Was denkst du über Sterbehilfe? Bist du der Meinung, dass sie legalisiert oder verboten werden sollte? Welche Argumente gibt es dafür und dagegen?

14 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich arbeite seit 1985 in der Altenpflege und habe sehr viele Menschen in den Tod begleitet und die waren teilweise durch ihre Krankheiten psychisch und körperlich gezeichnet.

Im Jahr 2015 wurde in Deutschland das Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) eingeführt und das finde ich richtig gut. Sei es mit der Zielsetzung, sei es mit den Kernpunkten. Mir als Pfleger gibt es eine unglaubliche Sicherheit und es ist keine juristische Grauzone mehr. Es gibt mittlerweile viele stationäre Einrichtungen und auch ambulante Dienste, die nach dem SAPV System arbeiten, viele Hospize haben dieses Konzept des SAPV mittlerweile übernommen. Also Sterben und Tod sind keine Tabuthemen mehr und das ist auch gut so. Als ich mit der Altenpflege angefangen hatte, da stand das Leben egal in welcher Qualität an erster Stelle, es wurde Maschinen und andere Folterinstrumente am Sterbenden angeschlossen, teilweise auch ausprobiert, medizinisch unnötige Operationen wurden durchgeführt und Sterben wurde zur Qual und der menschenwürdige und ehrenwehrte Tod wurde nicht praktiziert. Es ist wirklich gut, dass die Gesellschaft sich dahin gehend geändert hat und dieses Thema nicht mehr tabuisiert wird.

Ich halte Nichts davon, dass man die Sterbehilfe legalisiert und man dann den Slogan in den Umlauf bringt "weißt du was, wir bestellen uns den Tod bei Amazon in Form von Drogen oder tötenden Substanzen". Die Ethik zum Thema darf nicht verloren gehen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – 39 Jahre Krankenpfleger in der Langzeitpflege
WwernerR363  26.03.2024, 10:30

Danke für deinen Beitrag!

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gluchjeiser  03.05.2024, 20:26

Bis zur Palliativ-Station ist es aber oft ein sehr langer Weg. Es gibt jedoch genügend Menschen die leiden vorher schon zu genüge an und würden aus vielerlei Gründen einen möglichst leidfreien und selbstbestimmten Tod bevorzugen.

Mich wundert es dass Du bei Deiner Berufserfahrung darüber gar nicht nachgedacht hast, e snicht einmal erwähnst, aber groß von "Ethik" sprichst und Sterbehilfe als eine Art "Supermarkt" - Einkauf bezeichnest.

Ich denke die Ethik des selbstbestimmten Sterbens sollte doch noch etwas mehr sein, als ggfs. darauf warten zu müssen, das das Leid so groß ist, dass man möglicherweise viel zu spät erlöst werden darf.

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Gerontopfleger  04.05.2024, 01:25
@gluchjeiser

Wir haben hier in Deutschland eine gute Gesetzesvorlage durch das Hospiz- und Palliativgesetz - HPG. Dort finde ich es sehr gut geregelt, dass man das Sterben selbstbestimmt orgnisieren kann. Durch die mittlerweile gut ausgebaute SAPV-Versorgung bewgt man sich nicht mehr in einer gestzlichen Grauzone sondern in einer legalen Umgebung.

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Ich lebe in der Schweiz und bei uns ist Sterbehilfe schon lange legal und wird auch praktiziert.

Ich finde es mehr als angebracht, dass Todkranke selber über den Zeitpunkt ihres Ablebens bestimmen dürfen. Es ist doch sowieso unumgänglich, und anstatt noch ewig lange zu leiden (und nebenbei einen Haufen Kosten zu verursachen), ist es doch auch für Angehörige angenehmer, wenn sie den Sterbezeitpunkt kennen und sich entsprechend vorbereiten und verabschieden können.

Aus meiner Sicht gibt es keinen vernünftigen Grund gegen Sterbehilfe (im Sinne der Selbstbestimmung).

H4RUKA 
Fragesteller
 26.03.2024, 09:52

Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft respektieren und unterstützen, wenn jemand in einer aussichtslosen Situation leidet und sich für eine würdevolle Beendigung seines Lebens entscheidet.  Jeder Mensch sollte das Recht haben, selbstbestimmt zu entscheiden, wie er sein Leben beenden möchte! Ich danke dir für deine Antwort :)

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LastDayofEden  26.03.2024, 09:56
@H4RUKA

Gerne. :))

Ich finde auch, dass das Beispiel Schweiz beweist, dass so gut wie alle Argumente, die gegen Sterbehilfe vorgebracht werden, haltlos sind. Es ist eine vernünftige, moderne und ideologiefreie, pragmatische Lösung.

Nicht mehr und nicht weniger!

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Gerontopfleger  26.03.2024, 10:06

So wie du das kommunizierst finde ich das auch legitim. Mein ABER.

Ich lebe in der Schweiz und bei uns ist Sterbehilfe schon lange legal und wird auch praktiziert.

Deine Worte und da denke ich sofort an DIGNITAS, ich habe über diese Institution im Internet recherchiert und habe auch mal im Fernsehen darüber gesehen. Hier meine Gründe, warum ich gegen diese Praktiken bin:

  1. Du bewirbst dich bei DIGNITAS, schilderst deine Situation, vielleicht auch deine Probleme, z. B. und sagst dann, dass du über die Trennung der Partnerschaft nicht hinweg kommst und Liebeskummer hast.
  2. Du hast alles weg geschickt, bekommst einen Einzahlungsschein zwischen 5000,00€ und 10.000€, wenn du das bezahlt hast bekommst du die Adresse von einem Hotelzimmer
  3. Du fährst hin nimmst das bereitgestellte Zyankali und das wars dann

Für mich keine Alternative zum HPG hier in Deutschland.

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LastDayofEden  26.03.2024, 10:31
@Gerontopfleger

Ich kenne die Gepflogenheiten bei Dignitas nicht. Aber EXIT ist viel grösser, und dort darfst du die Dienstleistung erst in Anspruch nehmen, wenn du mehrere Jahre Mitglied warst. Zudem musst du ärztlich bestätigt unrettbar krank und gleichzeitig geistig urteilsfähig sein.

Eine Affekthandlung aus Liebeskummer ist bei EXIT ausgeschlossen. Die setzen auch kein Zyankali ein, sondern Bentobarbital.

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Gottestrost  26.03.2024, 10:34
@Gerontopfleger

Es gibt auch Exit! Sie haben andere Bestimmungen!

ZB. wenn ein Demenzkranker sich nicht einen schnellen Termin genommen hat, und später so dement ist, dass er nicht mehr versteht, was er macht, wird das Produkt von Exit nicht mehr gegeben.

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Gerontopfleger  26.03.2024, 10:37
@LastDayofEden

Danke dafür, EXIT kenne ich nicht und habe darüber auch noch nichts gehört. Aber danke für die Antwort. Jedoch lehne ich diese Art der Sterbehilfe ab, denn eine Zwangsmitgliedschaft über mehrere Jahre ist u. U. genauso teuer wie hier in Deutschland eine Palliativversorgung durch ein SAPV Team. Und für diese Dienstleistung benötigst du keinen Mitgliedsschein in einer Vereinigung.

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LastDayofEden  26.03.2024, 10:41
@Gerontopfleger

Also, deine Informationen über Dignitas sind vollkommen falsch. Genau wie EXIT engagiert sich Dignitas AKTIV inder Suizidprävention.

Eine Selbsttötung aus einer Notsituation ist ausgeschlossen. Eine Sterbewunsch benötigt IMMER eine mehrmonatige Vorbereitung. Es werden in ALLEN Fällen mindestens ZWEI ärztliche Gutachten eingeholt, welche abklären, ob:

1. Die Erkrankung des Betroffenen therapeutisch nicht mehr beeinflussbar ist und alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind (bei Liebeskummer nicht der Fall)

2. Der Suizidwunsch auf nachhaltig erzielten Erwägungen basiert und nicht nur ein momentaner Affekt (wie bei Liebeskummer der Fall)

3. Der Betroffene im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist (kann im Falle von akutem Liebeskummer vorübergehend ausgesetzt sein)

Was du also behauptest, ist schlichtwegs falsch und hat nichts mit der praktizierten passiven Sterbehilfe in der Schweiz zu tun.

http://www.dignitas.ch/index.php?option=com_content&view=article&id=69&Itemid=136&lang=de

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Gerontopfleger  26.03.2024, 10:45
@LastDayofEden

Ich danke dir für diese Aufklärung, du hast es wirklich informativ und sachlich erklärt. Vielen Dank dafür und ich werde den Link downloaden um weitere Informationen zu bekommen.

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LastDayofEden  26.03.2024, 13:07
@Gerontopfleger

Ich freue mich, dass ich es gut erklären konnte. Leider geistern wirklich falsche Informationen durch das Netz, so dass man sich kein reales Bild der Sache machen kann. Falls du selbst tatsächlich Gerontopfleger bist (was ich jetzt mal aus deinem Nutzername ableite), weisst du, wie tabubehaftet das Thema Tod ist.

Gerade deshalb ist es wichtig, wirklich die Fakten zu beachten. Auch in der Schweiz will sich niemand strafbar machen, und auch hier gelten strenge Regeln. Zudem tun die Sterbehilfeorganisationen alles, um nicht in ein schiefes Licht zu rutschen (in dem sie sowieso schon sind, einfach für das, was sie tun), weil sie sonst an Glaubwürdigkeit verlieren, und in ihrem Gebiet ist Vertrauen das, was sie bieten müssen, um überhaupt Leute von sich überzeugen zu können.

Die mehrjähige Mitgliedschaft ist aus zwei Gründen notwendig: Erstens, das stellt eben genau sicher, dass Leute sich nicht aus Affekt für die Sterbeorganisation entscheiden, sondern aus wohlüberlegten Gründen. Ansonsten haben sie einen Haufen Ärger mit Sterbewilligen, die nicht einmal im Ansatz die Kriterien erfüllen.

Ich weiss jetzt nicht mehr, ob das Dignitas oder Exit war, aber einer der beiden erklärte, dass 99% der Beratungen, die sie durchführen, darin enden, dass die Leute (bewusst) weiterleben wollen.

Der zweite Grund ist natürlich, dass alle diese Dienstleistungen nicht gratis sind, die Leute müssen natürlich bezahlt werden. Der Mitgliederbeitrag ist allerdings gering: Exit verlang Fr. 45.- im Jahr - bei einer Mitgliedschaft von 20 Jahren sind das gerade mal Fr. 900.-.

Ich weiss nicht, wie das in Deutschland ist, aber damit bezahlt man in der Schweiz nicht einmal EINEN Tag in der Palliativabteilung eines Spitals!

Trotzdem hat jedes Mitglied (und natürlich auch alle anderen) die Möglichkeit, Palliativpflege in Anspruch zu nehmen. Man MUSS nicht Sterbehilfe in Anspruch nehmen, nur weil man Mitglied ist - aber man muss Mitglied sein, um Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu können, um eben genau zu verhindern, dass die Leute glauben, sie könnten sich aus dem Nichts heraus ein tödliches Gift verabreichen lassen.

So funktioniert es nicht, und das ist auch richtig so. Es geht um eine gewachsene und gereifte Einstellung zum Thema Krankheit, Alter, Sterben und Tod.

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Gerontopfleger  27.03.2024, 09:17
@LastDayofEden

Vielen Dank, und zu deiner Frage ob ich wirklich Pfleger bin, ja das bin ich und ich arbeite seit 1985 in der Altenpflege.

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Unbedingt sollte der Prozess vereinfacht werden.

Ein Leben, was noch alles vor sich hat, nach dessen Existenz es selbst nie gefragt wurde, kann mir nichts dir nichts „abgetrieben“ werden.

Ein gelebtes Leben, ohne jegliche Chance auf Besserung, muss auf Gedeih und Verderb zu Ende gelebt werden.

Das ist nicht richtig.

Ja unter bestimmten Vorrausetzungen unbedingt. Wenn jemand sterbenskrank ist zum Beispiel und es keine Hoffnung auf Heilung gibt. Es gehört zur Würde des Menschen jemanden nicht noch unnötig zu quälen.

Mit der aktuell geltenden Rechtslage, ist Sterbehilfe in Deutschland gegenwärtig bereits legal. Es bedarf hierzu im Grunde genommen keiner gesetzlichen Regelung durch den Gesetzgeber mehr. Dazu muss man zunächst einmal wissen, dass Sterbehilfe unter Angehörigen oder auch unter Freunden in Deutschland an sich noch niemals unter Strafe gestellt gewesen ist. Diese, war primär schon immer legal, sofern die sterbewillige Person die für sie tödliche Substanz selbstständig eingenommen hat. Verboten war durch den §217 Strafgesetzbuch (StGB) jedoch die geschäftsmäßige Förderung von Sterbehilfe, also zum Beispiel durch organisierte Sterbehhilfevereine. Diese, war unter Strafe gestellt. Bereits im Februar 2020, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE) mit Sitz in Karlsruhe entschieden, das der §217 StGB verfassungswidrig und damit nichtig ist. Gemäß Bundesverfassubgsgericht, umfasst das im Grundgesetz (GG) für die Bundesrepublik Deutschland (BRD) verankerte "allgemeine Persönlichkeitsrecht" oder auch sogenannte "Selbstbestimmungsrecht" bestehend aus Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes auch das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben. Dies schließt laut BVerfGE die Freiheit ein, sein Leben eigenhängig und gewusst und gewollt zu beenden, also das Recht auf Suizidbegehung. Dabei ist dieses Recht laut BVerfGE desweiteren nicht an fremddefinierbare Situationen wie das Vorliegen von einer schweren und unheilbaren Erkrankung gebunden sondern es besteht in jeder Phase von menschlicher Existenz, da eine inhaltliche Vorbestimmung und eine Beschränkung auf bestimmte Gründe dem Freiheitsgedanken des Grundgesetzes fremd wäre. Dabei besteht auch das Recht, sich zum Suizid Unterstützung bei gewerbsmäßig handelnden Anbietern zu suchen, da sich niemand darauf verlassen könne, dass ihm Angehörige oder Freunde dabei behilflich sind oder insbesondere ältere Menschen oftmals überhaupt gar keine Angehörigen mehr haben. Seit dieser Entscheidung des BVerfGE, dürfen auch Sterbehilfevereine in Deutschland grundsätzlich legal Sterbehilfe anbieten. Das BVerfGE hat dem Gesetzgeber jedoch die Möglichkeit offen gelassen, die Sterbehilfe in Deutschland gesetzlich zu regulieren, zum Beispiel vorzuschreiben, dass suizidwillige Personen zunächst an einer Beratung teilnehmen müssen, um ihnen entsprechende Hilfangebote aufzuzeigen oder auch eine bestimmte Wartefrist vorzuschreiben, um Kurzschlussreaktionen zu verhindern. Von dieser Möglichkeit, hat der Gesetzgeber bislang trotz hitziger Debatten allerdings noch keinen Gebrauch gemacht. Es gab dazu bereits verschiedene Gesetzesentwürfe, welche jedoch keine politischen Mehrheiten fanden. Das BVerfGE hat für eine mögliche gesetzliche Regelung der Sterbehilfe auch vorgegeben, dass ein Gesetz nicht so streng sein darf, dass es dem Einzelnen faktisch die Möglichkeit auf die Inanspruchnahme von Sterbehilfe wieder verschließt. Ein zu strenges Gesetz, könnte demnach vom BVerfGE erneut für verfassungswidrig erklärt werden.

Mfg