessern.
Diese Kultur ist eine ganz spezielle - und sie wird weder von der Öffentlichkeit noch von den Medien verstanden. Corona, wie du es nennst, halte ich ebenfalls für das allerbeste Beispiel dafür. Jeder glaubte, jeden kritisieren oder sogar persönlich angreifen und ihm seine Expertise absprechen zu dürfen. Je weniger Expertise, desto stärker scheint mir dieses Phänomen ausgeprägt. Manche Politiker sind die absurd übersteigerte Karikatur davon. Von Verschwörungstheoretikern mal ganz zu schweigen.

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