Sollen wir am Sozialstaat sparen oder schauen dass die Tarifbindung erhöht wird?

Das Ergebnis basiert auf 23 Abstimmungen

Sozialstaat einschränken 43%
Tarifbindung erhöhen nach EU Richtlinie 30%
Nichts davon 22%
Beides tun 4%

2 Antworten

Nichts davon

Hallo,

im Jahre 2022 lag das deutsche Medianeinkommen bei monatlich etwa 3675 Euro Brutto, was gemäß der europäischen Empfehlung bei einer 40h - Woche einem Mindestlohn von ca. 13,80 Euro pro Stunde entspräche. So weit, so gut.

Allerdings liegst Du in folgender Aussage nicht ganz richtig zur Sache:

Wir legen aktuell bei 42% Tarifbindung, heißt wir sind die schwächsten in Europa war Tarifbindung angeht.

Das hat nichts mit europäischen "Richtlinien" zu tun, sondern unterliegt in Deutschland dem verbrieften Recht der Tarifautonomie. Es steht den Betrieben daher grundlegend frei, ob sie sich einer Tarifgemeinschaft anschließen oder nicht. Daran sollte grundlegend auch weiterhin nichts geändert werden in der marktwirtschaftlichen Selbstregulation, da sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer ein verbrieftes Grundrecht auf Vertragsfreiheit haben in DE.

Ich würde allerdings durchaus zwei Sachen an Nebenschauplätzen dennoch ändern wollen:

- Equal-Pay auch für Langzeitarbeitslose und Leiharbeiter ab dem ersten Tag ihrer Tätigkeitsausübung innerhalb der jeweiligen Entgeltgruppen der sie beschäftigenden Betriebe. ( Bei Leiharbeit entsprechend der Entgeltgruppen des Entleihers, wenn höher als Grundentgelt in der Leihbude )

- Minijobs dürften nicht mehr Brutto für Netto entgolten werden, sondern auch hier wären die regulären SV-Abgaben in einem evtl. lediglich etwas vermindertem Satz je hälftig von AG und AN zu tragen. Zudem müßten Minijobs dann auch per Job auf max. 400 Euro Brutto je Job, und bei mehreren Minijobs auf insgesamt max. 550 Euro Brutto gedeckelt werden. Darüber hinaus begänne bereits die Gleitzone für SV-pflichtige Teilzeit.

- Keine Zwangszuweisungen Erwerbsloser in individuell völlig unpassende Beschäftigungen mehr durch die Jobcenter, sondern künftig zwingende Einhaltung der Vermittlungsstrategien an entsprechende Beschäftigbarkeitsprofile der jeweiligen Betroffenen. Dann regelt sich der Markt nämlich wieder von selbst hinsichtlich besserer Arbeitsbedingungen von personalsuchenden Arbeitgebern.

Am Sozialstaat kann natürlich auch gespart werden, aber dann nur an sinnvollen Rädchen.

- Zunächst müßte dann erst mal dieser ganze leidige Sumpf subventionierter Sinnlos-Maßnahmeträger wie Monate dauernder Bewerbercoachings, "Lifestyle-Coaching" und sonstigem Kroppzeugs ausgetrocknet werden. Stattdessen für diese Gelder lieber sinnvolle Integrationsmaßnahmen wie Bürgerarbeit in dauerhaften Projekten wie Umorientierung ins Büromanagement und sonstiger Kommunalaufgaben zur Einsparung eigenen Fachpersonals für dauerhafte Stellen forcieren. ( das wäre insbesondere für ältere und beschäftigungseingeschränkte Personenkreise sinnvoll )

- Für jüngere und voll beschäftigungsfähige Menschen mit intergralen Hemmnissen Kooperativen mit Arbeitgebern für das Primärziel einer Berufsausbildung mit Perspektive im Rahmen von mehr Stufenausbildungen schaffen in Teilfinanzierung ausbildungswilliger Betriebe gegenüber Menschen mit momentanen Defiziten.

- Änderung des Fallmanagements für Personen in prekären Jobs mit häufigen Beschäftigungsunterbrechungen nebst Möglichkeit einer sanktionsfreien Kündigung innerhalb von Probezeiten bei Missmatching mit gegebener Nahtlosigkeit in der fortlaufenden Leistungsgewährung bis die Akte geschlossen werden kann durch Gründung einer dauerhaften und gefestigten Beschäftigung. Der Arbeitslohn geht dann nicht mehr direkt an den Arbeitnehmer, sondern in einen speziellen Fonds. Aus diesem Fonds wird dann an die beschäftigte Person im ergänzenden Leistungsbezug monatlich incl. Beschäftigungsprämie ausgekehrt.

Dieser Prozess ließe sich wunderbar digitalisieren zur weiteren Einsparung behördlichen Personals mit dem netten Nebeneffekt der Schaffung viel mehr Motivation, jederzeit auch eigeinitiativ sich jede bietende Kurzzeittätigkeit mal näher ansehen zu können ohne lästige Bürokratie und damit verbunden etwaiger Versorgungslücken.

- Weitere Effizienzsteigerungen wären möglich, wenn auch andere Ergänzungsleistungen wie Kindergeld, Unterhaltsvorschuss, Sozial- / und Wohngeld in vereinheitlichte Berechnungsgrundlagen einer allgemeinen Grundsicherung bürokratisch übernommen würden, statt jedes für sich weiter sein eigenes Süppchen köcheln zu lassen.

( Das sollte ja mal eines der wichtigsten Grundziele der kläglich gescheiterten Angenda 2010 gewesen sein, bevor sie derart missbräuchlich abgewandelt wurde von machen miesen Subjekten und Lobbys zu Lasten der schwachen und bedürftigen Menschen in sich. )

- Zu guter letzt müßte aber auch tatsächlich die Flüchtlingspolitik intern, wie auch auf europäischer Ebene endlich mal gemeinverbindlich angegangen werden. Trotz aller Solidarität dürfen ukrainische Flüchtlinge dann streng genommen auch nicht mehr anders als anerkennbare Kriegsflüchtlinge aus anderen Nationen behandelt werden, da dieses in DE dem Gleichstellungsgrundsatz dieser gesamten Bedürftigkeitsgruppe wiedersprechen würde.

Tarifbindung erhöhen nach EU Richtlinie

Wenn man von seiner Arbeit nicht leben kann weil die Löhne unter aller Sau sind ist das NICHT die Schuld derer, dei arbeiten sondern die "Geiz ist geil" Mentalität der Unternehmen deren Chefetagen sich zugleich selber reichlich beschenken.
Wenn dann jemand beschließt nur noch halbe Tage zu arbeiten weil mit weniger Lohn + Geld vom Staat am ende des Monats mehr übrig bleibt kann ich das absolut verstehen.

Ich hab grade so ein Beispiel: Meine Pflegeschwester, alleinerziehend, 5 Kinder hatte einen Vollzeitjob und mit der Lohnerhöhung um knapp 100€ verlor sie spontan den Mietzuschuss, den Wohnberechtigungsschein etc. und stand mit +1000€ an Ausgaben da. Sie hat in Teilzeit gewechselt um überleben zu können.
Wenn Personen in sozialen Berufen so bezahlt werden das sie trotz Vollzeit nicht über die Runden kommen muss man wohl nichtmehr fragen, warum dort niemand mehr anfangen will.
Ganz ähnlich bei den Busfahrern: wer da heute anfängt steht mit wenigen € überm Existenzminimum da für einen Job mit viel Stress, Verantwortung und teils besch...eidenen Arbeitszeiten. Klar finden sich da kaum Leute für.

Ist schon bitter wenn man arbeiten will und es sich nicht leisten kann. Aber "der Markt regelt das schon" und wenn die Peons nicht freiwillig knechten dann halt weil sie die Wahl bekommen zwischen dem totalen Ausschluss aus der Gesellschaft und dem sozialen Leben oder Hungerlohn.