Laut Alice Weidel war Adolf Hitler ein Kommunist. Wie findet ihr das?

9 Antworten

"Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke. Nichts ist uns verhasster als der rechtsstehende nationale Besitzbürgerblock." Joseph Goebbels | in: Der Angriff, Gauzeitung der Berliner NSDAP, 6.12.1931, zit. nach Wolfgang Venohr: Dokumente Deutschen Daseins: 500 Jahre deutsche Nationalgeschichte 1445-1945, Athenäum Verlag, 1980, S. 291)

Ob die Nationalsozialisten links oder rechts waren hängt allein davon ab, wie man "links" und "rechts" definiert. Historisch beruht die Unterscheidung zwischen "rechts" und "links" auf einer simplen Sitzordnung während der Französischen Revolution - bei der Einberufung der Generalstände saßen rechts vom Parlamentspräsidenten die adeligen Vertreter des Ancien Regime, links dagegen die bürgerlichen Revolutionäre. Salopp gesagt, die Rechten sind die Leute der Eliten, die Linken sind die Leute des gemeinen Volkes.

Das Hitlerregime war kein egalitäres, am Gemeinwohl orientiertes Projekt, sondern ein streng elitäres und hierarchisches, ausbeuterisches System, was klar für die Einordnung ins rechte Spektrum spricht. Aber es hatte durchaus auch linke und progressive Elemente, wenn man "links" im marxistisch-leninistischen Sinne versteht, und die NSDAP war keine Partei aus dem klassisch rechten Spektrum (Adel, Großbürgertum etc.), wurde von diesem sogar zeitweise bekämpft - die meisten Widerstandskämpfer des 20.Juli 1944 kamen aus diesem Milieu. Sebastian Haffner hat sich in seinen brillanten "Anmerkungen zu Hitler" ausführlich mit der linken und progressiven Seite des Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Die Beantwortung der Frage nach der Einordnung des Nationalsozialismus ins politische Spektrum ist alles andere als trivial. Der Prototyp des faschistischen Führers, Benito Mussolini, war ursprünglich tatsächlich Sozialist, und auch die NSDAP hatte lange Zeit einen "nationalbolschewistischen" Flügel. Das Thema ist also ziemlich komplex. Und man kann genauso fragen, ob die Bolschewisten und marxistisch-leninistischen Sozialisten wirklich so links oder nicht doch eher rechts waren - oder ob die angeblichen linken Parteien im Bundestag heute tatsächlich auch so links sind, wie sie behaupten.

Nach meiner eigenen, subjektiven Einschätzung, ausgehend von der Definition des Links-Rechts-Spektrums aus der Zeit der Französischen Revolution, sehe ich momentan überhaupt keine wirklich linken Parteien und keine linke Politik in Deutschland mehr. Und das ist ein ernsthaftes Problem und eine Legitimationskrise für unser politisches System, das den Anspruch erhebt, die Interessen des ganzen Volkes demokratisch im politischen Entscheidungsprozess widerzuspiegeln, im Endeffekt aber stets "alternativlos" nur zugunsten der parteipoltischen und wirtschaftlichen Eliten entschieden wird. Statt sinnlose, akademische Scheindebatten ("Waren die Nazis links?") zu führen, sollte man lieber überlegen, warum die Alice Weidel und die AfD stabil ein Fünftel der Wählerstimmen - die meisten davon aus der Arbeiterklasse - bekommen, obwohl die Partei seit ihrer Gründung am laufenden Band dämonisiert und delegitimiert wird und ihre Wähler als Idioten und Nazis diffamiert werden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Sie sagte das im Kontext, sich und ihre Partei von Hitler abzugrenzen.

Sie sagte: "... er war kein Libertärer. Er war dieser sozialistisch, kommunistische Typ. ... und wir (AfD) sind genau das Gegenteil."

Ich halte Hitler nicht für einen Kommunisten. Das macht auch aus der Sicht zur Zeit des zweiten Weltkriegs keinen Sinn.

War Hitler rechts oder links? Ich finde die Einordnungen ohnehin nutzlos. Aus unserer Sicht waren auch die damaligen Allierten USA, England und Frankreich rechts.

Ich finde, dass sie damit Recht hat, dass sich ihr Flügel der AfD deutlich von der NSDAP unterscheidet und ich gehe davon aus, dass das ihr Punkt war. Das sie halt für den Abbau des Staates steht und Hitler den Staat eher vergrößert hat.

Mehr Positive Punkte für Hitler? - Ähm, die NSDAP hat den Weihnachtsmarkt wieder in die Städte gebracht? Insgesamt war Hitler halt ein ziemlich gestörter Typ und seine Partei eine Katastrophe für die Welt.


Proletator  27.04.2025, 12:22

Weißt du, wer in Deutschland den 1.Mai als gesetzlichen Feiertag eingeführt hat? Das Hitlerregime hätte ohne "positive Seiten" gar nicht funktioniert. Natürlich mussten Hitler und sein Regime Leistungen und Erfolge vorweisen, um die Unterstützung und Kooperation der Bevölkerung zu gewinnen, und es ist keine Schande, das offen zuzugeben. Man sollte dabei nur nicht vergessen, dass diese "positiven Seiten" des Regimes letzlich nur verbrecherischen Zwecken dienten.

Hitler war ein nichtmarxistischer, genauer gesagt sogar antimarxistischer Sozialist. Die Wirtschaftsform faschistischer Staaten wie dem Italien des Ex-Kommunisten Benito Mussolini, dem Spanien Francisco Francos oder auch dem Deutschland Adolf Hitlers ist eine Marktwirtschaft, die aber staatlich überwacht wird und jederzeit dirigistisch reguliert werden konnte. Somit stellt das faschistische Wirtschaftsmodell den Mittelweg dar zwischen dem westlichen Liberalismus und der marxistischen Planwirtschaft, wie sie in Form der Sowjetunion geschichtliche Wirklichkeit geworden war.

Im Liberalismus, dessen Regierungsform die parlamentarische Republik ist (von der Eigenpropaganda als „Demokratie“ bezeichnet) gibt es zunächst einen freien Wettbewerb von Unternehmern. Im Laufe der Zeit aber sind die Gewinner dieses Wettbewerbs dermaßen stark, also kapitalmächtig, daß sie alle ihre Konkurrenten vernichten bzw. aufkaufen können und weitere nicht mehr zu ihnen aufsteigen vermögen. Dann wird aus der freien Marktwirtschaft der sogenannte Korporatismus, also die Herrschaft der Großkonzerne. Dies ist in den „Marktwirtschaften“ des heutigen Westens weitestgehend der Fall. Einige Großkonzerne wie Apple, Microsoft, NVIDIA, Amazon, Coca Cola, Raytheon, Boeing, Nike usw. dominieren alles und es gibt somit keinen freien Wettbewerb mehr, sondern eine Oligarchie einiger Großkapitalisten (einschließlich auch der Banker).

In marxistischen Systemen wiederum werden die Firmen „vergesellschaftet“. So gab es z. B. in der DDR keine letztlich zum Korporatismus führende Konkurrenz von Unternehmen, sondern die Betriebe waren „volkseigene“ – in Wahrheit gehörten sie natürlich nicht dem Volk, sondern dem Staat, welcher sozusagen der Monopolkapitalist war. Der Staat legte in mehrjährigen Plänen fest, was zu produzieren war. Durch den Wegfall der privaten eigenständigen Initiative hat dieses System überall dort, wo es verwirklicht wurde, die Kreativität und unternehmerische Phantasie eintrocknen lassen. Dadurch erlitt das Innovationspotential dieser Gesellschaften ebenso einen brutalen Einbruch wie überhaupt deren Wettbewerbsfähigkeit mit den westlichen kapitalistischen Gesellschaften, solange diese noch nicht vollständig im Korporatismus erstarrt waren.

Faschistische Staatstheoretiker wie Mussolini erkannten dieses Problem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie wollten es lösen durch die Schaffung eines dritten Weges des Verhältnisses zwischen Staat und Wirtschaft. Obgleich man im Faschismus den marktwirtschaftlichen Wettbewerb grundsätzlich bejahte, sollte doch der Staat durch gezielte Eingriffe verhindern, daß Großkonzerne die Kapitalmacht für sich monopolisierten und durch diese letztlich auf den Staat einwirkten. Anders als im Korporatismus, wo der Staat nach der Pfeife der Konzerne tanzt, sollten im Faschismus die Konzerne dem Staate gehorchen und dienen.

In friedlichen Zeiten, in denen die Unternehmen eines faschistischen Staates vor allem für den Binnenmarkt sowie auch den Weltmarkt produzierten, griff der Staat wenig ein und das System war näher am Kapitalismus westlicher Prägung. In Kriegszeiten hingegen steigerte sich der Dirigismus – in Hitlers Drittem Reich sogar zu faktischer Planwirtschaft wie in der Sowjetunion. Ähnlich wie in dieser wurden während des Krieges auch im Hitlerreich faktisch „Sklaven“, also Zwangsarbeiter genutzt, mit ähnlich brutalen Methoden wie unter Stalin.

Wenn Alice Weidel also meinte, Hitler sei kommunistisch gewesen, so hat sie damit Unrecht. Hitler war ideologisch Antikommunist, aber nicht in erster Linie aus wirtschaftstheoretischen Gründen, sondern aus dem Grund, daß der Kommunismus letztlich nach Abschaffung aller Grenzen, Staaten und damit am Ende auch Völker strebt und einen Welteinheitsstaat errichten will. Hitler dachte aber völkisch, d. h. er wollte, daß die einzelnen Völker in ihrer jeweiligen Eigenart erhalten bleiben sollen.

Hitler war aber auch kein nationaler Kommunist. Es gab zwar in der NSDAP einen linken Flügel, der ein solches System nationaler Planwirtschaft erstrebte. Diesen fand man in Teilen der SA, vor allem in den beiden Brüdern Strasser. Doch Hitler schaltete diesen Flügel aus, da er mit Mussolini darüber einstimmte, daß die vollständige Planwirtschaft für das Gedeihen der Volkswirtschaft nicht zuträglich ist.

Selbst Lenin, obgleich theoretisch Marxist, hat dies nach einigen Jahren uneffektiver Planwirtschaft in der Sowjetunion erkannt und seine Neue Ökonomische Politik eingeführt, die wieder eine gewisse private Initiative zuließ. Nach Lenins Tod hat Stalin diese aber wieder durch die rigide Planwirtschaft ersetzt, wie sie der Marxismus fordert.

Nationale Kommunisten werden von klassischen Marxisten gewöhnlich nicht als Kommunisten akzeptiert. Das liegt daran, daß der Marxismus eben nicht nur eine Idee über das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft ist, sondern eine umfassendere Ideologie mit einem konstruierten Geschichtsbild, das bis in die Zukunft hineinreicht, an deren Ende der Weltstaat stehen soll.

Der absolute ideologische Kernunterschied zwischen Marxisten und Faschisten also, der auch die Todfeindschaft beider Gruppen begründet, liegt in der gegensätzlichen Denkungsart in Bezug auf das Verhältnis der Völker zur Gesamt-Menschheit: Der Marxist will die Völker in einem einheitlichen Weltstaat, im globalen Kommunismus, verschmelzen lassen, während der Faschist sie in ihrer jeweiligen Eigenart erhalten will.

Hitler kann also mit Recht als nichtmarxistischer und national denkender Sozialist beschrieben werden, nicht aber als Kommunist.

Alice Weidel hat Hitler zwar nicht als Kommunisten, wohl aber dessen Politik an einer Stelle ihres Gespräches mit Elon Musk als kommunistisch bezeichnet, was in die Irre führt. Richtig ist, daß Hitler Einiges aus Stalins Sowjetunion kopierte (etwa das schreckliche Lagersystem, die ridige Zensur, das Spitzelsystem und im Krieg dann tatsächlich auch die Planwirtschaft), sein System jedoch streng national war und zudem wirtschaftlich in der Zeit vor dem Krieg noch nicht gänzlich planwirtschaftlich, sondern eben nur faschistisch-dirigistisch.

Frau Weidel meint etwas Richtiges, das heute meist von der mehr oder weniger linken Geschichtsschreibung in den Hintergrund gedrängt bzw. geleugnet wird, nämlich die relative wirtschaftliche Nähe von Hitlers System bzw. der faschistischen Systeme im Allgemeinen, zur marxistischen Planwirtschaft, drückt sich aber ungeschickt aus, wenn sie dafür das Adjektiv kommunistisch verwendet. Sozialistisch ist richtig, kommunistisch aber nicht. –


Neonwave999  10.02.2025, 20:43

Er hat auch nicht die Produktionsmittel komplett enteignet und die Ausbeutung nicht angeschafft:Somit war er kein Sozialist

Faktenbefreites Denken würde ich das nennen.

Was hat das dritte Reich mit Gemeineigentum zu tun? Wo wurden die Reichen enteignet? Juden wurden enteignet, unabhängig ihres Reichtums. Ja, viele Juden waren reich, andere halt nicht. Und vor allem waren viele Reiche eben keine Juden und die wurden überhaupt nicht enteignet.

Was hat Hitler also bitte mit Kommunismus zu tun? Wo war die Enteignung?

Abgesehen davon sind links und rechts halt keine politischen Begriffe, sondern reine Richtungsangaben im Parlament. Und im Parlament saß die NSDAP ganz klar rechts. Ja, die hatten auch "Arbeiter" im Namen und angeblich hat sich das auch in deren Politik wiedergespiegelt. Mit einer freien Marktwirtschaft oder einem ultrakapitalistischen System, wie Weidel es sich vorstellt, hatten Hitlers wirtschaftliche Vorstellungen sicherlich wenig zu tun. Werden sie dadurch links oder kommunistisch? Nö.

Die Bundeswehr ist übrigens die Armee der Bundesrepublik. Hitler hat einen zentralistischen Obrigkeitsstaat angeführt, mit Föderalismus war da gar nichts. Hitlers Armee war die Wehrmacht.

Woher ich das weiß:Recherche
Laut Alice Weidel war Adolf Hitler ein Kommunist. Wie findet ihr das?

Tja, ganz schwer zu sagen, was sie sich dabei gedacht hat -- es ist sowohl inhaltlich falsch als auch nicht einmal vorteilhaft im Sinne von Wählerfang in der rechten Ecke. Eigentlich in jeder Richtung eine unkluge Aussage von Weidel.

Ich vermute mal, dass sie die AfD als besonders "libertär, rechts, typisch konservativ" hinstellen wollte und sich auf eine gewisse Art vom Dritten Reich distanzieren wollte. Ihr Vorgehen war aber unklug und irreführend.

Nun muss man aber auch sagen, dass das ja nicht die erste Weidel-Aussage ist, die nicht den Fakten standhält. So eine plötzliche Aufregung ist nicht nötig.

Nationalsozialismus ist nicht Sozialismus. Trotzdem sollte man bedenken, dass der Begriffsbestandteil "-sozialismus" in Nationalsozialismus durchaus auf bestimmte Überschneidungen hinweist. Gleichwohl gibt es eben auch drastische Unterschiede.

Kommunisten und Nationalsozialisten waren gegenseitig Systemfeinde. Natürlich war der Führer kein Kommunist. So eine Aussage ist einfach idiotisch.

Interessanter Artikel zum Thema

https://www.focus.de/politik/deutschland/in-talk-mit-musk-weidel-nennt-hitler-sozialist-und-kommunist-wo-afd-chefin-recht-hat-und-wo-nicht_id_260623095.html


Menydous900  10.01.2025, 12:41

Libatär und konservativ passen schonmal garnicht zusammen!

Proletator  27.04.2025, 12:28
@Menydous900

Warum sollten Libertäre und Konservative nicht zusammenpassen? "Libertär" ist das Gegenteil zu "autoritär", das Gegenteil von "konservativ" heißt "progressiv". Gerade heutige Wirtschsftslibertäre sind extrem konservativ, ihr Gesellschafts- und Politikmodell zielt darauf, dass Reiche reich und Arme arm bleiben.

Menydous900  27.04.2025, 22:17
@Kajjo

Schnittmengen gibt es mit jeder politischen Ideologie.

Dennoch bleiben im Grundsatz Libertär und Konservativ grundlegend unterschiedlich.

Menydous900  27.04.2025, 22:17
@Proletator

Das ist nicht konservativ,sondern liberal

Wer konservativ ist,der kann per se nicht liberal sein,weil er ja die Freihiet des einzelnen als kritisch betrachtet und mehr auf tradierte Mittel setzt

Proletator  28.04.2025, 07:19
@Menydous900

Verwechsle "liberal" nicht mit "libertär". "Liberal" ist in etwa deckungsgleich mit "progressiv"

Proletator  28.04.2025, 07:30
@Menydous900

Anders als Konservative haben Liberale nichts gegen progressive Strömungen, z.B. Wokeness, Transgender etc. können aber dennoch für einen starken, sogar autoritären Staat eintreten, so wie z.B. Milton Friedman und Friedrich August von Hayek bei Pinochet in Chile. Libertäre hingegen wollen, dass der Staat möglichst komplett verschwindet und alles der Wirtschaft überlässt, bis hin zu ganzen Städten, die privatisiert werden sollen (sog. "Freie Privatstädte").