Schadet Trinkgeld einer fairen Lohnstruktur??
Wenn wir Trinkgeld geben, haben wir oft nicht im Blick, wie es die gesamte Gehaltsstruktur beeinflusst. Viele Arbeitgeber zahlen bewusst niedrigere Löhne, weil sie davon ausgehen, dass Trinkgelder die Einkünfte der Mitarbeiter ergänzen. Das Trinkgeld nimmt so die Verantwortung vom Arbeitgeber, seinen Angestellten ein faires und in einigen Fällen existenzsicherndes Gehalt zu zahlen.
Indem wir Trinkgeld geben, helfen wir dabei, ein System zu stützen, bei dem der Arbeitgeber weniger für seine Mitarbeiter zahlt, weil er weiß, dass die Trinkgelder die Lücke füllen. Eigentlich sollte es doch die Aufgabe des Arbeitgebers sein, einen fairen Lohn zu zahlen, ohne dass die Mitarbeiter auf Trinkgeld angewiesen sind.
Auf lange Sicht könnte dieses System dazu führen, dass die Gehaltsstruktur in bestimmten Branchen ungerecht bleibt. Anstatt den Fokus darauf zu legen, den Arbeitslohn zu erhöhen, wird der Druck auf die Kunden abgewälzt, eine Verantwortung zu übernehmen, die eigentlich beim Arbeitgeber liegt.
11 Antworten
Viel problematischer als Trinkgeld finde ich staatliche Unterstützungen. Warum darf ein Arbeitgeber in München, Frankfurt oder Hamburg Mindestlohn zahlen und sich darauf verlassen, dass der Staat mit Wohn- oder Bürgergeld "aufstockt"? Warum dürfen Leute Teilzeit arbeiten und sich die zusätzliche Freizeit aus Steuergeldern finanzieren lassen? Warum erwähnst du nicht, dass viele Kellner oder Pizzalieferanten heute nur Minijobber sind, die den Mindestlohn (oder noch mehr) abgabenfrei einstecken dürfen - und das Trinkgeld gleich noch dazu? Warum bekommen Menschen, die noch nie im Leben gearbeitet haben, zwei Zimmer, Küche, Bad auf Kosten der Allgemeinheit?
Kein Mensch muss kellnern. Kein Mensch muss Trinkgeld geben. Aber jeder zahlt mit Einkommens-, Mehrwert-, Tabak-, Sprit-, Kapitalertrags- und anderen Steuern die o.g. "Vergünstigungen" mit...
Es ist zwar nicht zu 100 % passend zum Thema, regt aber auf jeden Fall zum Nachdenken an, und somit ist es die beste Antwort in diesem Spiel.
Umgekehrt muss man sagen das aber Trinkgeld leider wirklich das einzige Geld ist was direkt bei den Mitarbeitern ankommt.
Gehaltserhöhungen würden bei weitem nicht soviel bringen wie Trinkgeld. Denn von einer Gehaltserhöhung würden nicht nur die ganze Sozialabgaben und Steuern abgehen, sondern es würde auch mit Sozialleistungen wie Wohngeld, Kinderzulage, Aufstockung, etc. verreichnet.
Wenn es statt 200€ Trinkgeld dafür 200€ mehr Gehalt geben würde, würden davon schonmal etwa ca. 60€ Sozialabgaben und ca. 10€ Steuern abgezogen und nur ca. 130€ Netto ausbezahlt.
Und nichtmal diese 130€ würden wirklich bei den Mitarbeitern ankommen. Sondern wenn dann nach das Wohngeld um so 90€ gekürzt wird, bedeutet das, das von 200€ mehr Gehalt nur so 40€ bei den Mitarbeitern ankommen würden und der Rest mehr oder weniger an den Staat gehen würde.
Das ist eine interessante Betrachtungsweise. Wenn man es von diesen Standpunkt aussieht, ist das Trinkgeld wirklich ein enormer Vorteil für die Mitarbeiter, auch wenn es die Ausbeutung durch den Arbeitgeber nicht besser macht.
Man kann Trinkgeld ähnlich wie Prämien bewerten. Ist das System auch falsch?
Prämien, z. B. bei Vertrieblern, sind auch Gehaltsbestandteil, den man nur erhält, wenn man Abschlüsse macht. Also arbeitet oder Erfolg hat. Beides bedingt sich nicht unbedingt.
Man könnte alle Berufe gleichstellen was das Bezahlmodell betrifft. Dann sollte man aber gleich überdenken, ob man die Bezahlung nicht der Realität anpassen sollte. Denn viele Berufe sind def. überbezahlt und andere unterbezahlt. Ohne dabei an Trinkgelder oder sonstige Extras zu denken.
Dann siehst Du das ganze aus der Sicht einer sozialistischen Planwirtschaft, in der eine höhere Institution entscheidet welcher Lohn dem Personal zusteht. Die haben wir aber nicht, sondern das Lohnniveau pendelt sich durch Angebot und Nachfrage ein.
Außerdem hast Du das Trinkgeld gründlich missverstanden. Es handelt sich nicht um eine Lohnaufstockung, sondern um ein persönliches Dankeschön für einen besonders guten Service, vom Gast direkt ins private Portemonnaie der Bedienkraft und nicht ins Kassen- und Buchungssystem des Betriebs. Es geht niemanden sonst etwas an, den Chef nicht, die Kollegen nicht, das Finanzamt nicht. Es ist nicht dazu da, auf die gesamte Belegschaft verteilt zu werden. Der Koch hat nicht für mich persönlich ganz besonders gut gekocht, er weiß gar nicht für wen er kocht, also bekommt er auch kein Trinkgeld. Insbesondere wenn man Stammgast ist soll das Trinkgeld gewährleisten, dass man auch in Zukunft genauso aufmerksam bedient wird. Und das bewirkt eine Menge. In meiner Stammkneipe brauch ich nur zur Tür hinein zu kommen, und - zack - steht auch schon der Bierseidel unterm Zapfhahn. Die nachfolgenden Biere werden unaufgefordert und rechtzeitig gezapft, aber nur so viele wie ich bekanntermaßen trinke.
Du hast immer noch nicht verstanden dass es in der Gastronomie keine scharfe Abgrenzung gibt. Ich hatte doch ausdrücklich ein Beispiel genannt. Genauso "ordentliche Arbeit" wäre es, wenn ich in meiner Stammkneipe erstmal warten müsste, bis die überlastete Wirtin meine Bestellung entgegennehmen kann, und wenn ich dieses Theater nach jedem einzelnen Bier wiederholen müsste, und ebenso für die Bezahlung. In einem schlechten Gastronomiebetrieb muss man am Ende, wenn man fertig ist, stundenlang winken und rufen, weil das Personal gar nicht von sich aus pausenlos den Gastraum beobachtet ob jemand etwas will. Dennoch ist das "ordentliche Arbeit".
nicht das trinkgeld ist gefährlich, sondern der umgang damit.
ein trinkgeld ist eine extra vergütung für einen besonders guten service, und wird aufgrund von positiver erfahrung oder sympathie gegeben.
ein trinkgeld, was so wie in den usa quasi als pflicht angesehen wird, und mit der bewertung der serviceleistung nichts mehr zu tun hat, ist unanständig.
es ist noch hinzuzufügen, dass in den usa leute schon ihren job verlieren, wenn sich ein kunde beschwert, egal ob es gerechtfertigt war oder nicht.
in einem solchen umfeld ist ein trinkgeld ein ärgernis und rangiert nach meinem empfinden in etwa da, wo vorausmietzahlungen gefordert werden, um überhaupt auf der interessentenliste zu landen. da wird eine notlage ausgenutzt.
"soll das Trinkgeld gewährleisten, dass man auch in Zukunft genauso aufmerksam bedient wird." Sollte nicht jeder Arbeitnehmer erstmal grundsätzlich deine Arbeit ordentlich machen? Trinkgeld ist ein hervorragende Gelegenheit für den Arbeitgeber sich finanziell zurückzuhalten.