Von welchen Englischkenntnissen kann man bei jemandem ausgehen, der in der DDR Mitte der 1980er auf der weiterführenden Schule und danach in der Ausbildung war?

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Nach 4 Jahren Grundschule kam von 1979 bis 1985 die weiterführende POS.

Das ist so nicht ganz richtig. Es gab zumindest in meiner Stadt keine Grundschule. Dort kam man ab der 1. Klasse in die POS. Das ging bis zur 10. Klasse. Weil in der DDR aber alles genormt war, kann ich mir nicht vorstellen, dass es in anderen Städten anders gewesen sein soll. Die POS war also keine weiterführende Schule, sie war der Normalfall für alle.

Eine weiterführende Schule wäre die EOS. Dort ging man nur dann hin, wenn man sein Abi machen und studieren wollte. Es gab kaum jemanden, der dort hin ging um dann eine Ausbildung zu beginnen. Aber diese beiden Punkte sind vermutlich nicht wichtig für deine Frage.

Englisch wurde ab der 7. Klassen gelehrt. An meiner Schule waren das 2 Stunden in der Woche und diese beiden Stunden waren erst nach dem Ende des Unterrichts dran. Das heißt, man hatte gegen 13 Uhr Schulschluss, ging nach hause und musste um 16 Uhr noch einmal in die Schule kommen um zwei Stunden Englisch abzureißen. Das war extrem nervig!

Wenn man so wenige Stunden in der Woche hat und das auch noch nach der Schule, dann kannst du dir vorstellen, dass nicht viel dabei heraus kam. Mich hat man (zum Glück) nach wenigen Wochen aus dem Englischunterricht geworfen, weil ich irgend etwas politisches gesagt hatte. Heute weiß ich noch nicht einmal mehr, was ich damals gesagt habe.

Weil ich aber unbedingt Englisch lernen wollte, habe ich es mir selbst beigebracht. Damals konnte ich auf meinem Fernseher die drei Programme aus dem Westen empfangen. ARD, ZDF und das dritte Programm vom NDR. Der NDR sendete damals an jedem Dienstag (später am Donnerstag) einen sehr alten amerikanischen Film im Originalton, mit deutschen Untertiteln. Ich habe mir wirklich jeden dieser Filme angesehen, egal wie schlecht sie waren, weil ich so Englisch lernen konnte. Zusätzlich habe ich mir aus dem Antiquariat zwei sehr alte und sehr dicke Wörterbücher gekauft. Deutsch - Englisch und Englisch - Deutsch. Diese Bücher besitze ich heute noch, sie haben jeweils 1200 Seiten und obwohl sie bereits 1910 gedruckt wurden, war es mir damit möglich Englisch zu lernen.

Mein Englisch ist heute sehr viel besser, als das meiner Mitschüler. Viele von denen sprechen so gut wie kein Wort Englisch mehr. Nur ein Mädchen aus meiner Klasse ist auf meinem Niveau, aber die war ohnehin die Klügste und ich vermute, dass sie genau wie ich nach der Schule selbstständig weiter gelernt hat. Für fast alle anderen war der Unterricht für die Katz. Zum einen haben sie in der Schule so gut wie nichts gelernt. Zum anderen konnten sie ihre wenigen Kenntnisse nicht anwenden, denn es gab in der DDR ja niemanden, mit dem sie Englisch sprechen konnten.

Ich glaube ich war 22 oder 23 als ich zum ersten Mal englisch gesprochen habe. Damals habe ich in einem Urlaub in Bulgarien eine Familie aus King’s Lynn in England kennengelernt. Die waren in diesem Urlaub ziemlich verloren, weil von den Bulgaren zwar viele Deutsch sprachen, aber kaum jemand konnte damals Englisch. Das hat sich erst sehr viel später geändert. Damals waren sie sehr froh, dass ich ihnen weiter helfen konnte.

Für mich war es eine Offenbarung, mit ihnen zu sprechen, weil ich zum ersten Mal eine Referenz hatte und sehen konnte, wie gut mein Englisch wirklich ist und ob man mich versteht. Auf einer Skala von 1 bis 10 würde ich mir selbst eine gute 7 geben. Ich komme einem Muttersprachler noch nicht einmal nahe, dafür ist mein Wortschatz zu gering. Aber ich kann alles sagen was ich will und ich verstehe sehr viel. Weil ich nie ganz damit aufgehört habe, Englisch zu lernen, bin ich heute besser als in meiner Schulzeit. Trotzdem hätte ich es damals gern richtig gelernt. Denn besonders in der Grammatik agiere ich nach Gefühl und nicht nach Wissen. Auch kann ich so gut wie gar nicht Englisch schreiben. Das mag komisch klingen, ist aber so. Ich kann alles lesen, aber wenn ich etwas schreiben soll, dann hakt es gewaltig, weil ich es nie gelernt und geübt habe.

Russisch wurde bereits ab der 5. Klasse gelehrt und zwar mit deutlich mehr Stunden pro Woche als Englisch. Mein Russisch ist ganz gut, aber ich muss mir die Sätze vorher auf Deutsch überlegen und sie dann in meinem Kopf übersetzen, bevor ich sie ausspreche. Das dauert immer eine Sekunde und ist anstrengend. Auf Englisch kann ich denken und muss nichts übersetzen.

Für mehrere Jahre habe ich in der Sowjetunion gearbeitet und dort viel Russisch gesprochen, aber selbst dadurch kam ich nie auf das Niveau wie in meinem Englisch.

Aber um auf deine Frage zurück zu kommen, du kannst von jemandem der in der DDR zur Schule gegangen ist, nicht erwarten, dass er die gleichen Englischkenntnisse hat, wie jemand der im Westen aufgewachsen ist. Das ist nur dann möglich, wenn er Englisch studiert hat oder wenn er es sich selbst beigebracht hat. Der Unterricht in der POS war nichts wert, weil er stiefmütterlich behandelt wurde und weil in der kurzen Zeit einfach nicht viel dabei heraus kommen konnte.

Kwalliteht  28.12.2022, 12:55

Kann ich so bestätigen.

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Ist egal, das Schulenglisch ist bei einem 52 jaehrigen fast irrelevant.

Entweder hat er seit seiner Schulzeit Englisch genutzt und ist GUT. Oder er hat es nicht getan, dann ist sein Englisch auch mit LK schlecht.

Ich z.B. war immer ziemlich schlecht in Englisch in der Schule, bin aber viel gereist und habe im Ausland auf Englisch studiert. Da ich EN in meinem Job brauche (und Songs und Filme etc.) bin ich inzwischen ziemlich gut.

Mit genau 0.

Meist die können die gar kein Englisch.

Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass jemand, der 1969 geboren ist und einen Hauptschulabschluss in Westdeutschland gemacht hat, auch kein Englisch kann.

Das sind so meine Erfahrungen.

Ich bin 1974 geboren und ich hatte mit 20 Kollegen, die konnten kein Englisch, 0,0.

Die konnten keine englischen Games spielen, was man eigentlich so mit 11 kann.

heidemarie510  15.02.2022, 06:55

Ich bin 1954 ziger Jahrgang und hatte bereits Englisch und Französisch. Englisch brauche ich jetzt beruflich. Dadurch werden meine Kenntnisse wieder aufgefrischt..🙂

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Nach allem was ich mitbekommen habe, ist bei fast niemandem mehr bei einer 2. Fremdsprache noch etwas vorhanden, außer einzelne Wörter bzw. Redewendungen wie Begrüßungen etc. Die zweite Fremdsprache hatte nirgendwo den Stellenwert der ersten. Wenn da jemand Englischkenntnisse hat, dann nur, wenn er in eigener Regie sein Englisch verbessert hat.

Rechne also damit, dass derjenige auf 10 oder sogar 100 zählen kann (aber das kann ich auf Italienisch auch, ohne es je gelernt zu haben), oder vielleicht noch nach dem Weg fragen kann. Allerdings könnte er, würde er selbst gefragt, die Frage nach dem Weg nicht beantworten. Vielleicht weiß sogar nicht mal die Mehrheit der Deutschen was "gerade aus" auf Englisch heißt.

Katinkacat  23.09.2022, 15:40

Ich hatte 4 Jahre Englisch, ich kann mich damit nach wie vor gut verständigen.

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Das kann man so nicht einschätzen.

Ich hatte ab der 8. Klasse (POS) Englisch. Bis 1990 hat mich das aber nicht wirklich interessiert und meine Kenntnisse waren knapp über Null.

Heute kann ich mich zumindest verständigen, besser als so Mancher der nach der Wende Abi gemacht hat. Ein guter Bekannter ist viel im Ausland unterwegs und beherrscht das noch weit besser, ohne irgendwelche Kurse.

Rosenmary 
Fragesteller
 14.02.2022, 23:52

Die Person, um die es geht, hat keine Kurse belegt, war hier und dort in den USA im Urlaub. Die Anforderung der Ausschreibung sind gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift.

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Nomex64  15.02.2022, 00:56
@Rosenmary

Mit dem nötigen Interesse braucht man keine Kurse. Manche Leute lernen Sprachen nebenbei, bei Anderen helfen auch die besten Kurse nix.

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